[PDF] Vögel in der griechischen Antike - Free Download PDF (2024)

1 Clemens Lunczer Vögel in der griechischen Antike Eine Untersuchung über Kenntnisse und Wahrnehmung der antik...

Clemens Lunczer

Vögel in der griechischen Antike –– Eine Untersuchung über Kenntnisse und Wahrnehmung der antiken Vogelwelt

Dissertation eingereicht an der Philosophischen Fakultät der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg am 26. Mai 2009

Betreuung durch Prof. Dr. Angelos Chaniotis Zweitgutachten durch Prof. Dr. Eftychia Stavrianopoulou

Clemens Lunczer Fuchshofweg 43 D-73614 Schorndorf

ii

Inhaltsverzeichnis

Vorwort ............................................................................................................................ v 1

Einleitung.................................................................................................................... 1

2

Die Quellen................................................................................................................10 2.1 Schriftliche Quellen................................................................................................10 2.1.1 Früheste schriftliche Quellen ...........................................................................10 2.1.2 Aristoteles .......................................................................................................12 2.1.3 Alexander von Myndos....................................................................................20 2.1.4 C. Plinius Secundus (d. Ä.) ..............................................................................22 2.1.5 Dionysios Perihegetes......................................................................................23 2.1.6 Aelian..............................................................................................................24 2.1.7 Athenaeus (Athenaios).....................................................................................25 2.1.8 „Nicht-naturwissenschaftliche“ Quellen...........................................................26 2.1.9 Hesychios ........................................................................................................27 2.1.10 Gesamtbild der schriftlichen Quellen .............................................................27 2.2 Vögel in der darstellenden Kunst ............................................................................28 2.2.1 Malerei ............................................................................................................29 2.2.2 Münzen ...........................................................................................................32 2.2.3 Plastiken..........................................................................................................34 2.2.4 Graffiti.............................................................................................................34 2.2.5 Bewertung der bildlichen Quellen....................................................................36 2.3 Archäologische Quellen..........................................................................................37

3

Systematischer Überblick über die Vogelwelt der griechischen Antike.......................38 3.1 Wasservögel ........................................................................................................39 3.1.1 Entenvögel.......................................................................................................40 3.1.2 Langbeinige und langhalsige Vögel .................................................................50 3.1.3 Tauchende Vögel.............................................................................................54 3.1.4 Sonstige Vögel am Meer, an Flüssen und Seen ................................................61 3.1.5 Der Halcyon-Kerylos-Keiris-Komplex.............................................................64 3.1.6 Watvögel (Limikolen)......................................................................................68 iii

3.1.7 Kleine Vögel am Wasser ................................................................................. 71 3.2 Greifvögel.............................................................................................................. 72 3.2.1 Geier ............................................................................................................... 73 3.2.2 Adler............................................................................................................... 75 3.2.3 Mittelgroße und kleinere Greifvögel................................................................ 77 3.3 Eulen ..................................................................................................................... 79 3.4 Rabenvögel ............................................................................................................ 82 3.4.1 Rabe, Krähe und Dohle ................................................................................... 82 3.4.2 Die übrigen Rabenvögel .................................................................................. 85 3.5 Vögel der Felder, Wälder und menschlichen Siedlungen ........................................ 87 3.5.1 Tauben ............................................................................................................ 87 3.5.2 Spechte, Kleiber und Baumläufer .................................................................... 89 3.5.3 Hühnervögel und Trappen ............................................................................... 93 3.5.4 Weitere auffällige Vögel der Wälder und des Kulturlandes.............................. 98 3.6 Singvögel und ähnliche Arten .............................................................................. 101 3.7 Exotische Vögel................................................................................................... 118 3.8 Nicht zuzuordnende Bezeichnungen..................................................................... 121 4

Fragen und Erkenntnisse.......................................................................................... 124 4.1 Vögel und Landschaft .......................................................................................... 126 4.2 Andere Zeiten – andere Vögel? ............................................................................ 135 4.3 Vogel und Mensch ............................................................................................... 142 4.3.1 Die wirtschaftliche Bedeutung der Vögel ...................................................... 142 4.3.2 Vogel und Mensch in sozialer Beziehung ...................................................... 154 4.3.3 Der Vogel im religiös-kultischen Bereich...................................................... 165 4.3.4 Die wissenschaftliche Beschäftigung mit den Vögeln.................................... 170

5

Resümee und Ausblick ............................................................................................ 172

Bibliographie ................................................................................................................ 176

iv

Vorwort Vorliegende Untersuchung ist die leicht überarbeitete Fassung meiner Dissertation, die im Sommersemester 2009 von der Philosophischen Fakultät der Universität Heidelberg angenommen wurde. Diese Dissertation verdankt ihr Zustandekommen nicht alleine dem Verfasser, sondern, wie in so vielen Fällen, einer ganzen Reihe an „helfenden Händen“. Was auch immer jede dieser Hände zum Ergebnis beigetragen haben mag, die Verantwortung für den Inhalt der Dissertationsschrift und für Fehler jeglicher Art liegen ausschließlich bei mir. An vorderster Stelle bin ich Prof. Dr. Angelos Chaniotis (jetzt Oxford) zu tiefstem Dank verpflichtet, dass er als Betreuer dieser Dissertation es mir ermöglicht hat, einen ungewöhnlichen Weg zu bestreiten. Seine Kritik, seine hilfreichen Hinweise und sein stets offenes Ohr für meine Anliegen haben einen nicht zu unterschätzenden Anteil an der Verwirklichung dieses Projekts. Frau Prof. Dr. Eftychia Stavrianopoulou (Heidelberg) danke ich für Ihre hilfreiche Kritik und die Bereitschaft, das Zweitgutachten zu übernehmen. Darüber hinaus durfte ich auf die Unterstützung von Prof. Dr. Eckart Olshausen, Prof. Dr. Peter Scholz, Prof. Dr. Klaus Hentschel, PD Dr. Beate Ceranski, Prof. Dr. Ulrich Fellmeth und Dr. Frank Daubner (alle Stuttgart) zurückgreifen. Allen Genannten sei an dieser Stelle ganz herzlich gedankt. Die vorliegende Arbeit wäre ohne die Informationen und Hinweise folgender Personen sicherlich unvollständig geblieben, seien es nun Hinweise auf Literatur, Kommentare zu einzelnen Textpassagen, Korrekturen etc.; auch ihnen möchte ich meinen Dank aussprechen: Dr. Melanie Fillios (Sydney), Ines Hildt und Gitta Held (beide Schorndorf), Prof. Dr. Ragnar Kinzelbach (Rostock), Priscilla Lange (Oxford), Dr. Franz Niederwolfsgruber (Innsbruck), Prof. Dr. Roland Prinzinger (Frankfurt), Dr. Wietske Prummel (Groningen), Rolf Schlenker (Radolfzell), Dale Sergeantson (Southampton), Tommy Tyrberg (Norrköping), Stephanie Vann (Leicester).

v

Es würde den Rahmen sprengen, auch all diejenigen Menschen namentlich zu nennen, die mir in unterschiedlichster Art und Weise weitere Unterstützung zukommen ließen; mein Dank jedoch ist Ihnen allen gewiss. In den vergangenen drei Jahren wurde ein Gutteil meiner Freizeit für die Erstellung der Dissertation geopfert; wenn meine Frau Stefanie dies nicht ertragen und mitgetragen hätte, wäre der Erfolg fragwürdig gewesen. All diese Stunden kann ich ihr nicht zurückgeben, doch für jede einzelne mag ich gerne meinen tiefsten Dank aussprechen. Schorndorf, im November 2009

vi

Clemens Lunczer

1

Einleitung Eine Untersuchung über die antike Vogelwelt? Erstaunt mag der Althistoriker1 inne-

halten und mit einiger Berechtigung nach Sinn und Zweck einer solchen Arbeit fragen. Bald schon wird sich dem Wissenschaftler die weitere Frage aufdrängen, ob ein solches Thema überhaupt von Relevanz für die Althistorie ist, oder nicht eher in das Fach (Natur-) Wissenschaftsgeschichte oder gar in die historische Ornithologie zu verweisen wäre. Um diese Fragen zu beantworten, bedarf es zunächst eines Blickes auf verschiedene Erscheinungen unserer heutigen Zeit; die Hintergründe reichen von Klimawandel über Wissensund Traditionsverlust bis zu Erkenntnissen aus der DNA-Forschung. Wie groß der anthropogene Anteil an den derzeitigen Klimaveränderungen auch immer sein mag – ein weltweiter Wandel der klimatischen Bedingungen ist deutlich feststellbar und schlägt sich auch im Verhalten vieler Lebewesen nieder. Die Vögel spielen in diesem Zusammenhang eine ganz bedeutende Rolle, da z. B. das Zugverhalten einiger Arten sich rasch den veränderten Bedingungen angepasst hat und somit auch dem Menschen signifikante Veränderungen deutlich vor Augen führt. Veränderungen sind allerdings nur aus der historischen Perspektive heraus als solche begreifbar. Der Mensch nimmt derartige Entwicklungen also nur wahr, weil das vertraute Muster, welches sich über Jahre, bisweilen über Generationen hinweg in eigene Erfahrungen und Erkenntnisse geformt hat, nun nicht mehr stimmig ist; die Wahrnehmung und das daraus resultierende Wissen bedürfen einer Überprüfung, einer Nachjustierung, vielleicht sogar einer absoluten Neuausrichtung.2 Möchte man daher das Ausmaß von Veränderungen einschätzen, so ist es unaus1

Man möge es mir verzeihen, wenn ich im Verlauf des Textes immer wieder lediglich die maskuline Form eines personenbezogenen Nomens verwende, statt politically correct jeweils sowohl feminine wie maskuline Formen zu nennen; es dient dies lediglich der flüssigeren Schreib- und Lesweise und darf keinesfalls geschlechterdiskriminierend verstanden werden. Dass eine große Anzahl Frauen die Wissenschaft führend mitgestaltet und prägt, steht außer Frage. Wer beispielsweise auch in vorliegender Arbeit die bibliographischen Hinweise aufmerksam studiert, wird dies ohne Zweifel bestätigt finden. 2 Die gesellschaftspolitische Relevanz des Themas ist offensichtlich; entsprechend mehren sich Berichte und Artikelserien in Zeitschriften und Zeitungen; ein Beispiel etwa ist der Artikel von Robert Lücke: „Alle Vögel sind noch da. Wegen der milderen Winter gibt es für Stare, Kraniche und andere Zugvögel immer weniger Anlass, in weit entfernte Quartiere zu fliegen“ (Süddeutsche Zeitung vom 23. September 2008: 18). Derartige populärwissenschaftlich-journalistische Berichte sind zwar nicht immer frei von Fehlern und falschem Gebrauch von Fachtermini, doch spiegeln sie das Bedürfnis wider, ein die gesamte Menschheit betreffendes Problem auf relativ verständliche Art erklärt zu bekommen, dies darüber hinaus mit nachvollziehbaren Beispielen – in besagtem Artikel sind das die (leicht abgewandelte) Verwendung eines Kinderreims bzw. Volksliedes und der Bezug auf zumindest dem Namen nach bekannte Vogelarten.

1

weichlich, die historischen Bedingungen als Vergleichsgrundlage heranzuziehen. Nur weil die Zugdaten verschiedener Vogelarten relativ gut bekannt sind, lassen sich Abweichungen rasch erfassen und nachverfolgen. Für die aktuelle Klimadebatte beispielsweise genügt es jedoch nicht, die klimatische Dynamik der letzten Jahrzehnte oder weniger Jahrhunderte zu untersuchen, sondern um einigermaßen verlässliche Prognosen hinsichtlich möglicher Folgen machen zu können, sind weitaus größere zeitliche Maßstäbe zu beachten. Auch auf das Verhalten der Vögel bezogen wird erst ein Blick auf möglichst große Zeiträume Aussagen darüber ermöglichen, ob gewisse Verhaltensänderungen mit anderen Faktoren, wie etwa dem Klima, der Ausbreitung der Landwirtschaft etc., korreliert sind. Nun haben Paläontologie und Zooarchäologie zwar die Möglichkeit, ungleich weiter in die Vergangenheit zu blicken als die Althistorie, doch vermögen sie nur begrenzte Aussagen etwa zum Thema Vogelzug und noch eingeschränkter hinsichtlich des Verhaltens der Tiere zu machen; dies gilt erst recht für die Einsicht in die menschliche Wahrnehmung der genannten Phänomene. Die Antike als Zeitalter, welches uns die ersten ausführlicheren Überlieferungen des biologischen Wissens übermittelt, muss vor diesem Hintergrund somit als relevanter, maximal in die Vergangenheit zurückreichender Zeitpunkt gelten. Je weiter man in die Vergangenheit zurückblickt, umso stärker zeigt sich der jeweilige Mensch als ein Wesen, welches von seinen Kenntnissen über die Natur abhängig war. Nur dieses Wissen garantierte dem Individuum das Überleben. Erlernt wurde es neben praktischer Erfahrung vor allem durch Tradition; in diesem Punkt unterscheidet sich die ferne Vergangenheit nicht von der Gegenwart. Ein Unterschied besteht allerdings in der genannten Notwendigkeit solchen Wissens. Mit zunehmender Kultivierung ist eine „Ent-Naturalisierung“ der Spezies Mensch einher gegangen; technischer und technologischer Fortschritt haben zunehmend die Abhängigkeit des Menschen von der Umwelt reduziert. Dieser Prozess bringt heute Wissenschaftler verschiedener Fachrichtungen dazu, den damit verbundenen Wissensverlust zu beklagen.3 Stellvertretend möge an dieser Stelle der Ökonom Jeremy Rifkin zu Wort kommen: „[…] in diesem stolzen Zeitalter der Urbanisierung haben wir den Menschen immer weiter vom Rest der natürlichen Welt abge3

Wiederum sei ein Zeitungsartikel als Beispiel angeführt, um auch hier den öffentlichkeitsrelevanten Aspekt zu betonen: „Amsel, Drossel, Fink und – wer? Studie zeigt, dass Schüler die Vögel nicht mehr kennen“ (Christian Sebald, Süddeutsche Zeitung vom 6. Mai 2008: 37).

2

schnitten, im Glauben, wir könnten den Reichtum des Planeten erobern, um völlige Autonomie zu garantieren, ohne schlimme Konsequenzen für uns alle. In der nächsten Phase der Menschheitsgeschichte müssen wir einen Weg finden, um wieder im Einklang leben zu können mit dem, was unsere Erde noch an Substanz zu bieten hat, damit unsere Gattung erhalten und der Planet für unsere Mitmenschen bewahrt bleibt.“4

Ob man Rifkins Dramatik übernehmen möchte, sei dahingestellt. Jedenfalls bringt er deutlich zum Ausdruck, dass ein Umdenken stattfinden muss, wenn die menschliche Gesellschaft den Planeten Erde auch für künftige Generationen als lebenswert erhalten möchte. Oder wie es Madeleine Bunting ausdrückt: „We need that attentiveness to nature to understand our humanity, and of how we fit, as just one species, into a vast reach of time and space. […] The recent floods [esp. in England in 2007 (C. L.)] were a sharp reminder of what happens when we don’t understand the land on which we live. Previous generations would never have forgotten about the way in which water has to move through land.“5

Und hier kommt wiederum die ureigenste Aufgabe des Historikers ins Spiel: aus den Entwicklungen der Vergangenheit die Gegenwart zu erklären, um für die Zukunft die „richtigen“ Entscheidungen treffen zu können. Im besonderen ist meines Erachtens auch in diesem Falle der Althistoriker gefragt; er sollte einen umfassenden Einblick in das Leben des antiken Menschen geben, besonders hinsichtlich dessen Fähigkeiten, in und mit seiner antiken Umwelt zu (über-)leben. Über diesen aktuellen gesellschaftspolitischen Ansatz hinaus bietet die historische Beschäftigung mit Vögeln Ansätze zu einem tieferen Verständnis von antiken, früh- und vorgeschichtlichen Kulturen. Eine gewisse Berühmtheit erlangten in diesem Zusammenhang Hühnerknochen aus Südamerika; eine DNA-Analyse derselben erbrachte den Nach4 5

Süddeutsche Zeitung vom 05. Januar 2007: 2. The Guardian Weekly 03.08.07: 19.

3

weis, dass das Haushuhn deutlich vor den ersten europäischen Entdeckern dorthin gelangt sein musste.6 Auch wenn für die griechische Antike nicht zu erwarten ist, dass Vogelknochen Erkenntnisse bringen werden, welche neuartige, umfassende Auswirkungen auf das Verständnis jener Epoche oder auf die althistorische Geschichtsschreibung haben mögen, so zeigt das Beispiel der südamerikanischen Hühner doch, dass Geschichte nicht nur als menschliche Geschichte im engeren Sinne betrachtet werden darf, sondern dass der Mensch immer in seiner Umwelt zu begreifen ist; es ist vor allem auch diese Umwelt, welche dem Individuum oder einer Gruppe von Personen die Handlungsspielräume diktiert und oft genug ganze Regionen zum Agieren oder Reagieren drängt. Ganz in diesem Sinne sei es mir gestattet, ein weiteres Zitat anzufügen, welches gleichsam eine (im weitesten Sinne) Antiken-ihärente Rechtfertigung für vorliegende Abhandlung liefert: „[Dexter] Perkins concluded [his speech on The Beginnings of Animal Domestication in the Near East] with some remarks about faunal analysis in general. Most archaeologists are ignorant of natural history; they should, however, have a basic knowledge of animal identification, since it is usually not possible to include a zoologist in field teams. […] Faunal remains should in fact be studied like any other collection of artifacts; they are just as much cultural debris as lithic or ceramic material. An astonishingly high percentage of bone material is quite literally artifactual in the conventional sense: ”use retouched,“ e.g., bones used for scraping, slicing, etc. […], are examples of such artifacts. That they would have been recognized by neither the zoologist nor the archaeologist unaccustomed to working with bone material points out the necessity for continued and close cooperation between the two specialists.“7

Was genau will die vorliegende Arbeit also untersuchen? Mit einem Blick möglichst weit zurück lassen sich aktuelle Tendenzen und Veränderungen des Zusammenlebens von Mensch und Tier sinnvoll erfassen und einschätzen. Die Antike im allgemeinen bietet sich gleichsam von selbst als geeignetster Zeitraum an, birgt diese Epoche doch neben 6

Vgl. die Artikel „Schneller als Kolumbus. Polynesier haben Amerika vor den Europäern entdeckt“ (Martin Kotynek, Süddeutsche Zeitung vom 06. Juni 2007) und „Origins of First Chickens in Americas“ (John Noble Wilford, New York Times Weekly (Supplement to Sueddeutsche Zeitung) June 18, 2007, sowie Storey et al. (2007). 7 Perkins (1973): 282.

4

archäologischem Material vor allem auch früheste umfassende schriftliche Zeugnisse, welche relativ problemlos zur Auswertung herangezogen werden können. Unter diesen schriftlichen Quellen finden sich sogar einige, die sich explizit mit Tieren im allgemeinen und den Vögeln im besonderen befassen.8 Nun sind zwar auch Quellen aus deutlich früherer Zeit und aus älteren Kulturen bekannt, die einen detailreichen Einblick in das Vogelleben geben, doch bleiben diese insofern nur Stückwerk, als ergänzendes Material fehlt, welches eine umfassende Untersuchung über größere zeitliche oder räumliche Bereiche jener Kulturen ermöglichte.9 Eine solche Möglichkeit zu einer ersten genaueren Untersuchung der Vogelwelt ist mit der griechischen Antike gegeben. Die Ergebnisse derselben können schließlich als Basis für weitergehende Untersuchungen dienen; zu denken ist hierbei an in die Zukunft gerichtete Themen (mit Blick auf die Situation im römisch-lateinischen Kulturraum und darüber hinaus ins Frühmittelalter), wie auch sich der Vorgeschichte annähernde Forschungen. Der Begriff „griechische Antike“ umfasst in diesem Sinne den Zeitraum von der greifbaren Ausbildung eines hellenisch geprägten Kulturraumes bis zum Ende des römischen Reiches, welches als Erbe das griechische Wissen (oder besser: die griechische „Wissenschaft“) bis ins Mittelalter trug, und schließt außer dem eigentlichen „Griechen-Land“ (also dem südlichsten Balkan, der Ägäis und Westkleinasien) all jene Regionen mit ein, die in Folge von Alexanders Großreich als heute so genannte hellenistische Staaten fortdauerten. Die Eingrenzung auf den hellenischen / hellenistischen Raum ist lediglich auf die Herkunft der Quellen bezogen. Untersucht werden hauptsächlich die überlieferten schriftlichen Quellen in griechischer Sprache; als Ergänzung oder zum Vergleich kommen darüber hinaus auch lateinische Quellen, bildliche oder sonstige darstellende Quellen und archäologische Zeugnisse dort zu Wort, wo sie für das Verständnis des Gesamtzusammenhanges wichtig erscheinen. Die Willkür der Begrenzungen wird durch das zuvor Erwähnte gerechtfertigt, nämlich dass vor allem mit den altgriechischen Texten eine aus-

8

Siehe Kapitel 2.1. Hervorzuheben sind in diesem Kontext ganz besonders die Vogelbilder, -reliefs und -statuetten aus Ägypten, die von einer meist äußerst präzisen Naturbeobachtung und von höchster künstlerischer Begabung zeugen (manchem modernen ornithologischen Feldführer sind einige der ägyptischen Zeichnungen an Genauigkeit und Lebendigkeit der Darstellung unbestreitbar überlegen); Beispiele finden sich aus beinahe der gesamten Periode der altägyptischen Geschichte (vgl. Houlihan 1986; vgl. auch den Artikel „A lesson from the burial house“ von Adhaf Soueif, The Guardian Weekly 23.01.09: 32–33). 9

5

sagekräftige Darstellung der Situation zu einem frühestmöglichen Zeitpunkt ermöglicht wird. Dass der vorliegenden Arbeit ein interdisziplinärer Ansatz zugrunde liegt, versteht sich gleichsam von selbst, wenn auch der althistorische Anteil immer wieder ins Zentrum gerückt wird. Die Fragestellungen im einzelnen werden im Verlaufe der Arbeit zur Sprache kommen; hier sei lediglich ein Überblick vorangestellt. Die Interdisziplinarität äußert sich darin, dass neben der Althistorie vor allem die Ornithologie als Teilbereich der Zoologie, die Zooarchäologie, die Altphilologie und die Wissenschaftsgeschichte herangezogen werden. Nur so lassen sich die wesentlichen Fragen sinnvoll beantworten. Das grundlegende Ziel dabei ist es, das Zusammenleben zwischen Menschen und Vögeln in jenem Zeitraum zu untersuchen. Immer wieder wird darauf zu achten sein, die Vögel (wie auch die Natur im allgemeinen) aus der Wahrnehmung der antiken Menschen zu verstehen. Hieraus ergibt sich eine zweite Fragestellung, nämlich inwiefern sich die wahrgenommene Umwelt in konkretes Wissen wandelte und welche Bemühungen danach trachteten, dieses Wissen zu sammeln, zu überprüfen, zu systematisieren und zu tradieren; im engeren Sinne werden also die Ursprünge zu Ansätzen einer „Wissenschaft der Ornithologie“ beleuchtet. Unmittelbar daran schließt sich die Frage, welche Wissensbestandteile selbst erworben waren, welche vielleicht aus anderen Kulturen bzw. Regionen „importiert“ worden waren, oder welche reine Spekulation waren und blieben (unter die beiden letzteren Aspekte fallen auch Berichte über exotische Vögel, welche eben nicht zur unmittelbaren Lebenswelt der Griechen10 gehörten, die aber das Verständnis von Wissen und Wahrnehmung erst vervollständigen). Um hierfür verlässliche Aussagen treffen zu können, ist ein möglichst exaktes Bild der tatsächlichen antiken Avifauna im griechischen Kulturraum unerlässlich, wofür wiederum die in den Schriften benutzten Vogelbezeichnungen einer genauen Analyse und Identifizierung bedürfen. Bei der Untersuchung der einzelnen Vogelbezeichnungen, Vogelformen und -arten war es immer wieder eine Herausforderung, nicht zu sehr in zoologische und ornithologische Details abzugleiten. Mannigfaltige Erkenntnisse aus jenem Bereich müssen in dieser 10

Auch der Begriff „Griechen“ ist mit einer Unschärfe versehen; gemeint sind natürlich die Bewohner der genannten Kulturräume, die in der Tradition dieser ganz bestimmten „hellenischen“ bzw. „hellenistischen“ Kultur mit all ihren Ausprägungen stehen.

6

Arbeit außen vor bleiben,11 um dem Ziel der umfassenden, alle Aspekte des synchronen Existierens von Mensch und Vogel im Zeitalter der Antike beleuchtenden Darstellung gerecht zu werden. So werden entsprechende Fakten vor allem dann herangezogen, wenn bisher gültige Erkenntnisse dadurch korrigiert werden; andererseits werden manche Arten nur kurz erwähnt, dann nämlich, wenn das in der bisherigen Forschung Ausgesagte noch immer Bestand hat. Vom althistorischen Standpunkt aus betrachtet, wird die vorliegende Arbeit also ebenso einen Beitrag zur Wirtschafts- und Gesellschaftsgeschichte leisten können, wie auch zur historischen Geographie und zur Wissenschaftsgeschichte (vgl. Rostovtzeff 1955: 933, 955–956; Olshausen 2006). Dass eine thematische Verknüpfung von „Vogelwelt“ und „griechischer Geschichte“ nichts grundsätzlich Neues ist, zeigt ein Blick in die Bibliographie. Pionierleistungen stellen in diesem Zusammenhang zuvorderst die Werke von Carl J. Sundevall, D’Arcy Wentworth Thompson und John Pollard dar. Sundevalls „Die Thierarten des Aristoteles. Von den Klassen der Säugethiere, Vögel, Reptilien und Insekten“ beinhaltet die erste umfassende und kritische Untersuchung der Vögel, wie sie bei Aristoteles genannt werden (Sundevall 1863: 21–22, 91–173). Der schwedische Naturforscher unternimmt den Versuch, die griechischen Bezeichnungen mit den tatsächlichen Arten zu identifizieren, wozu er relevante Passagen aus Aristoteles’ Werk in freier Übersetzung wiedergibt und kommentiert. Sein Ziel ist vornehmlich zoologisch motiviert: „Wenn wir im Nachfolgenden eine allgemeine Uebersicht der Arbeit Aristoteles über die Thiere darzustellen gedenken, so geschieht dies, um den Leser in den Stand zu setzen, die Angaben des erstern richtig zu verstehen und richtig zu beurtheilen. […] Um diese allgemeine Uebersicht zu erzielen, werden wir hier, ehe die speciellen Angaben über die Thierarten folgen, erstens den allgemeinen Entwurf und den Hauptinhalt des Werkes mittheilen; dann, im Allgemeinen, Verschiedenes über die Artenkenntniss des Verfassers, und schliesslich seine Versuche, die Thiere zu systematisiren.“12 11 12

Künftige Arbeiten sollen sich allerdings mit einigen dieser Aspekte beschäftigen. Sundevall (1863): 10, 12.

7

Auch wenn Sundevall die gesamte Zoologie des Stagiriten im Blick hat, so schuf er doch damit automatisch ebenso ein erstes Grundlagenwerk über die antike Kenntnis der Vögel. Sundevalls „Thierarten des Aristoteles“ war eines der Referenzwerke für Thompson, der Ende des 19. Jahrhunderts sein Werk „A Glossary of Greek Birds“ vorlegte (Thompson 1895). Des Briten vorrangiges Ziel war die Sammlung und Identifizierung der altgriechischen Vogelnamen nicht primär auf zoologischer, sondern vielmehr auf Basis des historisch-gesellschaftlichen Kontexts, wobei er zum einen den Blick weit über Aristoteles hinaus lenkte, zum anderen auch ganz besonders antike Sagen, Mythen und Fabeln in die Interpretation mit einbezog.13 Für eine zweite Auflage (Thompson 1936) war es ihm nötig erschienen, eine weitreichende Überarbeitung vorzunehmen und dabei neuere, vor allem ornithologische und sprachliche Erkenntnisse einfließen zu lassen.14 Aufgrund seines lexikalischen Charakters bleibt Thompsons Werk grundlegend für das Thema. Gleichsam als dritten Schritt vereinigt Pollard ornithologische, historische und mythologische Erkenntnisse in seinem Werk „Birds in Greek Life and Myth“. Bereits die Wahl seines Titels deutet an, dass er bemüht ist, die Fakten nach Fachgebieten getrennt zu bearbeiten. So finden sich neben einem ornithologischen auch ein historisch und ein mythologisch orientierter Teil (Pollard 1977); insgesamt bietet sich dem Lesenden eine umfassende Darstellung des Themas.15 Was kann vor diesem Hintergrund die vorliegende Arbeit Neues leisten? Nun, zum einen sind seit Pollards Darstellung gut drei Jahrzehnte ins Land gezogen, welche eine Fülle neuer Erkenntnisse in jeder der relevanten Disziplinen mit sich gebracht haben. Somit wäre alleine schon eine zeitgemäße Überarbeitung des Stoffes eine Rechtfertigung an sich (ganz ähnlich wie bei Thompson, der sich zu seiner Zweitauflage genötigt sah). Zum anderen wird keines dieser drei „Hauptwerke“ dem Anspruch gerecht, das Thema aus althistorischer Sicht zu bearbeiten: Sundevall bleibt zoologisch, Thompson zu philologisch-mythologisch und Pollard in seinem historischen Teil leider sehr oberflächlich. Es ist ein Anliegen der hier vorliegenden Arbeit, jene Lücken zu Füllen und eine 13

Thompson (1895): xi–xvi. Thompson (1936): v–vii. 15 Für die römische Antike liegt ein vergleichsweise aktuelles Werk von Ragnar Kinzelbach vor, welches einen zoologisch-biologischen Schwerpunkt aufweist (Kinzelbach 1997). 14

8

Gesamtsicht zu schaffen, in der die verschiedenen Blickwinkel der einzelnen Disziplinen ihre Berücksichtigung finden. Darüber hinaus sind manche der Interpretationen und Schlussfolgerungen Sundevalls, Thompsons und Pollards zu korrigieren; dies ganz besonders auch unter Einbeziehung der relevanten Literatur. Die Bibliographie vermittelt einen Eindruck von der Dynamik, die auch einen Themenkomplex wie „Tiere in historischen Zusammenhängen“ erfasst hat; hierunter fallen auch die „Vögel in der griechischen Antike“.

9

2

Die Quellen Hinsichtlich der Begegnung von Mensch und Vogel in der griechischen Antike spiegeln

sich die unterschiedlichen Wahrnehmungsgrade in den Quellen wider. So konnte ein Vogel etwa als Nahrung oder als Opfertier betrachtet werden, manche Vögel dienten eher Unterhaltungszwecken. Man konnte in den Vögeln einfach fliegende Tiere sehen oder aber Boten der Götter. Es gibt Vogelbilder auf Vasen, die eine Artidentifizierung zulassen; andere Künstler wollten wohl einfach irgendeinen Vogel darstellen, das Schema schien wichtiger als die Art zu sein. Auch in den schriftlichen Quellen begegnen uns mannigfaltige Betrachtungsweisen, von genauen Beschreibungen und Unterscheidungen einzelner Vogelarten bis hin zu Vögeln als Anzeiger der Jahreszeiten. Im Folgenden soll der Blick auf die Aussagekraft und Problematik der einzelnen Quellen gerichtet werden.

2.1 Schriftliche Quellen 2.1.1 Früheste schriftliche Quellen Weder in den homerischen Epen, noch bei Hesiod nehmen die Vögel eine zentrale Rolle ein, doch belegen bereits diese frühesten schriftlichen Quellen (8./7. Jh. v. Chr.), dass eine gewisse Vielfalt der Avifauna erkannt und Formen voneinander unterschieden wurden. Wenn neben Grundbezeichnungen wie „Adler“ oder „Taube“ auch einzelne Arten benannt werden, so etwa Kuckuck und Eisvogel, dann bedeutet dies nicht, dass es den Dichtern der homerischen Zeit tatsächlich darauf angekommen wäre, in ersterem Falle jeweils auf eine „Vogelgruppe“ hinweisen zu wollen, in letzterem eine „echte“ Art zu erwähnen; dieser Unterschied war ihnen nicht bewusst. Dennoch stellen diese Werke in zweierlei Hinsicht wichtige Marksteine dar: Erstens weisen sie auf eine lange Entwicklung hin, in deren Verlauf sich der Mensch an Naturphänomene gewöhnt hat, gewisse Verhaltensweisen von Tieren wahrgenommen und wesentliche Unterschiede zwischen ihnen erkannt hat. Muster haben sich herauskristallisiert und mit ganz bestimmten Tierformen in Verbindung bringen lassen. Einen herausragenden Beweis hierfür stellen die ziehenden Kraniche, Gänse und Schwäne dar. Ihr regelmäßiges Auftauchen (vor allem beim herbstlichen Zug in die Winterquartiere) und Verschwinden

10

hebt sie deutlich von den ganzjährig zu sehenden Arten ab. Die Ilias lässt erkennen, welchen Eindruck dieses Spektakel auf die Menschen gemacht hat (Hom. Il. II, 459–463). Der Ruf des Kuckucks ist ein weiterer Beleg für die These einer langfristigen Entwicklung: Bei Hesiod ist dieser ein Synonym für den Beginn des Frühlings (Hes. erg. 485–486); diese Gleichsetzung kann nur über Generationen hinweg entstanden sein, indem immer wieder zur gleichen Jahreszeit der charakteristische Ruf wahrgenommen wurde. Zweitens läst sich erkennen, dass im 8./7. vorchristlichen Jahrhundert die Kenntnis all jener in den homerischen und hesiodischen Werken genannten Vögel unter den Griechen weit verbreitet gewesen sein muss, denn in keinem Falle findet sich eine nähere Beschreibung zum Aussehen eines Vogels, sondern lediglich die Beistellung einzelner Attribute, welche aber dem Leser bzw. Zuhörer die Aufgabe belassen (und somit auf dessen Fähigkeit vertrauen), in Gedanken sein eigenes Wissen mit einzubringen, um die jeweilige Situation ganz zu erfassen und das Bild zu vervollständigen. Drei Beispiele mögen dies zeigen: ἴρηκι ἐοικὼς ὠκέι, ὅς τ’ ἐφόβησε κολοιούς τε ψῆράς τε· (Hom. Il. XVI, 582–583) σεύατ’ ἔπειτ’ ἐπὶ κῦμα λάρῳ ὄρνιθι ἐοικώς, ὅς τε κατὰ δεινοὺς κόλπους ἁλὸς ἀτρυγέτοιο ἰχθῦς ἀγρώσσων πυκινὰ πτερὰ δεύεται ἅλμῃ· (Hom. Od. V, 51–53) ὣς ἔφατ’ ὠκυπέτης ἴρηξ, τανυσίπτερος ὄρνις. (Hes. erg. 211) Man darf also davon ausgehen, dass ein Grieche zu Hesiods Zeiten zwischen Schwan und Gans ebenso unterscheiden konnte wie zwischen Schwalbe und Taube, dass er vom aasfressenden Geier wusste, den Zug der Kraniche kannte, dass ihm der Ruf des Kuckucks vertraut war und er die Möwen als zum Meer gehörige Vögel betrachtete. Es spiegelt dies

11

nichts anderes wider, als die tägliche Auseinandersetzung mit der Natur, das Miteinander und Nebeneinander von Mensch und Vogel im Lauf der Jahreszeiten und im Werden und Vergehen von Generationen. Die Dauerhaftigkeit dieser Auseinandersetzung birgt in sich gewiss erste Ansätze zu einer bewussten Differenzierung zwischen unterschiedlichen Vogelformen, sei es anhand von Größe, Färbung oder Verhaltensmustern. Doch in jenen ersten Texten bereits ein „Tiersystem“ erkennen zu wollen oder gar „die Begründung der zoologischen Systematik“ (Körner 1917: bes. 29–30), ist verfehlt; weder Homer (oder irgend ein einzelner der hinter diesem Namen versammelten Dichter) noch Hesiod legten Wert auf die Vögel als diagnostizierbare Arten, sondern ihnen waren jeweils einzelne Charakteristika von Bedeutung, um die jeweilige Textstelle literarisch auszuschmücken oder einen vergleichenden Zusammenhang (etwa zwischen Kampfgetümmel und Vogelschwärmen; vgl. Hom. Il. XVII, 755–758) herzustellen. Diese ältesten schriftlichen Zeugnisse schaffen also auch für die nähere Betrachtung der Vögel eine Basis; auf dieser Basis baut sich die weitergehende Untersuchung auf, von hier aus lässt sich ein Rückblick auf die „vorliterarischen“ Verhältnisse werfen, und sie dient als Bezugspunkt für alle späteren schriftlichen Quellen. Nur im Vergleich nämlich lassen sich Entwicklungen erkennen, nur so lässt sich sagen, wie sich das Wissen über die Vögel verändert hat. Dass die homerischen und hesiodischen Texte ihrerseits selbst nur ein Spiegel ihrer Zeit, nicht ein echter Anfang der Beschäftigung mit Vögeln sind, ist kein Nachteil für vorliegende Untersuchung. 2.1.2 Aristoteles Den größten Nutzen bringen naturgemäß Texte, die explizit auf das Thema „Vögel“ ausgerichtet sind oder doch mindestens „Tiere und Natur“ behandeln. An vorderster Stelle ist hier unzweifelhaft Aristoteles (384–322 v. Chr.) zu nennen. Er war zwar nicht der erste, der Vögel und andere Tiere „erforscht“ hat, doch war er zu seiner Zeit wohl einer der eifrigsten Naturbeobachter und ein Verfechter der – aus heutiger Sicht nahezu wissenschaftlich anmutenden – Methode, neben der Beobachtung am lebenden Objekt der Untersuchung am toten Objekt gleichrangige Bedeutung zuzumessen (vgl. Lloyd 1970: 116). Zu seiner herausragenden Stellung hat auch der Umstand beigetragen, dass seine die Natur erklärenden Schriften zum großen Teil erhalten sind. Umfassende Informationen über Vö-

12

gel bieten hiervon die Werke ΤΩΝ ΠΕΡΙ ΤΑ ΖΩΙΑ ΙΣΤΟΡΙΩΝ (Historia animalium, in zehn Büchern), ΠΕΡΙ ΖΩΙΩΝ ΜΟΡΙΩΝ (De partibus animalium, in vier Büchern), ΠΕΡΙ ΠΟΡΕΙΑΣ ΖΩΙΩΝ (De incessu animalium, ein Buch) und ΠΕΡΙ ΖΩΙΩΝ ΓΕΝΕΣΕΩΣ (De generatione animalium, in fünf Büchern). Das Anliegen des Aristoteles ist es, die Tiere in ihren Unterschieden zu beschreiben; darunter fällt sowohl die Trennung von Vögeln und etwa Fischen oder Säugetieren, wie auch innerhalb der Gruppe der Vögel die Unterscheidung verschiedener Formen (also Arten oder Gattungen im modernen wissenschaftlichen Sinne). In gewisser Hinsicht darf er als der Erste angesehen werden, der mit wissenschaftlicher Methode eine umfassendere Darstellung der Tierwelt vorlegt. Es wäre jedoch unpassend, die moderne zoologische Klassifikation mit all ihren voneinander scharf abgegrenzten Begriffen wie Art, Gattung, Familie etc. auf die antiken Texte anzuwenden.16 Vorliegende Arbeit kann an mehreren Beispielen aufzeigen, dass gewisse Ähnlichkeiten im Verhalten und / oder Aussehen bestimmter Vogelarten zum Anlass genommen wurden, diese zu einer Gruppe zusammenzuschließen, was vom grundsätzlichen Gedanken her der Absicht auch moderner Klassifizierung17 nahe kommen mag, aber – vor allem auch bei Aristoteles – nicht dazu dient, eine Systematik zu erstellen, sondern die Vielfalt der Vogelformen mit ihren Besonderheiten dem Leser vorzustellen, ihre Art der Fortbewegung und Nahrungsaufnahme, ihre Anatomie und Fortpflanzungsweise, auffällige Verhaltensweisen und Gefiederfarben. Die zugrunde liegende Fragestellung lautet somit nicht: „Woran unterscheidet man eine Art von der anderen?“, sondern vielmehr: „Welche sind die Eigenschaften und Merkmale, die ein Tier zum Vogel machen bzw. die einen Vogel zu einem ganz besonderen, von anderen Vögeln unterscheidbaren Wesen machen?“ 18 Mehrere Textstellen untermauern die eben dargestellte Absicht und Vorgehensweise des Aristoteles, wie folgende Passage aus De partibus animalium exemplarisch darlegen möge, die sowohl auf die allgemeinen Gemeinsamkeiten und Unterschiede der diversen Vögel

16

Selbst heute noch gibt es Uneinigkeit darüber, wodurch „Art“ oder andere Taxa definiert werden sollen bzw. müssen (sog. „Artproblem“; vgl. Mayr 2003: 204–215; Helbig 2005). Daher werden in vorliegender Arbeit häufig die Begriff „Form“ oder „Formengruppe“ benutzt; sie beziehen sich auf in der Antike unterschiedene Vogelarten bzw. Vogelgruppen, die durchaus in zahlreichen Fällen, nicht aber durchgehend den rezent definierten Arten und Gattungen entsprechen. 17 Betrachtet man die Versuche zur Klassifizierung von Lebewesen im allgemeinen und Vögeln im besonderen, so zeigt sich, dass des Aristoteles Grundschema über viele Jahrhunderte hinweg seine überzeugten Befürworter wie auch energische Widersacher gefunden hat; vgl. Walters (2003): bes. 20–74, 114–163, 176– 235. 18 Zu den Hintergründen und Absichten der aristotelischen zoologischen Schriften vgl. besonders Peck (1965: vi, xi), Balme / Gotthelf (1991: 13–18), Lloyd (1970: 105–107).

13

eingeht, wie auch auf die besonderen Merkmale, die einen Vogel von einem „Nicht-Vogel“ unterscheiden: Ἐν δὲ τοῖς ὄρνισιν ἡ πρὸς ἄλληλα διαφορὰ ἐν τῇ τῶν μορίων ἐστὶν ὑπεροχῇ καὶ ἐλλείψει καὶ κατὰ τὸ μᾶλλον καὶ ἧττον. εἰσὶ γὰρ αὐτῶν οἱ μὲν μακροσκελεῖς οἱ δὲ βραχυσκελεῖς, καὶ τὴν γλῶτταν οἱ μὲν πλατεῖαν ἔχουσιν οἱ δὲ στενήν· ὁμοίως δὲ καὶ ἐπὶ τῶν ἄλλων μορίων. ἰδίᾳ δὲ μόρια ὀλίγα διαφέροντα ἔχουσιν ἀλλήλων· πρὸς δὲ τὰ ἄλλα ζῷα καὶ τῇ μορφῇ τῶν μορίων διαφέρουσιν. πτερωτοὶ μὲν οὖν ἅπαντές εἰσιν, καὶ τοῦτ’ ἴδιον ἔχουσι τῶν ἄλλων. τὰ γὰρ μόρια τῶν ζῴων τὰ μὲν τριχωτά ἐστι τὰ δὲ φολιδωτὰ τὰ δὲ λεπιδωτά, οἱ δ’ ὄρνιθες πτερωτοί. (Aristot. part. an. 4, 692b 3–12) Beispielhaft für die Differenzierung innerhalb der Vögel sei ein weiterer Abschnitt aus De partibus animalium zitiert: Τετραδάκτυλοι δ’ εἰσὶ πάντες οἱ ὄρνιθες ὁμοίως οἱ στεγανόποδες τοῖς σχιζόποσιν […]. τούτων δ’ οἱ μὲν τρεῖς ἔμπροσθεν, ὁ δ’ εἷς ὄπισθεν πρὸς ἀσφάλειαν ἀντὶ πτέρνης· […] ἐπὶ μὲν οὖν τῶν ἄλλων οὕτως ἡ τῶν δακτύλων ἔχει θέσις, ἡ δ’ ἴυγξ δύο μόνον ἔχει τοὺς ἔμπροσθεν καὶ δύο ὄπισθεν· αἴτιον δ’ ὅτι ἧττόν ἐστιν αὐτῆς τὸ σῶμα προπετές ἐπὶ τὸ πρόσθεν ἢ τὸ τῶν ἄλλων. (Aristot. part. an. 4, 695a 15–26) Die vom Normalfall abweichende Zehenstellung des hier angesprochenen ἴυγξ, des Wendehalses, ist also ein entscheidendes Charakteristikum, welches diesen Vogel als eigenständige Form kennzeichnet. Es ist dies natürlich kein Alleinstellungsmerkmal; vielerlei Details sind es, welche eine Art bzw. Form von einer anderen unterscheiden, doch

14

geht es an dieser Stelle des antiken Textes dem Autor ja nicht um Artbeschreibungen, sondern um allgemeine Beschreibungen und Abgrenzung der einzelnen Tiergruppen, wobei er zur Verdeutlichung solche Beispiele aufgreift. Der Versuch, in Aristoteles’ Schriften (und ebenso in den Schriften der weiteren antiken Autoren, die sich mit Tieren im engeren Sinne beschäftigten) eine Systematik zu erkennen oder diese gar in Einklang mit modernen Klassifizierungssystemen bringen zu wollen, muss zwangsläufig scheitern, da eine solche Absicht keiner der antiken schriftlichen Quellen zugrunde liegt. Auch wenn gerade Aristoteles als derjenige gerühmt wird, „der die Vogelkunde zum Rang einer Wissenschaft erhoben hat“ (Stresemann 1951: 1), so kann mit J. J. Hall (1991a: 111–112) doch festgestellt werden: „On the one hand, it is agreed that Aristotle has had an important influence on the modern system of classification: in particular, the concepts of genus and species – even if transformed in the course of the centuries – are ultimately derived from him. On the other hand, it is hard to find in Aristotle any classification which at all resembles that produced by modern zoologists: there is in his surviving works no classified enumeration of animal species, or a group of animal species, of the kind which zoologists have been producing regularly since the sixteenth century; and recent scholars have denied that Aristotle ever attempted – or even aimed – to devise a definitive zoological classification (as opposed to ad hoc classifications adopted for particular purposes).“ Analog zu der eben erläuterten Intention des Aristoteles sind die Passagen in der Historia animalium, welche sich mit den Vögeln beschäftigen, über das gesamte Werk verteilt. So finden sich neben äußerst kurz gefassten Erwähnungen, die in vielen Fällen lediglich als Beispiele in einer Aufzählung dienen, auch sehr lange Abschnitte, die sich ausschließlich auf die Vögel beziehen. Will man die Vögel, die in Aristoteles Werken erwähnt werden, vollständig erfassen, so genügt es nicht, sich auf diese längeren Passagen zu beschränken (es wird ja keine vollständige Darstellung aller Vogelformen angestrebt), sondern man muss besonders auch die kurzen Textstellen, oftmals nur Nebensätze oder Appositionen, in Augenschein nehmen; oft bergen diese interessante Details, die zur Identifizierung eines Vogelnamens wertvoll sein können, etwa Informationen zum Lebensraum, wie in hist. an. 1, 488b 2–3: καὶ τὰ μὲν ἄγροικα, ὥσπερ φάττα, τὰ δ’ ὄρεια, ὥσπερ ἔποψ, τὰ δὲ συνανθρωπίζει, οἷον περιστερά. Ein Problem, welches mit dieser Situation einhergeht, ist die Selbstverständlichkeit, mit der Aristoteles einige der

15

Vogelnamen erwähnt, ohne eine genauere Beschreibung des Vogels zu geben. Das lässt zwar einerseits den Schluss zu, dass wir es hier mit einem in der griechischen Antike weithin bekannten Tier zu tun haben, wenn aber der entsprechende Name nicht auch an anderen Textstellen oder bei anderen Autoren mit zusätzlichen Informationen überliefert ist, so müssen andererseits heute oftmals Zweifel bei der Bestimmung bleiben. Mit αἰγοκέφαλος liegt ein solcher Fall vor: Der Vogel wird zweimal erwähnt, sogar unter Angaben von anatomischen Details; diese lassen jedoch keine Rückschlüsse auf die Vogelgruppe oder gar die Art zu, welche sich hinter jenem Namen verbirgt. Zum einen erwähnt der Autor nämlich, αἰγοκέφαλος besäße keine Milz (hist. an. 2, 506a 14–17), die zweite Stelle weist darauf hin, dass die Speiseröhre dieses Vogels im unteren Teil erweitert sei (hist. an. 2, 509a 1–3). Beide Angaben sind ganz offensichtlich für eine Bestimmung ungeeignet19, bestätigen aber, dass der Vogel grundsätzlich weithin bekannt gewesen sein musste, nur dann nämlich sind solche Angaben der inneren anatomischen Details von Interesse für die Leser des Werkes. Für die Moderne bleibt lediglich die Möglichkeit der Spekulation (so etwa Sundevall 1863: 162; Thompson 1936: 25). Dennoch bleibt Aristoteles unbestritten eine der wichtigsten Quellen. Seine Werke können als die Basis betrachtet werden, auf welcher sich alle spätere naturbeobachtende und -beschreibende Literatur aufbaut. Der besondere Wert liegt darin, dass seine Schriften uns den ersten, relativ umfassenden Einblick in die Natur und besonders auch in die Avifauna des griechischen Kulturkreises geben, und zwar nicht „nebensächlich“, wie dies bei den älteren Schriftstellern der Fall ist, deren Hauptaugenmerk auf dem Erzählstoff als solchem lag (Homer und Hesiod) bzw. deren Werke auf eine ganz andere Thematik ausgerichtet waren (etwa Herodot), sondern „hauptsächlich“. Die umfangreicheren Passagen über Vögel in der Historia animalium sollen im Folgenden kurz dargestellt werden: Buch 2, 503b 29 – 504b 12 befasst sich vor allem mit allgemeinen Merkmalen der Vögel; Vögel, welche den antiken Menschen im allgemeinen geläufig sein mussten, werden hier wie an zahlreichen anderen Stellen als Vergleichsgrößen benutzt, um andere Arten bzw. Formen zu beschreiben oder um Abweichungen von dieser „Norm“ zu erläutern (z. B. σπίζα in 2, 19

Zur Vogelanatomie im allgemeinen vgl. Bezzel / Prinzinger (1990). Die Ausformung des Oesophagus (Speiseröhre) kann zwar je nach bevorzugter Nahrung einer Vogelgruppe oder Art einen charakteristischen Bau aufweisen, doch betreffen solche Merkmale immer auch größere Gruppen; so sind die Oesophagi reiner Insektenfresser „in der Regel ziemlich eng“ (Bezzel / Prinzinger 1990: 176). In dieser Gruppe finden sich so unterschiedliche Formen wie Fliegenschnäpper, Schwalben, Spechte etc.

16

504a 1320). Die inneren Organe der Vögel werden in 2, 508b 26 – 509a 26 näher beleuchtet, ein Wechsel der Gefiederfärbung in 2, 518b 36 – 519a 9 und 8 (9), 633a 14– 2821, Gefiederpflege in 8 (9), 633a 29 – 633b 9. Wie zu erwarten, wird auch der Gesang der Vögel thematisiert, ist er es doch, der die Menschen häufig auf diese Tiergruppe aufmerksam macht; einen ersten Eindruck davon vermittelt besonders 4, 536a 20 – 536b 23. Ausführlichere Angaben zur Brutzeit, zu Gelegegrößen und Jungenaufzucht finden sich in 5, 542b 2–27 und 544a 25 – 544b 11 und umfassen große Teile von Buch 6 (nämlich 558b 10 – 564b 12). Nahrung der Vögel und bevorzugte Biotope einzelner Formen und Formengruppen sind Thema der Textstelle 7 (8), 592a 29 – 594a 3. Ähnlich imposant wie der Gesang mancher Vogelarten ist das Erscheinen der Zugvögel, besonders wenn sich an einem Punkt unterschiedliche Zugwege vereinen (bzw. trennen) oder sich der Zug aufgrund geographischer Besonderheiten (wie etwa Gebirgen, Wüsten, Meeren) an einer bestimmten Stelle konzentriert; so nimmt es nicht Wunder, dass auch Aristoteles über dieses Phänomen berichtet (7 (8) 596b 20 – 597b 30; 600a 11–27). Auch wenn der Begriff „Unterarten“ im modernen Sinne nicht im Entferntesten mit seinem Verständnis der Natur oder mit seinen Aussagen in Verbindung gebracht werden kann, so weist Aristoteles doch auf Größenunterschiede hin, die bei Tieren der gleichen Art in unterschiedlichen Regionen festzustellen sind22 (die Vögel betreffend besonders 7 (8), 606a 21 – 606b 3). Selbst interspezifische Aggressivität wird von dem antiken Philosophen thematisiert, leider nur in Form von Aufzählungen, die dennoch von Wert sind, da hier eine ganze Reihe an Vogelbezeichnungen genannt werden und sich gelegentlich indirekt Größenrelationen erfassen lassen (8 (9) 609a 4 – 610a 14). Der größte zusammenhängende Textteil, der sich ausschließlich auf Vögel bezieht, findet sich in Buch 8 (9) 612b 18 – 620b 9. Dieser Abschnitt kommt am ehesten einer systematisch-enzyklopädischen Übersicht über die Vogelwelt nahe (jedoch mit allen genannten Einschränkungen hinsichtlich Intention und methodischem Vorgehen des Aristoteles).

20

Vgl. Kapitel 3.6 und Anm. 106. Inwieweit hierin Kenntnisse oder Vermutungen der Mauser zu sehen sind, bedarf einer gesonderten Untersuchung, für welche in vorliegender Arbeit kein Raum ist. 22 Eine höchst interessante Beobachtung, die auf die sogenannte klinale Variation hinweist (vgl. Bezzel / Prinzinger 1990: 374–375); auch in diesem Falle würde eine detailliertere Untersuchung über den Rahmen dieser Arbeit hinausreichen. 21

17

Die auf Vögel bezogenen Passagen in den weiteren genannten aristotelischen Werken De partibus animalium, De incessu animalium23 und De generatione animalium reichen im Umfang nicht an die relevanten Abschnitte in der Historia animalium heran, doch bergen auch sie eine Fülle an interessanten, teils sehr detailreichen Informationen zur Avifauna. So zeugt das Wissen um die Existenz dreier Augenlider am Vogelauge von äußerst exakten Beobachtungen (part. an. 2, 657a 25 – 657b 2).24 Die Stimme der Vögel ist erneut Thema in part. an. 2, 660a 27 – 660b 2. Dem Titel entsprechend beziehen sich in der Schrift De partibus animalium mehrere Passagen auf die anatomischen und morphologischen Besonderheiten von Vögeln (besonders 3, 662a 34 – 662b 16; 3, 674b 18–35; 4, 692b 3 – 695b 1). In dem Werk De generatione animalium werden Vögel vielfach erwähnt, meist natürlich in Zusammenhang mit der Fortpflanzung; hervorzuheben sind eine weitere Auseinandersetzung mit dem Wechsel der Gefiederfärbung (5, 785a 22–25 und 785b 16 – 786b 6) sowie ein erneuter Beleg für die exakte Naturbeobachtung durch die Feststellung der Hybridisierung zwischen nahe verwandten Arten (2, 746b 1–5). Anatomie, Fortpflanzung, Nahrung, Biotope, Verhalten, Gesang, Mauser, Vogelzug, geographische und saisonale Veränderungen im Aussehen: Aristoteles hat alle relevanten Teilbereiche der Ornithologie in seine Betrachtungen mit einbezogen, die unter den gegebenen Voraussetzungen bearbeitet werden konnten. So darf er sicherlich als der Ursprung der ornithologischen Wissenschaft angesehen werden – jedoch nur insofern, als seine Faktensammlung das Glück hatte, die Jahrtausende zu überdauern; Aristoteles war keinesfalls der „Erfinder“ oder „Schöpfer“ dieser Wissenschaft (wobei Ornithologie hier natürlich nur als Teilaspekt der allgemeinen Naturbetrachtung bzw. der Biologie zu verstehen ist). Es drängt sich die Frage auf, woher all das Wissen über die Tiere stammt, das Aristoteles in seinen Werken wiedergibt. Zum einen konnte er natürlich Informationen aus den homerischen Epen und anderen älteren Texten schöpfen, die nicht primär der Naturoder Tierbeschreibung gewidmet sind, in denen aber zum Beispiel die Besonderheiten 23

Über die tatsächliche aristotelische Urheberschaft des Werkes De incessu animalium vgl. Forster (1961): 436–437 und Gigon (2001a): Sp. 316. Da sich die umfassendsten Berichte über die Vögel vor allem in der Historia animalium finden, spielt der wissenschaftliche Disput um die Urheberschaft hier nur eine zu vernachlässigende Rolle. Die Leistung des Aristoteles wird dadurch nicht geschmälert. 24 Vgl. Bezzel / Prinzinger (1990): 152.

18

einer fremden Region geschildert werden, zu welchen dann auch exotische bzw. fremdartige Vögel gezählt haben. So mag er, der wohl selbst nie in Ägypten war, etwa den Bericht über den τροχίλος, einen Watvogel aus dem Niltal, von Herodot übernommen haben; schließlich weisen beide Textstellen gewisse Parallelen auf: sie nehmen weniger Bezug auf das Aussehen des Vogels, als vielmehr auf seine waghalsig anmutende Angewohnheit, Krokodile von Parasiten im Inneren ihres Mauls zu befreien (Hdt. II, 68; Aristot. hist. an. 8 (9), 612a 21–24; vgl. Walters 2003: 14). Zum anderen dürften Berichte von „Fachleuten“ Wesentliches beigesteuert haben; zu denken ist für den Bereich der Vögel vor allem an Vogelfänger (von denen später noch ausführlicher die Rede sein wird), an Bauern, die selbst Geflügel hielten bzw. züchteten, an Fischer, die sicherlich einiges über die Fressgewohnheiten oder Verhaltensweisen der Seevögel wussten, und an (Fern-) Händler und Kaufleute, die auf dem Handelswege sowohl lebende wie tote Exemplare verschiedener Vogelarten zu Gesicht bekamen (vgl. Stresemann 1951: 2; Balme / Gotthelf 1991: 24). Das größte Gewicht ist meines Erachtens aber auf die eigene, subjektive Erfahrung des antiken Menschen Aristoteles zu legen, sowie auf sein Bestreben, diese Erfahrung auszuweiten und zu untermauern: Als Heranwachsender konnte er die Natur im makedonisch-thrakischen Gebiet kennenlernen, auf seinem weiteren Lebensweg hatte er durch seine Aufenthalte in Athen, dann bei Hermeias von Atarneus und weiter auf Lesbos Gelegenheit, sich mit Fauna und Flora des zentralen Griechenland und der nördlichen Ägäis vertraut zu machen. Auf Lesbos soll auch der größte Teil seiner Historia animalium entstanden sein (Balme / Gotthelf 1991: 25). Die Häufigkeit der exakten Beschreibung innerer Organe lässt auf eine rege Seziertätigkeit schließen (vgl. Lloyd 1970: 116). Es ist zu Recht vermutet worden, dass hinter dieser enormen Zahl an Einzelfakten, die sich über das gesamte Tierreich erstrecken (und noch weit darüber hinaus, bezieht man die anderen Werke des Aristoteles in diese Betrachtung mit ein), unmöglich ein einziger Mensch gestanden haben kann. Sicherlich konnte der Mann aus Stageiros sein Œuvre nur erschaffen, weil ihm eine gewisse Zahl an Helfern zur Seite stand, die ihm lebendiges oder totes „Material“, schriftliche oder mündliche Berichte zutrugen (vgl. Röd 2000: 150; Gigon 2001a: Sp. 316; Peck 1961: 7; Arnott 2005).

19

So stehen also fundiertes, durch eigene „Forschung“ erworbenes Wissen und von anderen übernommene, nicht überprüfte (oder für ihn nicht überprüfbare) Aussagen nebeneinander. Im allgemeinen würde man jemandem, der aus eigenem Antrieb heraus eine ähnlich intensive Erforschung der Tierwelt unternimmt, eine hohe Glaubwürdigkeit attestieren; diese kann man grundsätzlich auch dem Aristoteles zugestehen, doch ist jeweils ein genauer Blick auf die Quelle erforderlich; so sind Beobachtungen, die er selbst gemacht haben mag, ohne Zweifel zu bestätigen (etwa die Lautäußerungen der πέρδικες, hist. an. 8 (9), 614a 21–22), während bei Beschreibungen von Vögeln, die er selbst wohl nicht zu Gesicht bekam, sich immer wieder Fehler einschleichen, wie die Verwechslung von Farbverläufen im Gefieder (etwa beim κύανος)25, so dass es einiger Feinarbeit bedarf, um den Vogel richtig zu identifizieren. In den aristotelischen Schriften sind die meisten und wichtigsten Vogelgruppen des griechischen Kulturraums genannt26, es ergibt sich also ein recht deutliches Bild der Avifauna in hellenistischer Zeit. Die Existenz eines derart umfassenden Überblicks über die Vogelwelt (oder genauer: über die Tierwelt im allgemeinen) mag die Ursache dafür gewesen sein, dass es Jahrhunderte dauerte, bis Werke ähnlichen Umfangs und Detailreichtums erstellt wurden. 2.1.3 Alexander von Myndos Nach Aristoteles tut sich eine Lücke von etwa dreieinhalb Jahrhunderten auf, ehe mit Alexander von Myndos (1. Jh. n. Chr.) wieder eine Person greifbar wird, die sich in grö-

25

Vgl. Kapitel 3.6. Es finden sich rund 140 Arten, zusätzlich weitere Bezeichnungen für bereits beschriebene oder nicht mehr zu identifizierende Arten (vgl. Sundevall 1863: 21; Stresemann 1951: 2; Walters 2003: 14). Beschrieben sind Eulen und Käuze, Habichte im weiteren Sinne, Falken, Adler, Geier, Seeadler (also Nacht- und Tagbeutegreifer); Drosseln, Schwalben, Lerchen und andere Singvögel; Kuckucke; Spechte, Kleiber, Baumläufer; Raben, Krähen und andere Rabenvögel; Wiedehopf; Papageien; Segler; Ziegenmelker; Eisvogel; Tauben; Hühnervögel; Trappe und Kranich; Watvögel; Ibisse; Störche; Reiher; Strauß; Schwäne, Gänse und Enten (also Entenvögel im allgemeinen); Kormorane und Taucher; Pelikane; Möwen und Seeschwalben, sowie weitere Seevögel und eine ganze Reihe unbestimmbarer Vogelarten (vgl. Sundevall 1863; Pollard 1977). Im Vergleich zu einer aktuellen Vogelliste Griechenlands und der Türkei fehlt damit keine Vogelgruppe. Das einzige, was aus moderner ornithologischer Betrachtungsweise fehlen mag, sind genauere Beschreibungen oder überhaupt Nennungen jener Arten, die für Griechenland und Kleinasien ganz besonders typisch sind. Doch wer wollte dies ernsthaft einem antiken Philosophen zum Vorwurf machen? 26

20

ßerem Umfange zoologischen Themen widmete. Sein dreibändiges Werk περὶ ζῴων,27 welches wir leider nur aus Fragmenten (v. a. bei Aelian und Athenaeus) kennen, scheint sich zu einem großen Teil mit den Vögeln beschäftigt zu haben. Dass Alexander von Myndos bereits in der Antike als Kenner auf dem Gebiet der Tier- und besonders der Vogelkunde galt, wird dadurch deutlich, dass er bei verschiedenen Autoren als Quelle für bestimmte Sachverhalte angegeben wird; weil dabei nie eine nähere Erklärung zur Person Alexanders folgt, so darf von einer gewissen Bekanntheit desselben in der antiken Welt des ersten Jahrhunderts n. Chr. ausgegangen werden (vgl. etwa Ael. nat. anim. X, 34; Ath. II, 65a; Ath. IX, 387f). Wenn Erwin Stresemann in seinem Werk zur „Entwicklung der Ornithologie“ den Alexander von Myndos als Fabelschriftsteller abtut, „der Wundergeschichten von Tieren zusammenstellt und sich bemüht, jeden Vogel in Beziehung zu einer bestimmten Gottheit zu setzen“, und ihn nicht zu den „Verbreiter[n] sachlicher Kenntnisse“ zählt (Stresemann 1951: 5), so wird er den naturbeobachtenden Fähigkeiten des Mannes aus Myndos nicht gerecht. Er war nicht einfach nur ein Sammler von Berichten, sondern auch einer, der selbst Beobachtungen tätigte. Ganz offensichtlich versuchte er beispielsweise herauszufinden, was es mit dem „Schwanengesang“28 auf sich habe: ὁ δὲ Μύνδιός φησιν Ἀλέξανδρος πολλοῖς [κύκνοις] τελευτῶσιν παρακολουθήσας οὐκ ἀκοῦσαι ᾀδόντων (Ath. IX, 393d). Von der Präzision seiner Beobachtungen zeugen die Beschreibungen des σκώψ (Ath. IX, 391b), des ὄρτυξ (Ath. IX, 392c) und des τέτραξ (Ath. IX, 398c–d); auch wenn letzterer heute nicht mehr genau identifizierbar ist (vgl. Kapitel 3.5.3), so wird die Leistung Alexanders von Myndos dadurch nicht geschmälert.29 Festzuhalten bleibt, dass in den auf uns gekommenen Fragmenten seines Werkes auch Ungenauigkeiten festzustellen sind; solche finden sich aber bei allen antiken Autoren, oftmals hervorgerufen durch mangelnde Beobachtungsmöglichkeiten oder aber Erzählungen aus dritter Hand. Hierin stellt Alexander von Myndos keine Ausnahme dar, sodass man ihn (wie Stresemann dies tut) dafür tadeln müsste. Im Gegenteil: nach allem, was aus den Quellen herauslesbar ist, dürfte es sich bei Alexander um einen der besten Kenner der antiken Vogelwelt gehandelt haben.

27

Der genaue Titel des Werkes ist nicht überliefert. Wellmann (1891: 506) vermutet aber, dass die hier genannte Bezeichnung die ursprüngliche war, und weist zugleich auf Varianten hin. 28 Siehe Kapitel 3.1.1. 29 Die Leistung Alexanders von Myndos betonen u. a. auch Arnott (1977b: 150) und Pollard (1977: 21–22).

21

2.1.4 C. Plinius Secundus (d. Ä.) Eine weitere wichtige Quelle aus dem ersten nachchristlichen Jahrhundert stellt die Naturalis historia des C. Plinius Secundus (23–79 n. Chr.) dar, eine Sammlung naturwissenschaftlicher und anderer Fakten und legendärer Mirabilia aus vielfältigen Bereichen in 37 Büchern; die Vögel im besonderen sind Thema des zehnten Buches. Worin liegt nun der Wert dieser lateinischen Quelle für die Untersuchung der Vögel in der griechischen antiken Welt? Zum einen nennt Plinius die Quellen, aus welchen er Material zusammengetragen hat (Plin. nat. 1). Unter diesen findet sich eine Reihe griechischer Autoren, deren Werke nicht oder nur fragmentarisch erhalten sind; davon waren einige (wenige?) wohl primär ornithologischer Natur, andere waren Themen wie dem Ackerbau gewidmet.30 Plinius zählt auch Homer, Hesiod und Aristophanes zu seinen Quellen; wenn er diese nichtnaturbeobachtenden und nur sekundär naturbeschreibenden Werke mit aufzählt, so darf davon ausgegangen werden, dass auch alle zu jener Zeit zoologisch relevanten Schriftsteller in jener Liste zu finden sind. Ein erster, eher indirekter Wert der Naturalis historia äußert sich somit in der Erkenntnis, dass sich die naturwissenschaftliche Beschäftigung mit den Vögeln und die Zahl der darüber schreibenden Personen in gewissen Grenzen hielt, 31 dass aber die Vögel aufgrund ihrer Bekanntheit und als alltägliche Erscheinungen immer wieder literarisch aufgegriffen wurden, wie etwa die Komödie ΟΡΝΙΘΕΣ des Aristophanes oder die bereits erwähnten Werke des Hesiod zeigen. Weitaus bedeutender ist Plinius jedoch in seiner Rolle als Rezeptor und Übermittler des aristotelischen zoologischen Wissens. Aristoteles stellt dessen Hauptquelle dar, die er laut Helmut Leitner jedoch nur über den Umweg verschiedener „Mittlerquellen“ benützt haben dürfte (1972: vii). Trotz dieser nur mittelbaren Auseinandersetzung mit Aristoteles, und selbst wenn Plinius sich an mancher Stelle „von Aristoteles entfernt“ (Hübner 1969: 275), so bleibt er doch ein wichtiger Bezugspunkt für das vogelkundliche Wissen nicht nur der

30

Zu den Quellen vgl. König (1986: 13) und Möller / Vogel (2007: 73–74). Die Dichterin (oder der Dichter; vgl. Haendel 2001) Boio(s) verfasste beispielsweise ein Lehrgedicht „Ornithogonia“. Von Hesiod heißt es, er habe ein Gedicht über die Bedeutung der Vogelzeichen verfasst; vgl. Flower (2008): 51. 31 Aufgezählt werden 40 „nichtrömische“ Quellen (Plin. nat. 1); es bleibt unklar, wieviele davon sich näher mit Vögeln beschäftigt haben könnten. Unter den Genannten finden sich mehrere Dichter (z. B. Homer, Hesiod, Aristophanes) und Agrarschriftsteller (z. B. Androtion, Aischrion, Lysimachos). Plinius kennt allerdings noch nicht den Alexander von Myndos; offensichtlich wurden die Werke der beiden in derart geringem zeitlichen Abstand verfasst, dass einer von des anderen Abhandlung noch keine Kenntnis hatte (vgl. Wellmann 1891: 540).

22

römischen, sondern eben auch der griechischen antiken Welt,32 nämlich einerseits dadurch, dass er griechische Begriffe mit ihren lateinischen Entsprechungen erwähnt und somit eine Identifizierung ermöglicht oder sichert, und andererseits, weil es durch den Umfang seiner vogelkundlichen Aussagen (auch wenn sie zumeist zusammengesammelt sind) möglich ist, vergleichende Untersuchungen anzustellen.33 2.1.5 Dionysios Perihegetes Eine Lehrschrift über den Vogelfang, das sogenannte Ἰξευτικῶν des Dionysios Perihegetes (2. Jh. n. Chr.), bietet ebenfalls eine reichhaltige Einsicht in das – tatsächliche und vermeintliche – antike Wissen in Hinblick auf die Vogelwelt. Wie die bisher vorgestellten Quellen, so ist auch das Ἰξευτικῶν voll von nachvollziehbaren und überprüfbaren Fakten, aber auch von allerlei Legenden und Mythen. Zu diesen zählt die Geschichte über den „Adlerstein“, einen Stein, der von Adlern in den Horst eingetragen werden soll, um Nachwuchs hervorbringen zu können bzw. um für Schutz zu sorgen (Dion. ixeut. I, 3); dieselbe Erzählung findet sich ebenso bei Plinius (Plin. nat. 10, 12), Aelian (Ael. nat. anim. I, 35) u. a.34 Ihren besonderen Wert erhält diese Quelle allerdings durch die immer wieder auftauchenden, teilweise detailreichen und oft exakten Beschreibungen verschiedener Vogelformen. Dionysios’ Beschreibung des Verhaltens bestimmter Limikolenarten zeigt dies besonders eindrücklich (vgl. Kapitel 3.1.6): Καὶ οἱ τροχίλοι δὲ τῶν ἀμφιβίων ὀρνέων εἰσί, καὶ πρὸς τοῖς αἰγιαλοῖς τρέχουσιν οὕτω πολλάκις, ὡς ὀξύτερον αὐτῶν τῆς πτήσεως εἶναι τὸν δρόμον· ἔχουσι γοῦν καὶ τὴν προσηγορίαν ἐντεῦθεν. τοῖς μεγάλοις δ’ οὐκ ἐπιχειροῦσιν 32

Wie schon an Alexander von Myndos, so lässt Stresemann auch an Plinius kaum ein gutes Haar; er wirft seinem Werk vor, eine „nahezu unbrauchbare Enzyklopädie“ zu sein (1951: 5), lässt hierbei jedoch außer acht, dass gerade auch durch die Naturalis historia vogelkundliches Wissen in spätere Epochen transferiert wurde (vgl. hierzu bes. Hall 1991b: 223–225) und somit eine Basis für die neuzeitliche Ornithologie geschaffen wurde. Vor dem Hintergrund des heutigen Wissens muten viele Aussagen der antiken Quelle geradezu abenteuerlich an, doch stellt Plinius hierin keine Ausnahme dar. Mangels anderer erhaltener, derart ausführlich über Vögel berichtenden Quellen kommt Plinius ganz automatisch eine besondere Stellung zu. 33 Siehe beispielsweise Kapitel 3.1.2 (hier besonders die Untersuchung zu den Kranichen und Störchen) und 3.4.2 (Eichelhäher und Elster). 34 Vgl. Hünemörder (1996), s. v. „Adlerstein“.

23

ἰχθύσιν, ἀλλ’ ἀπόχρη θήρα καρκινάδας αὐτοῖς ἢ συλλαβείν ἄλλο τι τῶν ὁπόσα πρὸς τοὺς αἰγιαλοὺς ἐκφέρει τὰ κύματα. (Dion. ixeut. II, 4) Das Ἰξευτικῶν ist in drei Bücher gegliedert und spricht alle relevanten Formengruppen der antiken Vogelwelt an (vgl. zum Überblick den Index nominum et rerum notabilium in Garzya 1963: 51–56). Der hier wiedergegebene Auszug zeigt, dass Dionysios entweder eigene Beobachtungen getätigt oder aber Kontakte zu zuverlässigen Berichterstattern hatte. In beiden Fällen wird die Bedeutung seiner Schrift unterstrichen; hinzu kommt, dass dies die einzige vollständig überlieferte Quelle ist, die ausschließlich einem vogelkundlichen Thema gewidmet ist. 35 Die legendenhaften Geschichten sind nicht anders zu beurteilen, als dies bei den bisher behandelten Quellen der Fall war (vgl. Pollard 1977: 23). 2.1.6 Aelian Mit seinem auf griechisch verfassten Werk ΠΕΡΙ ΖῼΩΝ ΙΔΙΟΤΗΤΟΣ (De natura animalium in 17 Büchern) schuf der Römer Aelian (ca. 170 – ca. 230 n. Chr.) eine der letzten großen Faktensammlungen der Antike, die das Tierreich betreffen.36 Der bunte Eindruck eines Sammelsuriums, den das Werk hinterlässt, trägt der Tatsache Rechnung, dass Aelian nicht vorrangig ein Naturbeobachter, sondern ein Sammler war, der Auszüge aus den Schriften verschiedener Autoren kompilierte. Für den vogelkundlichen Inhalt scheint besonders Alexander von Myndos Grundlage gewesen zu sein; was die Vögel entfernterer Gebiete angeht, so griff Aelian auf entsprechende „Experten“ für jene Regionen zurück, so z. B. sehr wahrscheinlich auf Apion, wenn es um Ägypten geht (zu den Quellen vgl. Scholfield 1958: xvi–xx; Spoerri 2001). Neben den bereits vertrauten Mythen und Legenden, um die auch Aelian sich nicht scheut, einen Bogen zu machen37, finden sich interessante Erkenntnisse, die so in anderen 35

Weitere Beispiele für die Beobachtungsgabe, die im Ἰξευτικῶν zum Ausdruck kommt, finden sich in Kapitel 3; hingewiesen sei etwa auf die Beschreibung der Möwenarten oder des Stoßtauchens der Seeschwalben. 36 Zum „Niedergang“ der griechisch geprägten Wissenschaft vgl. Lloyd (1973): 75, 154–178. 37 Die Heftigkeit der Auseinandersetzung um den Wert der Aelian-Quelle hat sich bisweilen in deftigem Sprachgebrauch niedergeschlagen. So ergreift Gossen (1935: 280–283) Partei für Aelian und spricht einer ganzen Reihe Historiker, Philologen und Zoologen – darunter durchaus einige namhafte – jegliches Urteilsvermögen ab, indem er beispielsweise bezweifelt, dass ein bestimmter Forscher „von der Zoologie […] viel

24

Quellen nicht erwähnt werden und deren Ursachen Aelian zu ergründen versucht. Dass er dabei gelegentlich richtige Ansätze hat, dann aber die falschen Folgerungen zieht, zeigt eine Stelle über die Adler und deren Horstbau (Ael. nat. anim. II, 39): καὶ μέντοι καὶ ἀλλήλων ἀπῳκισμένας οἰκοῦσι καλιὰς ὑπὲρ τοῦ μὴ διαφέρεσθαι ὑπὲρ θήρας καὶ λυπουμένους λυπεῖν πολλάκις. Stimmig ist die hier erwähnte große räumliche Distanz zwischen besetzten Adlerhorsten; jedoch ist dies nicht – oder doch höchstens bedingt – auf die Beutetiere zurückzuführen (vgl. Glutz von Blotzheim 1989: 655).38 Dennoch bleibt Aelian allein dadurch eine wichtige Quelle, dass durch sein ΠΕΡΙ ΖῼΩΝ ΙΔΙΟΤΗΤΟΣ eine Vielzahl von Informationen tradiert worden ist. 2.1.7 Athenaeus (Athenaios) Wie für so viele andere Bereiche des Wissens und des täglichen Lebens bietet das Werk ΑΘΗΝΑΙΟΥ ΝΑΥΚΡΑΤΙΤΟΥ ΔΕΙΠΝΟΣΟΦΙΣΤΩΝ (Deipnosophistae, in 15 Büchern) auch eine Vielfalt an Informationen über Vögel. Mit diesem „gelehrten Tischgespräch“ hat uns Athenaeus (2.–3. Jh. n. Chr.) Fragmente verschiedener zoologischer Texte und Schriften überliefert (darunter besonders hervorzuheben sind diejenigen aus dem Werk des Alexander von Myndos); und hierin liegt auch der für vorliegende Untersuchung eigentliche Wert dieser umfangreichen Quelle. Am ergiebigsten sind die Bücher VIII und IX; viele verschiedene Vogelarten finden hier in unterschiedlichsten Zusammenhängen Erwähnung, nämlich sowohl als zubereitete Speise, wie auch durch Hinweise auf ihre Lebensweise oder ihr Aussehen. Darüber hinaus lässt die Erwähnung weiterer antiker Werke zur Vogel- bzw. Tierwelt, die nicht mehr erhalten sind, darauf schließen, dass das Interesse an der Beschreibung der lebendigen Natur (und somit auch und besonders der Vögel) weitaus größer gewesen sein mag, als dies heute auf Basis der wenigen antiken „ornithologischen“ Quellen den Anschein hat: Ath. IX, 387b bezieht sich beispielsweise auf eine Schrift Περὶ Ζῴων des Theophrast von Eresos (371–287 v. Chr.), die als Ergänzung zu den aristotelischen Schriften betrachtet wird (vgl. Gigon 2001c: Sp. 3057);

im Kopf gehabt hat“, oder über einen anderen sagt, dass er „von Zoologie nichts verstand“ (Gossen 1935: 281). Gossens Artikel selbst jedoch geizt nicht mit Spekulationen; es soll hier lediglich darauf hingewiesen werden, dass er in Aelians Text sogar Hinweise auf Dinosaurier gefunden haben will (1935: 319). 38 Die genauen Gründe sind nicht hinreichend bekannt; sicher ist, dass jedes Adlerpaar mehrere Horste unterhält, was zu einer größeren Distanz zwischen verschiedenen Paaren führen mag (vgl. Glutz von Blotzheim 1989: 656–657).

25

außerdem werden genannt die Werke Περὶ Ὀρνίθων von Kallimachos (3. Jh. v. Chr.; Ath. IX, 388d) und Περὶ Πτηνῶν Ζῴων von Alexander von Myndos (Ath. IX, 398c).39 2.1.8 „Nicht-naturwissenschaftliche“ Quellen Aufgrund ihrer Allgegenwärtigkeit fanden Vögel Eingang in Werke unterschiedlichster literarischer Ausprägung, etwa bei Historikern, in Reiseberichten oder natürlich in Aristophanes’40 Komödie ΟΡΝΙΘΕΣ. Letztere bietet zwar zahlreiche Vogelbezeichnungen, aber nur aus wenigen Stellen lassen sich brauchbare Indizien herausarbeiten, die eine Identifizierung ermöglichen. Wichtiger ist das Schauspiel in Zusammenhang mit der Übertragung menschlicher Attribute auf die Vögel und umgekehrt; dies trifft im besonderen auch auf Fabeln zu, wie wir sie etwa von Aesop kennen. Wenn sich antike Historiker mit einem bestimmten Volk beschäftigen, oder wenn Autoren von Reiseberichten über fremde Gegenden erzählen, so kommen immer wieder die Besonderheiten der Natur zur Sprache. Herodot (5. Jh. v. Chr.) liefert uns beispielsweise bei seiner Beschreibung Ägyptens wertvolle Aussagen über die dortige Avifauna (vgl. etwa Hdt. II, 67–68); Strabon (64/63 v. Chr. – 23/26 n. Chr.) gibt unter anderem Einblicke in die Vogelwelt der iberischen Halbinsel (Strab. Geogr. III, 4, 15) usw. Selten jedoch sind solche Textabschnitte ganz gezielt den Vögeln gewidmet; vielmehr dienen die Vögel dazu, den Charakter der jeweiligen Landschaft zu betonen (wenn etwa das Vorkommen von Sumpf- bzw. Wassergeflügel betont wird, soll eine Gegend vor Augen geführt werden, in der es viele Feuchtgebiete gibt, so z. B. Strab. Geogr. V, 2, 9). Nur vereinzelt finden sich außerhalb der naturbeschreibenden Literatur Passagen, die eine Beschreibung eines Vogels oder seines Verhaltens zum Inhalt haben; ein Beispiel hierfür ist das Werk des Rufus von Ephesos (1./2. Jh. n. Chr.; überliefert bei Aëtios von

39

Es handelt sich hierbei wohl nicht um ein weiteres Werk, sondern lediglich um eine alternative Benennung des bereits erwähnten περὶ ζῴων; zu den verschiedenen Bezeichnungen von Alexanders Schrift vgl. Anm. 27. 40 Die Lebensdaten des Komödiendichters sind nicht exakt zu erfassen, liegen aber wahrscheinlich im Zeitraum der zweiten Hälfte des fünften und ersten Hälfte des vierten Jahrhunderts v. Chr. (vgl. Scheibler 2001: Sp. 309).

26

Amida, aus dem 6. Jh. n. Chr.), in welchem sich ein Abschnitt ausführlicher mit dem τρωγλοδύτος beschäftigt (Aëtios XI, 11; vgl. Daremberg / Ruelle 1879: 570–571).41 2.1.9 Hesychios Das Lexikon des Hesychios (5./6. Jh. n. Chr.) erwähnt unter der großen Menge an Einträgen auch viele Begriffe, die sich auf Vögel beziehen. Dennoch ist es nur bedingt als Quelle für eine Untersuchung der Vögel in der griechischen Antike geeignet, lassen doch etliche jener Vogelbezeichnungen entweder keine genaueren Rückschlüsse auf eine Art oder gleich die Möglichkeit mehrerer Vogelarten zu. Ungenauigkeiten, Unvollständigkeiten oder scheinbar ins Leere laufende Erläuterungen machen deutlich, dass es nicht das Ziel des Lexikographen war, jedes Lemma ausführlich darzulegen. So findet sich unter dem Stichwort κύδνος der Verweis auf κύκνος. Möchte man nun wissen, was ein κύκνος ist, so erfährt man lediglich: ὄρνεον (vgl. Gossen 1940a: 63). Hilfreich allerdings kann das Lexikon beim Abgleich von Schreibvarianten sein, wie eben gesehen. 2.1.10 Gesamtbild der schriftlichen Quellen Mit dem Werk des Aristoteles scheint bereits zu Beginn der hellenistischen Periode eine für die damaligen Verhältnisse derart umfassende und genaue Grundlage über das Wissen des antiken Vogellebens geschaffen worden zu sein, dass über Jahrhunderte keine neue Schrift publiziert werden musste. Jedenfalls ist es erst Alexander von Myndos, dem ein ähnlicher Rang als Kenner der Vogelwelt einzuräumen ist. Wie gezeigt, kann bei beiden festgehalten werden, dass sie – sehr wahrscheinlich – sowohl auf eigene Beobachtungen, wie auch auf Berichte anderer Personen und auf sonstige Quellen zurückgriffen. Die Erkenntnisse auf Basis selbständiger Beobachtung sind es, die dem naturwissenschaftlich arbeitenden Menschen eine gewisse Glaubwürdigkeit attestieren; im Gegensatz hierzu sind die Texte eines Plinius, Aelian, oder auch Athenaeus aufgrund ihrer Themenvielfalt und großen Faktendichte zwar höchst interessant, der jeweilige Autor aber darf nicht als (in diesem Falle ornithologischer) Fachmann bezeichnet werden. Letzten Endes führt die Suche nach den Ursprüngen ornithologischen Wissens und Schaffens immer wieder zu 41

Selbstredend kann keine Aufzählung aller Vogelerwähnungen in der altgriechischen Literatur gegeben werden; es wäre auch nicht im Sinne dieser Arbeit. Exemplarisch sei lediglich noch auf das (nicht erhaltene) geographische Werk des Poseidonios verwiesen, auf den sich Strabon verschiedene Male beruft, sowie auf Pindar als Vertreter der Lyriker (vgl. Borthwick 1977).

27

Aristoteles zurück; alle späteren antiken Autoren können (nach dem Stand der überlieferten Quellen) nur mehr Ergänzungen liefern oder bestimmte Teilbereiche bearbeiten, wie etwa Dionysios den Vogelfang. Diese Erkenntnis gilt nicht nur für den griechischen bzw. griechisch-römischen Osten der antiken Welt, sondern auch für den lateinischen Westen: hier darf Plinius als derjenige bezeichnet werden, welcher das „griechisch-aristotelische“ Erbe tradierte.42

2.2 Vögel in der darstellenden Kunst Das Bildnis der Eule auf den bekannten athenischen Münzen stellt sicherlich eine der berühmtesten, vielleicht sogar die berühmteste Vogeldarstellung der griechischen Antike dar43 und beweist, dass auch in bildlichen Darstellungen Vögel mit erstaunlicher Genauigkeit wiedergegeben werden konnten. Die überlieferten Darstellungen reichen von einfachen, stilisierten Vogelformen bis hin zu eindeutig identifizierbaren Bildern, von Vasenbildern bis zu Mosaiken, von Statuetten bis zu Münzen, und stammen aus der gesamten Periode der antiken griechischen Geschichte. Eulenbildnisse sind keine Erfindung des klassischen Athen. Bereits aus der griechischen Frühzeit stammen Beispiele, die unschwer die Darstellung nicht nur irgendeines Vogels, sondern ganz bestimmt einer Eule erkennen lassen (vgl. beispielsweise die Abbildungen bei Laffineur 1981: Planche I und Planche III44). Selbst wenn die Zeugnisse keine Bestimmung auf Artniveau zulassen, so lassen sie dennoch den Willen ihres Schöpfers erkennen, hier eine Eule und nicht einen anderen Vogel darstellen zu wollen. Es geht aber auch „primitiver“: stilisierte Vögel sind sicherlich der Ursprung jeglicher Vogeldarstellung (vgl. die Abbildung bei Morgan 1987: 184). Doch sollen uns hier nicht solche, auf das Grundschema „vogelartige Struktur“ reduzierte Zeichnungen beschäftigen, sondern Beispiele, die den Wunsch des künstlerisch gestaltenden Menschen erkennen lassen, die

42

Zur ornithologischen Bedeutung des Stagiriten vgl. auch Stresemann (1951): 1–5; Handronikos / Akriotis (1997): 19; Walters (2003): 12–19; Moss (2005): 28–29. 43 Abbildung z. B. bei Branigan / Vickers (1982): 148–149. 44 Bei einem von Coldstream et al. (1981: 145 und Plate 18) beschriebenen Aryballos erinnern nur die Anatomie mit dem schnabelförmigen Mund und den Flügeln daran, dass man hier einen Vogel vor sich hat; der Rest der Figur, vor allem die Färbung und die „Ohren“, könnten an eine Eule denken lassen, doch melden die Autoren zu Recht Zweifel an.

28

Natur wahrheitsgetreu abzubilden. Auf der Suche nach identifizierbaren Vögeln werden im Folgenden exemplarisch Malereien, Münzen und Plastiken betrachtet. 2.2.1 Malerei Zu den frühesten Belegen detailgetreuer Vogelmalerei zählen die Wandmalereien des minoischen Kulturkreises. Unter diesen sind besonders diejenigen von Thera hervorzuheben (Morgan 1988; Doumas 1992), aber auch Knossos und weitere archäologische Stätten (Masseti 1997) zeigen uns die technischen Fertigkeiten und die Detailkenntnisse über bestimmte Vogelarten, wie sie bei den damals schaffenden Künstlern vorhanden gewesen sein mussten. Ganz eindeutig sind auf den Malereien etwa Rauchschwalbe, Stockente und Wiedehopf zu erkennen; beim Wiedehopf mit seinem auffälligen Kopfschmuck mag dies noch „selbstverständlich“ erscheinen, schaut man sich jedoch die Rauchschwalbe an, so zeigt sich deutlich, dass die diagnostischen Merkmale gezielt und – bis auf zwei Details – korrekt eingesetzt wurden, um eben Rauch- und nicht etwa Mehlschwalben darzustellen: Stirn und Kehle sind dunkelrot gefärbt, die Oberseite dunkel blaugrau; die abgebildeten Vögel weisen verlängerte äußere Schwanzfedern auf; die Unterseite zeigt eine weiße Färbung, mit Ausnahme des oberen Brustbereiches, welcher wiederum dunkel blaugrau gefärbt ist (vgl. die Abbildungen bei Doumas 1992: 26, 106–107). Von der Natur nicht richtig übernommen sind hingegen die weißen Iriden der Augen, sowie der weiße Bürzel (Abbildung bei Doumas 1992: 26). Dies muss nicht weiter verwundern: die in Wirklichkeit dunklen, fast schwarzen Augen der Schwalben würden sich in der malerischen Darstellung nur schwer von der ebenfalls dunklen Umgebung des Kopfgefieders abheben, also musste sich der Maler hier seiner „künstlerischen Freiheit“ bedienen (es war diese „Verfälschung“ sicherlich eher in Kauf zu nehmen, als die Darstellung eines Vogels ohne erkennbare Augen). Der weiße Bürzel mag daher rühren, dass im ägäischen Raum neben der Rauchschwalbe auch die von der Struktur her ähnliche Rötelschwalbe vorkommt, welche einen solchen hellen Bürzel aufweist (Svensson et al. 1999: 242–243; Sterry 2003: 116– 117). Bei der Beobachtung von fliegenden Schwalben ohne optische Hilfsmittel fallen dann am ehesten solch markante Stellen wie ein heller Bürzel oder besonders lange Schwanzfedern auf; aus der Erinnerung heraus hat der Maler möglicherweise beide Merkmale auf einen Vogel angewandt. Die Rauchschwalbe als Kulturfolger und Brutvogel in von Menschen genutzten Gebäuden muss in ihren sonstigen Merkmalen den antiken

29

Menschen vertrauter gewesen sein als die weniger häufig in menschlichen Siedlungen nistende Rötelschwalbe, was wiederum die Kenntnis der rötlichen Stirn- und Kehlfärbung erklärt (zum jeweils bevorzugten Biotop vgl. Glutz von Blotzheim 1985a: 416–417, 459– 460). Nicht ganz bis auf Artniveau bestimmbar ist eine Reihe von Vogeldarstellungen, die aber zumindest deutlich erkennen lassen, dass es sich z. B. um eine Gans oder einen πέρδιξ handelt. Die nicht ganz sicher durchzuführende Identifizierung ist nicht einer Unkenntnis oder dem „Unwillen“ des jeweiligen Malers zuzuschreiben, vielmehr beruht dies auf der Ähnlichkeit gewisser Arten, die selbst heute noch nur schwer unterscheidbar sind. Marco Masseti (1997: 357–358) erwähnt πέρδιξ-Darstellungen von Knossos, die entweder als Steinhühner oder als Chukarhühner anzusprechen sind. Beide Arten ähneln sich dermaßen, dass in der Antike eine Unterscheidung praktisch nur aufgrund der differierenden Lautäußerungen möglich war.45 Einen Unterschied in der Kehlzeichnung, wie ihn Masseti anführt (l. c.) und, darauf basierend, die Knossos-Vögel als Steinhühner interpretiert, ist als feldornithologisches Unterscheidungsmerkmal nicht tragfähig (Glutz von Blotzheim 1994a: 227–229; del Hoyo et al. 1994: 484–486; Brendel 1998: 47–49; Svensson et al. 1999: 108–109; Sterry 2003: 60–61). Aufgrund der nur geringfügigen Färbungsunterschiede der beiden in Frage kommenden Arten Grau- und Saatgans bereiten die von Lyvia Morgan (1988: 63–64) beschriebenen Gänse aus Thera ähnliche Schwierigkeiten; ohne genauere Größenvergleiche kann keine Artbestimmung erfolgen.46 Je weiter man sich vom sicher Zuzuordnenden, Konkreten entfernt, desto größer wird naturgemäß die Zahl der Vogelbilder (bis man schließlich wieder bei den vereinfachten, stilisierten Formen landet47). So sind auf einer dritten Ebene, nach den sicher identifizierbaren Arten und den eindeutig erkennbaren „Formengruppen“ (Gänse, πέρδικες, etc.), Vogelbilder anzusiedeln, welche bestimmte Formen und Arten ausschließen und in Verbindung mit weiteren Details des Gesamtgemäldes (etwa bestimmten Landschaften) ganz bestimmte Arten als „Lösung“ ins Visier bringen, wenn auch mit einem Rest an Unsicherheit (der aber mangels alternativer Vorschläge in den meisten Fällen vernach45

Vgl. Kapitel 3.5.3. Vgl. Kapitel 3.1.1. 47 Zur Evolution eines gewissen „Vogel-Stils“, sowie zur Motivbildung vgl. beispielsweise Lenz (1995); das dort behandelte Thema ist aber für vorliegende Arbeit nicht von Relevanz. 46

30

lässigbar erscheint). So hat Masseti in einer schlüssigen Argumentation dargelegt, bei den blauen Vögeln in einer Felsenlandschaft (im House of the Frescoes in Knossos) müsse es sich um Felsentauben handeln (1997: 356–357). Erneut lässt sich bei Betrachtung solcher Bilder die Absicht des Malers erkennen, ganz bestimmte Vögel in „seine“ Landschaft zu integrieren. Eine schier unerschöpfliche Fundgrube von Zeichnungen und Malereien aller Art sind die antiken Vasenmalereien. Um die Interpretation vieler Vogelabbildungen unter selbigen hat sich besonders Elke Böhr verdient gemacht (Böhr 1992; 1997; 1999; 2000; Böhr / Böhr 1995). Ihr gelang es beispielsweise, den Wendehals auf mehreren solcher Keramiken zweifelsfrei nachzuweisen und in einigen weiteren Fällen zu begründen, warum die abgebildeten Vögel eher Wendehälse denn sonstige Arten zeigen (Böhr 1997; 2000). Die „sicheren“ Abbildungen entsprechen nicht den Ansprüchen, die man heute an ornithologische Bestimmungsliteratur stellt, und doch zeigen sie, dass die antiken Künstler in der Lage waren, mit relativ wenigen, aber eben den wesentlichen Details eindeutig eine ganz bestimmte Vogelart zu malen; die bei Böhr (2000: 343, 346–347) gezeigten Abbildungen weisen die richtige Anatomie, korrekte Proportionen, sowie hervorstechende Gefiedermerkmale, einmal auch die typische Haltung eines Wendehalses auf. Ein weiteres Beispiel sind die Darstellungen zum Vogelfang mittels Leimruten; sie sind nicht nur Zeugnis des technischen Vorganges, Leimruten an bestimmten Plätzen anzubringen (zumeist an bestimmten, häufig präparierten Büschen und Bäumen) und dorthin Vögel zu locken, die sich dann in den Leimruten verfangen sollen, sondern auch der Kenntnis von den Verhaltensweisen einiger Vogelarten sowie das Ausnutzen derselben für bestimmte Zwecke. Bei dieser Art des Vogelfanges wird nämlich ein Lockvogel eingesetzt; in den bisher bekannten Darstellungen aus der griechischen Antike ist dies jeweils eine Eule (vgl. Böhr 1992; 1995). Es ist bekannt, dass kleinere Vögel oft auf größere, potentielle Feinde „hassen“, das bedeutet, sie fliegen entweder immer wieder im Sturzflug auf beispielsweise einen Greifvogel zu, bis dieser den lästigen Aktionen zu entkommen versucht und das Gebiet verlässt, oder sie versammeln sich auf Bäumen und Sträuchern rings um den Ort, an welchem sich ein Beutegreifer niedergelassen hat, und „beschimpfen“ ihn lautstark mit ihren Rufen (vgl. Bezzel / Prinzinger 1990: 257). Von den Eulen sind es ganz besonders Steinkauz und Sperlingskauz, bei deren Auftreten eine bisweilen heftige Kleinvogel-

31

reaktion erfolgt;48 diese kann man sich eben mit Hilfe der mit Leimruten bestückten Bäume zu Nutze machen, um die eigene Speisekammer mit Singvögeln anzureichern. Da der Sper-lingskauz im mediterranen Gebiet, auf dem südlichen Balkan und in Kleinasien nur selten vorkommt, der Steinkauz hingegen weit verbreitet ist, so zeigen die Vasenmalereien mit großer Sicherheit jeweils ein Individuum dieser Art (vgl. Böhr 1992: 577; 1995: 216).49 Auch andere Vogelarten sind gut zu bestimmen, so etwa auf einer Schale im Bremer Antikenmuseum ein (Haus-)Hahn50. Im Übrigen gilt das bei den Wandmalereien Gesagte: nicht näher zu bestimmende Vogeldarstellungen zieren unzählige Keramiken aus dem antiken griechischen Kulturraum; im besten Falle lässt sich hier die „Vogelform“ bestimmen oder eine Art näherungsweise erahnen; als Beispiele mögen folgende genügen: ebenfalls im Bremer Museum zu sehen ist ein langhalsiger (Schreit-?)Vogel, möglicherweise ein Kranich51; ein Krater im British Museum zeigt einen langbeinigen Vogel, den Sylvia Benton als Kuhreiher identifiziert (Benton 1961: 44); des weiteren scheint der Schwan ein verbreitetes Motiv gewesen zu sein (vgl. Schauenburg 1996). Besondere Vorsicht aber ist bei der Betrachtung schwarzer Vögel geboten; diese können nicht einfach nur aufgrund der Farbe als Rabenvögel identifiziert werden, wie Gudrun Schmidt dies glauben machen möchte (2002: 752). 2.2.2 Münzen Das zu bearbeitende Material, dessen Einfarbigkeit und der geringe Platz ließen vermuten, dass die Identifizierung von auf Münzen (wie auch auf Gemmen) abgebildeten Vögeln schwieriger sein dürfte als bei Malereien. Ein genauerer Blick zeigt jedoch auch bei diesen Bildträgern bisweilen eine erstaunlich detailgetreue Darstellung (natürlich 48

Zur Kleinvogelreaktion Glutz von Blotzheim (1994b): 492–494, 526. Zum Vorkommen von Sperlings- und Steinkauz vgl. Bauer et al. (1969): 85; Glutz von Blotzheim (1994b): 471–480, 510–514; Bauer et al. (2005), Bd. 1: 701, 704. 50 Bremen, Antikenmuseum im Schnoor: „Augenschale aus dem Umkreis des Lysippides-Malers“. 51 Ebd.: „Kalpis der Klasse von Brüssel A 3099“. 52 Mit Bezug auf Böhrs Untersuchung zum Wendehals (Böhr 1997; 2000) und dem dortigen Hinweis auf die „vielfach ungenaue Darstellung der Vögel in der Malerei“ (so Schmidt 2002: 6) schreibt die Autorin: „Die Identifikation von Rabe und Krähe ist etwas einfacher, da beide Vogelarten zumindest auf bemalten Kunstwerken durch ihre markante Farbe leichter zu erkennen sind.“ Falls Schmidt hierunter bunte Bilder versteht, so passt dies nicht zum Vergleich mit Böhrs Untersuchungen, deren Grundlage schwarzfigurige und rotfigurige Keramik bildete. Auf diesen haben alle dargestellten Vögel (und andere Objekte) notwendigerweise dieselbe Farbe, einzig die Musterung lässt sich variieren. 49

32

wiederum neben recht vereinfachten Vogelbildnissen). Außer der bereits erwähnten attischen Eule sind es vor allem größere Vögel oder solche mit eindeutigen körperbaulichen bzw. strukturellen Merkmalen, die eine Identifizierung (zumindest bis zur „Formengruppe“) ermöglichen. Einen guten Überblick darüber bieten Friedrich Imhoof-Blumer / Otto Keller (1889: 28–39, 127–137, Tafeln IV–VI und XX–XXII). Auf vielen der hier abgebildeten Münzen und Gemmen lassen sich eindeutig als Arten (Haus-)Hahn, Pfau und Strauß, als „Formen“ Adler, Eule, Taube, Schwan, Ibis, Kranich und Reiher, sowie (sehr wahrscheinlich) ein Rabenvogel erkennen. Alle Bestimmungsversuche auf Artniveau aus dieser letztgenannten Reihe bleiben unsicher. Einzig ein Bildnis eines Adlerpaares hebt sich von der Masse ab: auf einem Dekadrachmon von Akragas sind beide Adler dargestellt, wie sie einen geschlagenen Hasen in den Fängen halten. Der Adler im Vordergrund legt mit leicht geöffnetem Schnabel seinen Kopf in den Nacken; dies erinnert an die Kopfhaltung der Seeadler beim Balzrufen (vgl. Glutz von Blotzheim 1989: 196). Auch der relativ lang erscheinende Hals weist eher auf einen Seeadler als auf andere Adlerarten hin; dass Hasen zum Beutespektrum des Seeadlers gehören, ist bekannt (vgl. Uttendörfer 1939: 180–193). Mit größter Wahrscheinlichkeit wollte der Künstler also tatsächlich Seeadler abbilden. Weiter ist bemerkenswert, mit welcher Detailtreue er hier ans Werk ging. An beiden Adlern sind an den Flügeln die einzelnen Schwungfedern und Deckfedern zu erkennen, an den Handschwingen sogar die charakteristischen Einbuchtungen der Innenfahnen (vgl. Forsman 1999: xiv–xv).53 Der Künstler muss exakte Kenntnis vom Aussehen des Seeadlers gehabt haben; vielleicht „stand“ ihm sogar ein (lebendes oder totes) Tier Modell.54 Weitere Münzen zeigen höchstwahrscheinlich eine Gans und wiederum Adler (Vrezec 2005: 8–9). Die Bestimmung „Gans“ kann aufgrund der Proportionen und der Körperhaltung als gesichert angesehen werden: für einen Schwan ist bei dem abgebildeten Tier der Hals zu kurz, für eine Ente zu lang, für eine Trappe sind die Beine zu kurz. Al Vrezec kommt bei Betrachtung der beiden Adlermünzen zu dem Schluß, es müsse sich hierbei um

53

Auch die Außenfahnen mancher Schwungfedern sind (nicht nur bei Adlern) zur Spitze hin verjüngt (vgl. Engelmann 1928: 471–474; Glutz von Blotzheim 1989: 172). Dies ist in vorliegendem Falle nicht als diagnostisches Merkmal anzusehen, sondern lediglich Ausdruck für die filigrane Arbeit des Künstlers. 54 In diesem Zusammenhang sei auch auf die äußerst präzise Abbildung eines Adlerkopfes auf einer Scherbe hingewiesen, bei der ebenfalls davon ausgegangen werden kann, dass der Künstler auf ein „Modell“ blicken konnte (Lamberton / Rotroff 1985: 15).

33

einen Schlangen- und einen Seeadler handeln; der Gedanke scheint naheliegend, hat doch dieser einen Fisch, jener eine Schlange erbeutet. Die Artbestimmung ist zwar nicht ganz von der Hand zu weisen, lässt sich jedoch ebenso wenig verifizieren; Schlangen werden z. B. auch von Mäusebussarden erlegt55, Fische ebenso von Fischadlern gejagt. Was bleibt, ist erneut die Erkenntnis, dass Vorgänge in der Natur, dass das Aussehen und Verhalten vieler Vogelarten (wohl auch Tierarten im allgemeinen) nicht nur einer kleinen Gruppe von Vogelstellern oder naturbeschreibenden Schriftstellern vertraut war, sondern dass wahrscheinlich jeder, der ein solch kleines Kunstwerk betrachtete (Münzen gingen sicherlich nicht durch so viele Hände wie heute, aber doch durch einige), die Aussage darauf verstand – sei es, dass er selbst Vögel bei der Jagd beobachten konnte, sei es aus Erzählungen seiner Mitmenschen. 2.2.3 Plastiken Die dreidimensionale Arbeit bietet die besten Möglichkeiten einer naturgetreuen Abbildung. Allerdings erfordert sie auch enorme künstlerische Fertigkeiten; ein Fehler kann nicht einfach übermalt oder durch eine Neuprägung ausgemerzt werden. Vielleicht ist das der Grund dafür, warum im Vergleich zu Malereien und Münzen nur relativ wenige Vogelplastiken auf uns gekommen sind. Zwei Abbildungen bei John Pollard (1977: Abb. 4 und 5) lassen sich als Eule und Ente ansprechen, eine weitere lediglich als Greifvogel; hier ist nicht einmal mehr die Form (also „Adler“, „Falke“ etc.) eindeutig bestimmbar. Auch ein Vogeltorso aus Marmor, den Brigitte Freyer-Schauenburg (1986) beschreibt, lässt sich nur als Greifvogel, nicht aber als Adler bestimmen, worauf die Autorin zu Recht hinweist (1986: 70). Die heute bekannten Vogelplastiken sind künstlerisch weit entfernt von den Werken großer Bildhauer wie Polyklet oder Praxiteles, und sie können auch nur wenig zu einer Untersuchung über die Vögel in der griechischen Antike beitragen. 2.2.4 Graffiti Inwieweit Graffitizeichnungen oder -ritzereien als Kunst im eigentlichen Sinne bezeichnet werden können, sei dahingestellt. Jedenfalls hat sich aus der Antike eine Menge von 55

Vgl. Glutz von Blotzheim (1989): 518.

34

Graffiti erhalten, so auch eine beachtliche Zahl von Vogeldarstellungen; einige davon stammen aus dem griechisch-hellenistischen Kulturraum.56 Bei der Untersuchung der Graffiti ist ebenfalls – wie schon bei den stilisierten Vögeln auf Vasenbildern – mit besonderem Bedacht vorzugehen. Es gilt dies hier umso mehr, als in den meisten Fällen wohl eher nicht mit einem „echten“, d. h. ausgebildeten und / oder erfahrenen Künstler als Schöpfer einer Graffitizeichnung zu rechnen ist. Die Darstellungen erinnern oft an „Kritzeleien“ von ungelenker Hand (selbstverständlich ist dies teilweise dem schwierig zu bearbeitenden Untergrund in Kombination mit einem nicht speziell dafür angefertigten „Werkzeug“, also einem Stein oder ähnlichem, zuzuschreiben); nur selten geht die Form über die Grundstilisierung hinaus, welche folgende Komponenten umfasst: Körper – Kopf mit Schnabel – zwei Beine – evtl. zwei erkennbare Flügel und Schwanz(-federn). Aus den von Martin Langner (2001)57 gesammelten Graffiti lassen sich lediglich drei Vogelformen58 identifizieren: Erstens der (Haus-) Hahn, welcher durch seinen Kamm charakterisiert wird.59 Zweitens der Pfau, erkennbar an der Kombination von „Krone“ (den Schmuckfedern am Kopf) und langen, breiten Schwanzfedern.60 Und zum dritten ein πέρδιξ; diese „Identifizierung“ ist allerdings nur deshalb möglich, weil der Urheber des Graffito den Namen dazugeschrieben hat.61 Nun lässt sich in den meisten Fällen zwar nicht ermitteln, welchen Vogel genau der „Künstler“ darstellen wollte, doch die wenigen sicheren Bestimmungen zeigen erneut, dass es die Vögel des Alltags sind, Vögel also, welche man häufig zu Gesicht bekam (vgl. Langner 2001: 66). Dazu zählt selbst der Pfau, der sich zunehmender Beliebtheit erfreute und – gerade in der Epoche des Hellenismus und der römischen Kaiserzeit – immer häufiger in Gärten gehalten wurde. Doch dazu später mehr.62

56

Vgl. Langner (2001): 65–66, 109 und die Tafeln 67, 105–111, 115. Siehe Anm. 56. 58 Es ist eher von Formen denn von Arten zu sprechen; schließlich wären etwa beim Pfau sowohl der indische, eigentliche Pfau, wie auch der Ährenträgerpfau Südostasiens in Betracht zu ziehen (vgl. Kapitel 3.7). 59 Langner (2001): Tafel 107, Nr. 1671–1672. 60 Ebd.: Tafel 109, Nr. 1700, Nr. 1706. 61 Ebd.: Tafel 106, Nr. 1665. 62 Vgl. Kapitel 4.3. 57

35

2.2.5 Bewertung der bildlichen Quellen Das detailgetreue Umsetzen realer Natur in Bildnisse jeglicher Form setzt eigene Kenntnis des Objekts, eigene Beobachtungen oder vertrauenswürdige Quellen voraus; am besten alles zusammen. Die große Menge an Beispielen – weniger bei den Plastiken und Graffitizeichnungen, umso mehr jedoch bei Münzen und Malereien – weitgehend naturgetreu abgebildeter Vögel, sowohl als „Form“ wie auch als tatsächlich identifizierbare Art, macht mehrere Dinge deutlich: Erstens bleibt festzuhalten, dass die antike Vogelwelt in ihrer Vielfalt bekannt war; die dargestellten Vögel reduzieren sich nicht nur auf wenige Arten bzw. Formen. Zweitens muss ein Interesse an der Darstellung von Vögeln vorhanden gewesen sein; schließlich wurden diese nicht „irgendwo“ hingemalt, sondern eben auf prominenten Stellen als Teil eines Gesamtkunstwerkes (Wandgemälde) oder auf Objekten von höherem Wert (Münzen und Gemmen); eine Ausnahme bilden naturgemäß die Graffiti, welchen aber kein künstlerischer Zweck im Sinne eines „Kunst-Werks“ als Statussymbol (aus Sicht des Auftraggebers) oder zum Erwerb des Lebensunterhalts (aus Sicht des Künstlers) zugrunde liegt. Das oben Gesagte setzt drittens eine vielen gemeinsame, also in der Bevölkerung verbreitete Kenntnis zumindest der häufigeren Vogelarten voraus, denn wenn sich jemand etwa ein Wandgemälde anfertigen lässt, so tut er dies auch, um damit seinen Mitmenschen zu imponieren; dies kann man nur mit „Dingen“, die der andere auch kennt bzw. versteht. Viertens braucht es für die Anfertigung all dieser Kunstwerke eine entsprechende Menge an fähigen Künstlern, und zwar nicht nur an einem Ort und nicht nur zu einer bestimmten Zeit. Gerade die Vasenmalereien und die Münzprägungen erstrecken sich über einen Zeitraum von mehreren Jahrhunderten (wenn auch die prominentesten und häufigsten Exemplare aus der klassischen Zeit Athens stammen) und lassen sich an vielen Stellen des antiken griechischen Kulturraumes nachweisen. Abschließend sei noch kurz von einem (leider nur schriftlich überlieferten) Beispiel der Fähigkeiten antiker Künstler berichtet: Auf einem Gemälde des Protogenes war ein πέρδιξ abgebildet, welcher die zahmen πέρδικες der Bewohner von Rhodos zum Rufen veranlasste; die Tiere sahen sich also einem vermeintlich echten Artgenossen gegenüber (Strab. Geogr. XIV, 2, 5).

36

2.3 Archäologische Quellen In den letzten Jahren und Jahrzehnten hat sich die Zooarchäologie zu einer unentbehrlichen Wissenschaft für die Erforschung vergangener Tier- und Pflanzengesellschaften entwickelt. Die Forscher sind heute in der Lage, aus zum Teil Jahrtausende alten Tierknochen in sehr vielen Fällen die genaue Spezies zu ermitteln, was für die Erforschung der antiken Vogelwelt eine unschätzbare Quelle darstellt. Bereits für Jahrtausende vor der historischen Zeit konnten auf dem Gebiet des heutigen Griechenland aus archäologischem Material zahlreiche Vogelarten nachgewiesen werden.63 Bei Ausgrabungen in Tiryns wurden für die mykenische Zeit 16 Vogelarten sicher bestimmt, in fünf weiteren Fällen kommen jeweils nur zwei, einander sehr ähnliche Arten in Betracht (von den Driesch / Boessneck 1990: 115); Vogelreste aus dem dritten vorchristlichen Jahrhundert aus Thessalien weisen mindestens elf Arten nach (Prummel 2005). Ein Gesamtbild der antiken Vogelwelt des griechischen Kulturraumes kann hieraus noch nicht erstellt werden, sind die Funde doch mehr oder weniger zufällig und sagen nur punktuell etwas über die Verbreitung oder die Häufigkeit einer Art zu einer bestimmten Zeit aus. Als Ergänzung zu den schriftlichen Quellen sind sie aber äußerst wertvoll, wie im folgenden Kapitel an mehreren Beispielen gezeigt werden wird. Die Zooarchäologie ist mit Sicherheit der dynamischste Quellenbereich. In Zukunft wird eine Reihe neuer Vogelknochenfunde zu erwarten sein. So wird sich das Bild der antiken Avifauna im östlichen Mittelmeerraum zunehmend präzisieren; ob dabei auch völlig neue Erkenntnisse zutage treten oder ob die bisherigen gefestigt werden, bleibt abzuwarten.

63

Tyrberg, Tommy (2006): Data and references for Pleistocene faunas from Greece (in litt.).

37

3

Systematischer Überblick über die Vogelwelt der griechischen Antike Eine möglichst genaue Artzuordnung der altgriechischen Vogelnamen ist die Grundlage

für eine sinnvolle Auseinandersetzung mit dem Thema dieser Arbeit, daher sollen in diesem Kapitel die noch offenen Fragen hinsichtlich der Artbezeichnungen geklärt werden. Was zunächst einfach erscheinen mag und sich doch ganz offenbar durch einen Blick in gängige Wörterbücher erledigen ließe, erweist sich tatsächlich als weitaus komplizierter. Neben den durchaus vorkommenden eindeutigen Bestimmungen – so bezeichnet κόκκυξ den Kuckuck (Cuculus canorus) – bedarf eine Vielzahl altgriechischer Begriffe noch einer eindeutigen Bestimmung. Hierbei lassen sich vier Gruppen unterscheiden: (1) Bezeichnungen, die für eine Gattung oder eine Artengruppe stehen, ohne dass sich daraus die Bestimmung auf Artniveau durchführen lässt; dazu zählen etwa die Schwäne. (2) Verschiedene Arten einer Gattung werden mit dem Gattungsnamen benannt und lediglich durch Attribute voneinander getrennt; als Beispiel hierfür möge die Beschreibung einer Meise bei Aristoteles dienen: ἔστι δὲ τῶν αἰγιθαλῶν εἴδη τρία, […] ὁ δὲ τρίτος ὅμοιος μὲν τούτοις, διαφέρει δὲ κατὰ τὸ μέγεθος· ἔστι γὰρ ἐλάχιστος (Aristot. hist. an. 7 (8), 592b 17–21). (3) Bei Vogelnamen, die ausschließlich im mythologischen Kontext auftauchen, muss gefragt werden, ob ursprünglich evtl. nicht doch auch eine reale Art dahinter gestanden haben könnte; hier sei etwa der φοῖνιξ genannt, von dem z. B. Herodot berichtet (Hdt. II, 73). (4) Es gibt eine ganze Reihe an Vogelnamen, die in der bisherigen Forschung noch keiner Art eindeutig zugeordnet werden konnten, oder bei denen man sich um die exakte Zuordnung streitet, wie beim θρᾷξ. Aus evolutionsbiologischer Sicht ist der Zeitraum, der zwischen der Epoche der griechischen Antike und der Gegenwart liegt, zu kurz, als dass sich einzelne Vogelarten in ihrem Erscheinungsbild signifikant verändert hätten (vgl. Newton 2003: 23–91). Diese Tatsache erleichtert die Artidentifizierung bestimmter Vögel in den Beschreibungen der antiken Quellen. Das darf aber nicht zur Annahme verleiten, die antike Avifauna stimme mit der rezenten überein; vielmehr haben natürliche und anthropogene Kräfte über die

38

Jahrhunderte ganze Ökosysteme verändert, was wiederum die Abwanderung bis dahin heimischer oder den Zuzug neuer Arten zur Folge hatte. Inzwischen ausgestorbene Arten haben ebenfalls ihre Spuren im östlichen Mittelmeerraum hinterlassen, wie die Zooarchäologie nachweisen konnte (siehe Kapitel 3.3 über die Eulenarten). Und schließlich ist zu berücksichtigen, dass sich unser Wissen über die Vögel enorm vergrößert hat, sodass heute Arten und Unterarten differenziert werden können, die in der Antike nicht als eigenständige Formen erkannt wurden oder erst gar nicht bekannt waren, wie schon Pollard (1977: 9) anmerkte. Der vorliegende Überblick über die antike Vogelwelt kann folglich in seinem Aufbau weder an die moderne ornithologische Systematik angelehnt sein, noch eine vollständige Erfassung aller tatsächlich in der griechischen Antike vorgekommenen Vogelarten bieten. Vielmehr erscheint es zweckdienlich, der Wahrnehmung der Menschen in der Antike zu folgen und eine Einteilung der Vögel nach Eigenschaften, Strukturmerkmalen und Lebensräumen vorzunehmen, eine Vorgehensweise, wie sie sich etwa auch in Aristoteles’ Historia animalium zeigt (hierzu bes. Sundevall 1863: 24–34 und 92–95).

3.1

Wasservögel

Seiner elementaren Bedeutung wegen ist Wasser in der Geschichte der Menschheit ein steter Begleiter, und mit ihm die gesamte Fauna und Flora der Lebensräume entlang von Flüssen und Bachläufen, von Brunnen und Quellen, zur See und entlang der Küsten. Die östliche Mittelmeerregion stellt schon seit jeher eine der wichtigsten Zugrouten und Rastplätze für Zugvögel aus Europa dar. Die Bewohner der Ägäis wussten den alljährlich auftretenden Reichtum zu schätzen und zu nutzen: vom langen Flug erschöpft sich niederlassende Vögel waren eine leichte Beute und eine willkommene Ergänzung des Speiseplans (vgl. Pollard 1977: 104–106; Hellenic Ministry for the Environment 2007). Zusätzlich zu den einheimischen Brutvögeln waren also auch regelmäßig die Wintergäste und Durchzügler zu beobachten, was sich heute noch in den Artenlisten aus der Region ablesen lässt. Alleine in den Grenzen der heutigen Staaten Griechenland und Türkei sowie im nördlichen Ägypten können zum Beispiel – mit Ausnahme mancher hochnordischer, atlantischer und in den letzten zwei Jahrhunderten in Mittel- und Westeuropa einge-

39

bürgerter Arten, sowie Irrgästen – alle See- und Lappentaucher, Ruderfüßer, Entenvögel, Schreitvögel, Kranich-, Wat- und Möwenvögel der westlichen Paläarktis angetroffen werden, also alles, was sich unter dem Begriff „Wasservögel“ zusammenfassen lässt (Bauer et al. 1969, Svensson et al. 1999, Nature World Wide 2005, Hellenic Ornithological Society 2000).64 3.1.1 Entenvögel Eine in mehrfacher Hinsicht herausragende Rolle in der Gruppe der Entenvögel spielen die Schwäne; vor allem durch das leuchtend weiße Gefieder und durch ihre Größe sind sie in der Landschaft gut zu erkennen. Entsprechend werden bereits bei Homer Schwäne in einem Atemzug mit den ebenso auffälligen Kranichen und Gänsen genannt, die schwarmweise entlang von Flussufern ihre Nahrung suchen; dabei wird jedes Mal die Langhalsigkeit der Schwäne betont (Hom. Il. II, 460 und XV, 692: κύκνων δουλιχοδείρων). Damit einhergehend wurde der Schwan allerdings auch mit zu hinterfragenden Attributen belegt; dazu gehören der „Gesang“ sterbender Schwäne und die ihnen zugeschriebene Neigung, Artgenossen zu fressen. Vor einer Erklärung für diese Phänomene ist zunächst eine Artbestimmung angebracht. Es ist nicht völlig klar, ob der κύκνος der antiken Quellen eher auf den Höckerschwan (Cygnus olor) oder den Singschwan (Cygnus cygnus) zu beziehen ist. Die ältere neuzeitliche Literatur erwähnt, dass der Höckerschwan als Brutvogel auch in Griechenland anzutreffen ist, der Singschwan hingegen höchstens als Wintergast (Thompson 1936: 179; vgl. Pollard 1977: 64). Pollard vermutet, dass beide Formen nicht als unterschiedliche Arten erkannt wurden, was durch die Singularität der Namensgebung κύκνος bestätigt wird; Hesychios bildet hierzu mit der Nennung weiterer Bezeichnungen für Schwäne 65 zwar eine Ausnahme, auf die Problematik dieser Quelle wurde jedoch schon im zweiten Kapitel dieser Arbeit verwiesen. Pollards Aussage, die Griechen hätten kein Wissen über die hoch im Norden brütende Art Singschwan haben können (l. c.), gilt allerdings nur vor dem Hintergrund der allgemeinen Unbekanntheit der arktischen Welt und der relativen äußeren Ähnlichkeit der beiden Arten. Es ist aber durchaus denkbar, dass bei genauerem 64

Weitere Beschreibungen der rezenten Vogelwelt finden sich beispielsweise bei Wettstein (1938), Stresemann (1956), Mascara (1991), Herrmann / Stadler (2008), Schäf / Jung (2008). 65 Ἄγλυ und κύδνος. Vgl. Thompson (1936): 1, 179; Gossen (1940a): 2, 63.

40

Studium der Schwäne bereits in der Antike zum Beispiel die jeweils arteigenen Schnabelfärbungen und -muster hätten auffallen können. Ich nehme an, dass die überlieferten Beschreibungen und Erwähnungen sowohl Beobachtungen an Höcker- als auch an Singschwänen betreffen. Die Tatsache, dass keine Aussagen über ein jahreszeitlich begrenztes Auftreten von Schwänen gemacht werden, lässt den Schluss zu, dass der Höckerschwan zumindest lokal als Brutvogel anzutreffen war. Für die Anwesenheit von Singschwänen (zumindest zur Zugzeit) sprechen die immer wieder auftauchenden Betonungen des Schwanengesanges. Auch wenn diese stark von Mythologie und Sagen beeinflusst sind, so muss doch eine entsprechende Beobachtung in der Natur den Anlass zu einer Verbindung zwischen diesen Vögeln und den „Gesängen“ gegeben haben. In der Auseinandersetzung mit der umfangreichen Literatur zum Schwanengesang gilt es, zwei Aspekte näher zu beleuchten: Zum einen die Frage, ob sich hieraus genauere Erkenntnisse über die Artbestimmung gewinnen lassen, zum anderen die Klärung der Frage nach Elementen der Wahrheit und des Mythos hinsichtlich des Schwanengesanges. Der Singschwan ist wesentlich ruffreudiger als der Höckerschwan und verfügt auch über ein größeres und melodiöseres Lautrepertoire, der Höckerschwan hingegen lässt nicht die trompetenartigen Rufe des ersteren hören. Beim Flug allerdings erzeugen Höckerschwäne ein als „wummernd“ beschriebenes Geräusch, die Flügel der Singschwäne nur ein leiseres „Zischen“ (Svensson et al. 1999: 38); auf jene eher unmelodiösen Geräusche können sich die antiken Beobachtungen und Beschreibungen zum Schwanengesang (etwa Aristot. hist. an. 8 (9), 615b 2–5) nicht bezogen haben. Zwei weitere Erkenntnisse sprechen für den Singschwan als Urheber des Schwanengesanges: bei Aristoteles wird auf das Mittelmeer vor Nordafrika Bezug genommen (παρὰ τὴν Λιβύην, l. c.), wo Seeleute Schwäne singen hörten und einige von ihnen sterben sahen; hierzu passen Angaben in neuerer Literatur, wonach es immer wieder (auch stärkere) Einflüge von Singschwänen in den ägäischen Bereich und sogar bis Nordafrika und den Persischen Golf gibt (Glutz von Blotzheim 1990: 49; Bauer et al. 1969: 35–36; Bauer et al. 2005, Bd. 1: 44; Shirihai 1996: 56–58; vgl. Sundevall 1863: 152). Des Weiteren konnten tatsächlich vereinzelt bei sterbenden Singschwänen flötenähnliche Töne vernommen werden, was biologisch-physikalisch mit der besonders ausgeformten Luftröhre dieser Art begründet wird: wenn nämlich der buchstäblich letzte Atemstoß des Tieres durch dieselbe gepresst wird, entstehen jene „klagenden“ Laute

41

(Arnott 1977b mit Verweis auf weitere Belegstellen; Sundevall 1863: 152; Keller 1913: 215). Man wird sich leicht vorstellen können, wie die Beobachtung eines sterbenden Schwans, der möglicherweise in der Dämmerung seine schaurig klagenden Laute von sich gab, die Phantasie der Menschen derart beflügelt hat, dass der Versuchung zur Vermenschlichung dieses vermeintlich bemitleidenswerten Wesens nur schwer widerstanden wurde. Dass Schwäne dazu neigen sollen, ihre Artgenossen zu fressen, will so gar nicht in dieses Bild passen. Und doch stellt es eines der Charakteristika dar, welche bei Aristoteles diesem Tier zugeschrieben werden: εἰσί δ᾿ οἱ κύκνοι καὶ ἀλληλοφάγοι μάλιστα τῶν ὀρνέων (Aristot. hist. an. 8 (9), 610a 1–2). Das wirft erneut die Frage auf, wo die naturwissenschaftliche Erklärung endet und der Bereich der Spekulation bzw. des Mythos beginnt. Die Unsicherheit bei der Auseinandersetzung mit dieser Aussage entspringt bei Aristoteles selbst, der die Stelle unkommentiert lässt (Plinius stellt lediglich fest: iidem mutua carne vesc*ntur inter se (Plin. nat. 10, 63); auch er lässt ansonsten den Leser aber unaufgeklärt). Neuere Autoren haben nur ansatzweise versucht, die Stelle bei Aristoteles zu erläutern. Am weitesten geht Carl J. Sundevall (1863: 152) mit seiner Vermutung, ἀλληλοφάγοι sei durch Abschreibefehler oder beschädigte Manuskriptstellen aus ἀλληλοφίλοι hervorgegangen. Seiner Meinung nach müsse Aristoteles gewusst haben, dass Schwäne nicht carnivor seien. Jedoch bleibt Sundevall selbst die Antwort auf die Frage schuldig, wieso Schwäne eine im Vergleich zu anderen Arten ganz besondere Zuneigung zu ihren Artgenossen zeigen sollten. Meines Erachtens treffen weder Aristoteles’ noch Sundevalls Aussage zu: Die Antwort findet sich in eben jener Grauzone zwischen Mythos und Realität, zwischen Naturbeobachtung und mündlicher Überlieferung derselben. Wie wir gesehen haben, waren Schwäne in der griechischen Antike kein allzu häufiger (wenn doch regelmäßiger) Anblick; dies ergibt sich aus der Tatsache, dass die Arten Sing- und Höckerschwan nicht unterschieden wurden. Vereinzelte Beobachtungen, wie der schon zu Homers Zeiten bekannte Schwanengesang, mögen mündlich tradiert worden sein. Weil aber häufigere Bebachtungen bestimmter Verhaltensweisen fehlten, wurden solche Einzelbeobachtungen generalisiert und im Laufe der Zeit möglicherweise auch falsch interpretiert. Eine Korrektur solcher Interpretationen war mangels Beobach-

42

tungsgelegenheiten wiederum häufig unmöglich. Es ist denkbar, dass das Paarungsverhalten der Höckerschwäne, bei welchem sich das Männchen am Halsgefieder des Weibchens festbeißt, Anlaß zur Vermutung des gegenseitigen „Auffressens“ war, zumal dabei das Weibchen durch das Männchen auch unter Wasser gedrückt wird (vgl. Glutz von Blotzheim 1990: 40). Interessant scheint in diesem Kontext die Stelle Aristot. hist. an. 6, 563b 28–29, wo vom Auffressen von Artgenossen gesagt wird, keine Vogelart täte dies: καὶ κατεσθιόμενος δ᾿ ὦπται κόκκυξ ὑπὸ ἱέρακος· καίτοι οὐδὲν ποιεῖ τοῦτο τῶν ὁμογενῶν ὀρνέων. Die hier scheinbar vorliegende Widersprüchlichkeit zur oben erwähnten Textstelle Aristot. hist. an. 8 (9), 610a 1–2 wird aufgelöst durch A. L. Peck (1970: 375), der die Stelle in Buch 6 der Historia animalium als möglicherweise nachträglich eingefügt betrachtet: „It could have originated as a marginal note, perhaps by Aristotle himself“. Gegen Aristoteles’ Urheberschaft dieser Passage spricht meines Erachtens aber, dass er „seine“ Textstelle in hist. an. 8 (9), 610a 1–2 dann nicht ergänzt bzw. verbessert hat. Immerhin liegt hier aber ein Anzeichen dafür vor, dass eine fortdauernde Beobachtung der Natur Zweifel an sich gegenseitig auffressenden Schwänen aufkommen ließ. In das Deutungsmuster der „Grauzone“ passt ebenfalls die Stelle bei Aristoteles, welche eine Dauerfeindschaft zwischen Schwan und Adler ausmacht und in dieser Auseinandersetzung den Schwan oft als Sieger hervorgehen sieht (hist. an. 8 (9), 610a 1 ff.). Zwei Tatsachen mögen hier zugrunde liegen. Erstens gibt es immer wieder Angriffe von Seeadlern auf Schwäne. Diese sind bestimmt nicht allzu häufig, da der Schwan schon allein aufgrund seiner Größe nur am Rande des Beutespektrums eines Seeadlers auftaucht, wohingegen kleinere Entenvögel durchaus regelmäßig auf der Speiseliste stehen. In für den Seeadler schlechteren Zeiten oder bei einer sich bietenden günstigen Gelegenheit können solche Angriffe aber durchaus beobachtet werden (Glutz von Blotzheim 1989: 198; vgl. Brüll 1984: 111–116); es ist hier zunächst nicht von Bedeutung, dass die Textstelle den Begriff ἀετός verwendet und nicht die eigentliche Bezeichnung für Seeadler, nämlich ἁλιάετος bzw. ἁλιαίετος (zur Bezeichnung der Adler später mehr). Zweitens ist das aggressive Potential des Höckerschwanes gegenüber Feinden hinlänglich bekannt; selbst Menschen und andere große Tiere werden mit Bissen und Flügelhieben attackiert, sollte sich der Schwan bedroht oder belästigt fühlen. Dass sich dadurch auch ein Adler vertreiben lässt, ist sicherlich nicht ungewöhnlich und in etwa ganz ähnlich einzustufen wie die häufig

43

zu beobachtenden Attacken von Rabenkrähen gegenüber Mäusebussarden, das sogenannte Hassen; obwohl auch in diesen Fällen der Greifvogel das stärkere Tier mit den gefährlicheren Waffen ist, scheint sich für ihn der Energieaufwand nicht zu lohnen, seinerseits auf Angriff umzuschalten, oder, wie im Falle des Adlers, einen erneuten Jagdflug auf den Schwan zu unternehmen (vgl. Glutz von Blotzheim 1990: 40–42; zum Hassen allgemein Bezzel / Prinzinger 1990: 257). Beide Aspekte werden also auch hier im Laufe der Zeit einer Generalisierung und partiell mythischen „Verunschärfung“ unterlegen sein. Ein Weiteres ist bei der Besprechung der Schwäne bemerkenswert, nämlich Strabons Erwähnung von Schwanenvorkommen auf der iberischen Halbinsel (Geogr. III, 4, 15). Sowohl Sing- als auch Höckerschwan sind dort heute seltene Ausnahmeerscheinungen im Winter (Elorza 2005: 300; vgl. die Verbreitungskarten in Sterry 2004: 34 und Bauer et al. 2005, Bd. 1: 40 und 44; vgl. auch Sánchez Marco 2004: bes. 113–130). Andererseits kann anhand archäologischer Quellen die Präsenz von Schwänen auf der iberischen Halbinsel zumindest für die Zeit zwischen dem letzten Viertel des ersten vorchristlichen Jahrhunderts und Mitte des ersten Jahrhunderts n. Chr., sowie für eine Zeitspanne vom späten vierten bis frühen fünften Jahrhundert n. Chr. belegt werden (Davis 2006: 32; P. Lange 2007 in litt. Vgl. auch Tagliacozzo / Gala 2002 mit dem Nachweis der Art in Süditalien aus dem siebten Jahrtausend v. Chr.). Es lässt sich daraus aber keinerlei Aussage über mögliche Schwanenbestände machen, und Davis’ Gedanke, die iberischen Schwanenbestände könnten der Verfolgung durch den Menschen zum Opfer gefallen sein (l. c.), wird sich ohne zahlreiche weitere archäologische Zeugnisse wohl nicht bestätigen lassen. In der Gruppe der Gänse sehen wir uns ähnlichen Problemen gegenüber gestellt wie bei den Schwänen; einerseits erhält die Kontinuität der Bezeichnungen für Gänsevögel durch die gesamte griechische Antike das Wortfeld überschaubar, andererseits lassen sich beim Versuch der Artbestimmung letzte Zweifel nicht ganz ausräumen. Es wurden folgende Formen unterschieden: χήν wird sowohl als Bezeichnung für die Haustierform (zur Hausgans s. u. Kapitel 4.3.1), wie auch für eine wildlebende Gans benutzt, angefangen bei den ältesten Quellen

44

bis in die Spätantike hinein66. Davon wird bei Aristoteles (hist. an. 7 (8), 593b 22; vgl. hist. an. 7 (8), 597b 30) eine kleinere Art unterschieden, die charakteristischerweise in größeren Trupps auftritt und folgerichtig als ὁ μικρὸς χὴν ὁ ἀγελαῖος bezeichnet wird. Beim Versuch der Zuordnung dieser Begriffe zu den heute bekannten Vögeln kommen vier Gänsearten in Betracht. Als Urform der aus ihr hervorgegangenen Hausgans ist die Graugans (Anser anser) das einzig sicher zuzuordnende Element. Ihre Domestikation (spätestens) brachte auch die Notwendigkeit der Benennung dieses Tieres mit sich. Als eine ähnlich große, ebenfalls grau gefärbte Gans stellt die Saatgans (Anser fabalis) jedoch ein zweites mögliches „Objekt“ für χήν dar. Im Falle der kleineren Form sind es die Blässgans (Anser albifrons) und die Zwerggans (Anser erythropus), die sich gegenseitig sehr ähnlich sehen, eine deutlich geringere Größe als die beiden erstgenannten Arten aufweisen und welche die Historia animalium (l. c.) möglicherweise meint. Alle vier Spezies treten im mittleren und östlichen Mittelmeerraum auf, zwar in unterschiedlicher Häufigkeit, in historischer Zeit aber immerhin regelmäßig (Bauer et al. 1969: 34–35; Glutz von Blotzheim 1990: 66–187). Auch die archäologischen Befunde bringen Nachweise dieser vier Gänsearten (Krönneck 1996: 231, 234; Tagliacozzo / Gala 2002: 119, 121; Tomek / Bocheński 2002: 135). Plinius’ Aussage, dass die Gänse auf dem Zug eine keilförmige Flugformation bilden (Plin nat. 10, 63), gibt ebenfalls keine genaueren Aufschlüsse, da vor allem die beiden größeren Arten typischerweise einen solchen Zugkeil bilden können. Sollte eine Bestimmung auf Artniveau also nicht möglich sein? Die Erfahrung bei der Untersuchung der Schwäne deutet eher in eine andere Richtung. Auf größere Distanzen und ohne optische Hilfsmittel sind die vier genannten Gänsearten auf Grund ihrer ähnlichen Färbung nur schwer, für den ornithologisch unerfahrenen Beobachter praktisch gar nicht unterscheidbar. In einem gemischten Trupp von Gänsen fällt höchstens ein Größenunterschied zwischen einzelnen Vögeln auf. Dies erklärt, warum eine Unterscheidung in eine Form großer und eine Form kleiner Gänse möglich war. Eine weitere Differenzierung anhand gefangener lebender oder toter Vögel wäre sicherlich möglich gewesen (es ist 66

Als Belegstellen hierfür mögen dienen: Hom. Il. XV, 692; Hom. Od. XV, 161 (interessant ist die Beobachtung, dass in der Ilias stets wilde, in der Odyssee nur zahme Gänse gemeint sind; vgl. hierzu Thompson 1936: 325); Aristoph. av. 521; Aristot. hist. an. 7 (8) 593b 22; Ath. IX, 384 (vgl. Gossen 1940b: 264); Ael. nat. anim. V, 54 (vgl. Gossen 1935: 168); Hesych., s. v. χῆνα ὀμνύειν (vgl. Gossen 1940a: 125).

45

immerhin unwahrscheinlich, dass ausgerechnet nur Graugänse ins Netz der Fänger geraten sein sollen), scheint jedoch unterblieben zu sein. Zu den möglichen Ursachen und Hintergründen später mehr. Mit χηναλώπηξ begegnet uns eine dritte Bezeichnung, die von verschiedenen Autoren so selbstverständlich und kaum ohne nähere Erläuterung benutzt wird, dass auch hier davon auszugehen ist, dass dem Leser des jeweiligen Werkes sowohl Begriff als auch der darunter verstandene Vogel bekannt gewesen sein müssen (etwa Hdt. II, 72; Aristot. hist. an. 7 (8), 593b 22). In der deutschsprachigen Literatur wird der Begriff mit „Fuchsgans“ wiedergegeben (Hünemörder 1998, s. v. „Gans“; Keller 1913: 226), was sprachlich dem griechischen Begriff zwar nahe kommt, ornithologisch aber nur unzureichend und ungenau ist. Die englische Bezeichnung Egyptian Goose (entspricht im Deutschen der Nilgans) wird u. a. von D’Arcy Wentworth Thompson (1936: 330) und D. M. Balme / Allan Gotthelf (1991: 109) benutzt. Damit wird man meines Erachtens aber nicht der Tatsache gerecht, dass auch andere Arten als nur die Nilgans gemeint sein könnten; auf diese Möglichkeit hat bereits Pollard (1977: 65) hingewiesen. Was erfahren wir über diese Gänse? Nach Herodot (l. c.) sind sie Vögel des Nils. Das beschränkt die möglichen Arten auf die Nilgans (Alopochen aegyptiaca), deren heutiges Vorkommen in Ägypten sich auf das südliche Niltal erstreckt (es ist aber durchaus möglich, dass in der Antike das gesamte Niltal Brutgebiet dieser Art war), auf die Rostgans (Tadorna ferruginea) und die Brandgans (Tadorna tadorna; beide Arten sind Wintergäste im Nildelta), sowie die Rothalsgans (Branta ruficollis), deren Auftreten am Nil durch ein ägyptisches Fresko aus dem dritten Jahrtausend v. Chr. belegt ist, auf welchem unzweifelhaft Rothalsgänse dargestellt sind; heute liegen die ostmediterranen Überwinterungsplätze dieser sibirischen Art nur noch im Bereich der nördlichen Ägäis und des Schwarzen Meeres (Walters 2003: 11; Glutz von Blotzheim 1990: 240–242; Sterry 2004: 36; Blomdahl et al. 2003: 130). Die Eier von χηναλώπηξ werden als die besten, nach denen des Pfaus, angegeben (Ath. II, 58b); dies zusammen mit der Beobachtung, dass diese „Fuchsgänse“ auch Windeier, also Eier mit nur dünner oder fehlender Schale, legen (Aristot. hist. an. 6, 559b 30), lässt darauf schließen, dass sie auch als Haustiere gehalten wurden; schließlich ist nicht anzunehmen, dass Eier in Nestern wildlebender Gänse untersucht wurden; im übrigen werden die „Fuchsgänse“ an erwähnter Stelle in einem Atemzug mit anderen als Haustiere gehaltenen

46

Vögeln genannt, wie Hühnern und Gänsen. Dies macht es wiederum unwahrscheinlich, dass χηναλώπηξ einzig die Nilgans mit ihrem Verbreitungsgebiet an der Peripherie (aus dem Blickwinkel des Themas dieser Arbeit betrachtet) der antiken griechischen Welt meint. Vielmehr erscheint es denkbar, dass weniger die von Aelian bescheinigte Gemeinsamkeit mit dem Fuchs, nämlich listiges (πανουργίαν, Ael. nat. anim. V, 30) Verhalten, Anlass zur Namensgebung waren – dieses doch sehr menschliche Attribut wäre sicherlich ebenso auf Dutzende anderer Arten übertragbar –, als vielmehr eine optische Ähnlichkeit. Dann käme neben der Nilgans auch wieder die Rostgans mit ihrer fuchsroten Färbung ins Spiel, die in fast ganz Kleinasien beheimatet war und ist und welche den Bewohnern Griechenlands und Kleinasiens wesentlich vertrauter gewesen sein dürfte als die ägyptische Gans. Sundevalls Aussage, dass die Nilgans „auch in Griechenland gefunden wird“ (1863: 154), dürfte sich lediglich auf Ausnahmeerscheinungen beziehen; jedenfalls gibt es keine Nachweise für ein derart regelmäßiges oder häufiges Auftreten in Südosteuropa und Kleinasien, dass mit der Kenntnis dieser Art bei der Bevölkerung dort gerechnet werden kann (vgl. Bauer et al. 1969: 36; Bauer et al. 2005, Bd. 1: 72–73; Nature World Wide 2005; Hellenic Ornithological Society 2000). Die Brandgans scheidet als „Ziel“ dieser kleinen Untersuchung wohl aus; sie kann optisch nicht mit etwas fuchsartigem in Verbindung gebracht werden. Sundevall (1863: 154) schreibt zwar, sie lege wie ein Fuchs ihr Nest in Erdhöhlen an, dies würde bei einer Aufzählung charakteristischer Eigenschaften des Fuchses allerdings kaum an erster Stelle zu nennen sein. Schließlich sind vielen Tierarten das Graben von Erdhöhlen und die Aufzucht der Jungen in selbigen gemein. Aristoteles hat bei seiner Aufzählung wesentlicher Unterschiede im Tierreich darauf hingewiesen, ohne den Fuchs zu erwähnen: ἔτι τοῖς τόποις τὰ μὲν τρωγλοδυτικά, οἷον σαύρα, ὄφις, τὰ δ᾿ ὑπέργεια, οἷον ἵππος, κύων (Aristot. hist. an. 1, 488a 23–25). Was die Rothalsgans betrifft, so könnte vermutet werden, dass sie möglicherweise aufgrund ihres auffälligen Äußeren bekannt war, als reiner Wintergast im ostmediterranen Raum wird sie aber wohl nicht als Haustier in Betracht zu ziehen sein; ich neige eher zu der Annahme, dass die Überwinterungsgebiete dieses Vogels bereits zu Beginn der hellenistischen Periode höchstens bis nach Thrakien reichten (also in etwa dem heutigen

47

Stand entsprechend), anderenfalls dürfte mit häufigeren und detaillierteren Beschreibungen in den antiken Quellen gerechnet werden, besonders bei Aristoteles, der ja im makedonisch-thrakischen Grenzgebiet aufgewachsen war und später einen längeren Aufenthalt auf Lesbos hatte. Wenn aber selbst er keine Nachricht über Rothalsgänse überliefert, die doch unter den Entenvögeln eine ganz besonders herausragend gemusterte Färbung aufweisen – jedenfalls, wenn man sie aus der Nähe betrachten kann (vgl. Blomdahl et al. 2003: 130) –, so darf wohl davon ausgegangen werden, dass sie im Bereich der nördlichen Ägäis zumindest kein häufiger, wahrscheinlich sogar ein äußerst seltener Anblick waren. Einzelne Rothalsgänse, die sich mitten in einem Trupp grauer Gänse aufhalten, fallen selbst dort nicht sofort auf, wenn man nicht gezielt ein jedes Individuum eines solchen Trupps in Augenschein nimmt (vgl. Maumary et al. 2007: 143; Blomdahl et al. 2003: 130–131; Svensson et al. 1999: 44–45). So mögen vielleicht eine geringe Anzahl dieser Art im Bereich Thrakiens und des Schwarzen Meeres überwintert haben, aber der Aufmerksamkeit der antiken Menschen entgangen sein. Was die Graugans bei den Gänsen, ist die Stockente (Anas platyrhynchos) bei den eigentlichen Enten. Auch sie stellt die Ursprungsart der Haustierform dar. Dementsprechend dient sie als Vergleichsgröße für die Beschreibung anderer Entenarten; ihr Name νῆττα (bzw. νῆσσα) erfüllt einen ähnlichen Zweck, er wird mit der Grundbedeutung „Ente“ sowohl für die Haus- wie auch für die Stockente verwendet. Denkbar ist auch, dass νῆττα als Grundbezeichnung für Enten diente, selbst wenn möglicherweise mehrere Arten gemeint waren. So spricht z. B. Aristophanes (av. 1148) allgemein von Enten und weist ihnen das Attribut περιεζωσμέναι zu. Hierbei könnte er sich auf das Gefieder des Stockerpels beziehen, welcher einen weißen Ring um den Hals aufweist, durch den der dunkelgrüne Kopf deutlich von der braunen Brust abgesetzt erscheint (vgl. Pollard 1977: 66). Ähnlich deutlich getrennt sind aber auch die Kopf- und Halspartien von Spießente (Anas acuta) oder Löffelente (Anas clypeata) und noch einiger anderer Arten (vgl. etwa Svensson et al. 1999). Auch bei den weiteren Entenarten, von denen wir in Kenntnis gesetzt werden, muss von Sammelbezeichnungen ausgegangen werden, die eher eine Formen- oder Artengruppe bezeichnen denn eine Art im heutigen Verständnis. Hierbei scheint eine Ähnlichkeit der ein-

48

zelnen Formen nur bedingt gegeben zu sein, wofür βοσκάς ein gutes Beispiel ist. Dieser Vogel soll nach Aristoteles (hist. an. 7 (8), 593b 17) nämlich kleiner, nach Alexander von Myndos (bei Ath. IX, 395d) aber größer als νῆττα sein, jedoch gibt es seiner Auskunft nach mehrere Formen von βοσκάς (wodurch die These der Benutzung als Sammelbezeichnung gestützt wird). Gehen wir zunächst auf diese Textstelle ein. Hier heißt es weiterhin, dass die Art kleiner als χηναλώπηξ sei. Entsprechende Maße weisen einzig die Spießente und der Gänsesäger (Mergus merganser) auf, welcher aber nur ein unregelmäßiger Wintergast in Griechenland und im weiteren Mittelmeerraum spärlich verbreitet ist (Bauer et al. 1969: 40; Glutz von Blotzheim 1992: 462–463, 466–471). Mit seinem für entenartige Vögel ungewöhnlich gestalteten Schnabel darf vermutet werden, dass eine Bezeichnung oder Beschreibung dieses Vogels eher hierauf angespielt hätte als auf eine „mittlere“ Größe67. So bleibt als einzig sinnvolle Zuordnung zur größeren βοσκάς die Spießente (vgl. Hünemörder 1997, s. v. „Ente“). Hans Gossens Ansicht (1940b: 418), es handle sich um die Kolbenente (Netta rufina), ist zu widersprechen. Wie die Textstelle bei Athenaeus sagt, ist das Männchen κατάγραφος, der Schnabel aufgewölbt und verhältnismäßig klein. Das Gefieder der männlichen Kolbenente ist tatsächlich sehr „bunt“, wie Gossen κατάγραφος übersetzt. Eine Interpretation im Sinne von „markant gezeichnet“ scheint dem Wort näher zu kommen und träfe auf die Kopfzeichnung der Spießente zu. Beide Arten haben geringfügig kleinere Schnabelmaße als die Stockente, das Merkmal „aufgewölbt“ tritt aber auf Grund der Schnabelfärbung bei der Spießente wesentlich deutlicher zutage als bei der Kolbenente. Dies in Verbindung mit der Größenangabe schließt die Kolbenente aus. Bei der Bestimmung der Arten, welche sich hinter den Bezeichnungen πηνέλοψ und γλαύκιον verbergen, hat sich die Forschung bisher zu keinem eindeutigen Ergebnis durchringen können. Dies ist umso unverständlicher, als verschiedentlich Lösungsansätze und logische Gedankengänge dargelegt worden sind; diese führte man dann aber nicht konsequent zu Ende (etwa Pollard 1977: 66; Gossen 1940b: 418; Hünemörder 1997, s. v. „Ente“). Die antike Literatur gibt uns mit ποικίλος, ποικιλόδειροι τανυσίπτεροι und νήττῃ μέν ἐστιν ὅμοιον, περιστερᾶς δὲ μέγεθος (vgl. Thompson 1936: 248) Attribute von πηνέλοψ an die Hand, welche sich ganz offensichtlich nur auf die Krickente Anas

67

Vgl. Anm. 71.

49

crecca beziehen können. Andere Aussagen in der Literatur lassen jeweils mindestens eine der erwähnten Eigenschaften außer Acht. Für γλαύκιον ist Pollard (l. c.) zuzustimmen, welcher hiermit die Moorente (Aythya nyroca) bezeichnet sieht. Zu der bei Aristoteles (hist. an. 7 (8), 593b 23) erwähnten Art αἴξ lassen sich lediglich Vermutungen anstellen (Thompson 1936: 30 und 249); weil jedoch kaum Details genannt werden, kann keine exakte Identifizierung vorgenommen werden. 3.1.2 Langbeinige und langhalsige Vögel Mit langen Beinen und langem Hals fällt man auf. Weist das Gefieder dann noch auffällige Farben auf, wie etwa beim Flamingo, ist es mit der „Heimlichkeit“ vorbei. Auch wenn der Flamingo (genauer: der Rosaflamingo Phoenicopterus roseus) nur punktuell Brutvogel im ägäischen Raum ist (nämlich an der Westküste Kleinasiens; vgl. Porter et al. 2004: 22) und nicht mit Masseneinflügen dort einfällt, so ist und war er doch immer wieder in der gesamten Region zu beobachten, auch schon in der Antike (Jánossy 1994: 45; Krönneck 1996: 231; Bauer et al. 1969: 33–34). Sicherlich wird nicht nur der Alexanderhistoriker Kleitarchos (FGrH 137 F 21) auf dem Zug durch das persische Gebiet von den rosafarbenen Schwärmen beeindruckt gewesen sein; andere Reisende, Kaufleute wie Historiker, mögen ebenso von diesem φοινικόπτερος in der Heimat berichtet haben. Jedenfalls hat Aristophanes ihn bei seinem Publikum als mehr oder weniger bekannt voraus gesetzt (av. 270–273). Folgende weitere Arten lassen sich relativ problemlos identifizieren: γέρανος, der Kranich (Grus grus), findet bereits bei Homer Erwähnung, wo besonders auf die trompetenartigen Rufe dieser Vögel Bezug genommen wird, die sie auch auf dem Zug von sich geben. Somit liegt hier auch eines der ersten Zeugnisse für das Wahrnehmen des Vogelzuges vor (vgl. Kraak 1940: 11): ἠύτε περ κλαγγὴ γεράνων πέλει οὐρανόθι πρό, αἵ τ’ ἐπεὶ οὖν χειμῶνα φύγον καὶ ἀθέσφατον ὄμβρον, κλαγγῇ ταί γε πέτονται ἐπ’ Ὠκεανοῖο ῥοάων

50

ἀνδράσι Πυγμαίοισι φόνον καὶ κῆρα φέρουσαι (Hom. Il. III, 3–6) Was die hier erwähnten Pygmäen betrifft, so geraten wir wiederum ins Reich der Mythen- und Legendenbildung. Doch davon soll an anderer Stelle die Rede sein. Auf einen kleineren Kranich wird nur in wenigen Quellen Bezug genommen. Plinius (nat. 10, 135) erwähnt eine solche Form von den Balearen. Er kann damit nur den Jungfernkranich (Grus virgo) gemeint haben, von dem sich bis Ende des 20. Jahrhunderts eine Population im Maghreb hielt, deren Individuen in moderner Zeit nachweislich auch immer wieder bis auf die iberische Halbinsel gelangten (Bauer et al. 2005, Bd. 1: 377; Glutz von Blotzheim 1994a: 609–611). Für die Antike darf angenommen werden, dass sich das Verbreitungsgebiet dieser Art wesentlich größer gestaltete und sie den Menschen jener Zeit ebenso wie der größere Kranich zumindest vom Anblick her vertraut war (aktuell besteht ein Brutgebiet in der Osttürkei; vgl. Porter et al. 2004: 66). Dies wird durch antike Darstellungen untermauert, die Kraniche mit langen weißen Federbüscheln hinter den Augen darstellen, wie sie für den Jungfernkranich – im Gegensatz zum Kranich – kennzeichnend sind (vgl. etwa die Darstellung eines Vasenbildes bei Keller 1913: 164). Auch Plinius nimmt darauf Bezug: cirros […] quoque […] grui Balearicae (Plin. nat. 11, 122). Wie die Kraniche, so ziehen auch Weiß- (Ciconia ciconia) und Schwarzstorch (Ciconia nigra) über die Winterzeit in wärmere Gefilde. Beide Störche sind zwar relativ nahe miteinander verwandte Arten, legen aber in der Wahl des Biotops und hinsichtlich des Verhaltens gegenüber Menschen völlig unterschiedliche Muster an den Tag. Der Weißstorch war bereits in der Antike ein ausgesprochener Kulturfolger, der damals wie heute in der Nähe von Siedlungen zu beobachten war, etwa auf Äckern und Feldern bei der Jagd; hierzu ist folgende Stelle bei Plinius höchst interessant: honos iis serpentium exitio tantus, ut in Thessalia capital fuerit occidisse eademque legibus poena, quae in homicidam (Plin. nat. 10, 62). Die Tatsache, dass die antiken Autoren relativ wenig über Aussehen und natürliches Verhalten des πελαργός berichten, darf nicht zu der Annahme verleiten, er sei wenig bekannt gewesen. Vielmehr zeigt sein Auftreten in legendenhaften Geschichten, im Bereich der Volkssagen (vgl. Thompson 1936: 223–225; Unte 1987: 10–13) und in Spe-

51

kulationen über seinen Winteraufenthalt (nach Aristoteles hist. an. 7 (8), 600a 20 verbringt der Storch die Zeit versteckt, möglicherweise in einer Art Winterschlaf), dass Mensch und Weißstorch bereits seit vielen Generationen neben- und miteinander gelebt haben, was auch durch die Wertschätzung dieser Vögel eindrucksvoll demonstriert wird, die uns die erwähnte Stelle bei Plinius zeigt. Ganz anders die Situation beim Schwarzstorch: als ein sehr scheuer Vogel, der in dichten Waldgebieten brütet, scheint er nicht nur farblich, sondern auch in seinem Verhalten das Gegenstück zum Weißstorch zu sein. Die Folge davon schlägt sich in der Literatur nieder – oder genauer gesagt: sie schlägt sich nicht nieder, denn es findet sich kein einziger Hinweis auf eine schwarze Form des πελαργός. Durchaus mögen Schwarzstörche auf ihrem Zug gesehen, aber eben nicht als solche bestimmt worden sein; das muss nicht weiter verwundern, denn in ziemlicher Höhe fliegende Störche sind ohne optische Hilfsmittel nur selten zweifelsfrei einer der beiden Arten zuzuordnen. Die Reiher stellen eine formenreiche Gruppe dar. Eine Vielzahl an Namen und Bezeichnungen für diese Vögel stellt den modernen Leser der antiken Texte vor die Aufgabe, die jeweils für eine bestimmte Art zutreffenden Wörter herauszufiltern und sich so ein strukturiertes und differenzierendes Gesamtbild der damals wahrgenommenen Reiherarten zu zeichnen68. Dies wird am ehesten gelingen, wenn man sich zunächst auf jene Merkmale konzentriert, die am augenfälligsten sind und als solche auch in den Quellen betont werden. Zum Beispiel Aristoteles’ Vergleich zweier Reiher (hist. an. 7 (8), 593b 1–3): οἷον περί τε τὰς λίμνας καὶ τοὺς ποταμοὺς ἐρωδιὸς καὶ ὁ λευκερωδιός· ἔστι δ’ οὗτος τὸ μέγεθος ἐκείνου ἐλάττων καὶ ἔχει τὸ ῥύγχος πλατὺ καὶ μακρόν. Letzterer lässt sich aufgrund dieser deutlichen Aussage als der Löffler (Platalea leucorodia) identifizieren. Der erstgenannte Vogel trägt also kein weißes Gefieder; in Verbindung mit der Stelle Aristot. hist. an. 8 (9), 609b 22, wo einer als πέλλος bezeichnet wird, darf man dahinter sowohl den Graureiher (Ardea cinerea), als auch den Purpurreiher (Ardea purpurea) vermuten; möglicherweise wurde kein Unterschied zwischen diesen Arten gemacht, die beide relativ dunkel gefärbt sind und eine ähnliche Färbungsstruktur aufweisen (vgl. Svensson et al. 1999: 34–35). Außer dieser Form nennt Aristoteles hier zwei 68

Zur Vielfalt der Bezeichnungen vgl. Hünemörder (2001), s. v. „Reiher“; Pollard (1977): 68; Thompson (1936): 102–104, s. v. „ἐρωδιός“, hier auch die Verweise auf weitere Lemmata; Gossen (1935): 320; Gossen (1940b): 417; Keller (1913): 202.

52

weitere Reiherarten, nämlich ὁ λευκὸς καὶ ὁ ἀστερίας καλούμενος. Dieser letztere, „fleckige“ oder „gefleckte“ Vogel wurde mit der Rohrdommel (Botaurus stellaris) identifiziert (Hünemörder 2001, s. v. „Reiher“; Sundevall 1863: 150–151). Obwohl auch andere Reiherarten ein fleckiges Gefieder aufweisen können, besonders im Jugendkleid (z. B. Zwergdommel Ixobrychus minutus oder Nachtreiher Nycticorax nycticorax), so sprechen doch folgende Überlegungen für die Richtigkeit der zuerst erwähnten Identifizierung: wenn die unscheinbarer gefärbten Jungvögel von Zwergdommel oder Nachtreiher derart wahrgenommen worden wären, dass einzelne Gefiedermerkmale den Ausschlag zur Namensgebung gegeben hätten, so würde man doch erst recht die Beschreibung der Altvögel im Text vermuten dürfen, und dann hätte Aristoteles diese sicher als weitere Arten oder Formen genannt. Noch deutlicher tritt dies durch Betrachtung der Merkmale zu Tage, welche ἀστερίας zugewiesen werden: ὁ δ’ ἀστερίας ὁ ἐπικαλούμενος ὄκνος […] ἔστι δὲ κατὰ τὴν ἐπωνυμίαν τούτων ἀργότατος (Aristot. hist. an. 8 (9), 617a 5– 7). Sundevall (1863: 151) übersetzt folgendermaßen: „Aber der Fleckige (Asterias, lat. Stellaris), der auch der Faule (οκνος, Ocnos) genannt wird, ist […] der Faulste von diesen.“ Auch in der englischen Übersetzung von Balme / Gotthelf (1991: 283–285) wird den negativ besetzten Übersetzungsvarianten von ὄκνος („faintheart“) und ἀργότατος („idlest“) der Vorzug gegeben. Doch warum sollte ein Vogel „faul“ und „träge“ sein? Woran erkennt man „Faulheit“ bei einem wilden Tier? Der Text ergibt eher einen Sinn, wenn man hinter ὄκνος „Zögern“ im Sinne von „Scheu“ erkennt, ebenso wie hinter ἀργότατος „untätig“ im Sinne von „ruhig dastehend“. Damit werden zwei besondere Verhaltensweisen der Rohrdommel beschrieben, nämlich zum einen, dass sie tagsüber die Deckung des Schilfgebietes nur in Zwangslagen verlässt, zum anderen, dass bei Beunruhigung eine so genannte „Pfahlstellung“ eingenommen wird und der Vogel in solcher mitunter stundenlang verharrt. Das Einnehmen einer Pfahlstellung ist zwar auch von anderen Reiherarten bekannt, das Merkmal der Scheu wäre aber bei jenen nicht so hervorzuheben wie bei der Rohrdommel (vgl. Niethammer 1966: 361–363; 372–375; 383– 385). Aristoteles berichtet direkt anschließend von einem Vogel φῶυξ (hist. an. 8 (9), 617a 9); da im gesamten Absatz von Reihern die Rede ist, von denen Aristoteles drei Arten kennt, darf φῶυξ aller Wahrscheinlichkeit nach als eine andere Bezeichnung für eine

53

dieser drei Arten gesehen werden. Für welche genau, muss offen bleiben (textlich ging die Erwähnung der Rohrdommel unmittelbar voraus). So bleibt noch die Identität des weißen Reihers zu klären. Da keine Größenangaben gemacht werden, kann man davon ausgehen, dass das bereits bekannte Muster der Wahrnehmung auch hier zum Tragen kommt: Zwei Reiherarten mit nahezu reinweißem Gefieder, nämlich der in der Größe mit dem Graureiher vergleichbare Silberreiher (Casmerodius albus) und der deutlich kleinere Seidenreiher (Egretta garzetta), werden bei Aristoteles als nur eine, farblich von den anderen Reihern deutlich abweichende Form abgegrenzt (vgl. Hünemörder 2001, s. v. „Reiher“; Sundevall 1863: 151). Ein anderer Reiher mit weißem Gefieder, der Kuhreiher (Bubulcus ibis), weist heute in dem für uns relevanten Gebiet eine Verbreitung nur entlang der östlichsten Mittelmeerküste sowie auf Zypern auf. Möglicherweise lagen die Verhältnisse in der Antike recht ähnlich, so dass dieser Vogel mit seinem so besonderen Verhalten – er hält sich in teilweise großer Zahl mitten zwischen Weidevieh, nicht selten sogar auf dessen Rücken auf, um aufgescheuchte Insekten zu fangen oder um Parasiten von der Haut des Viehs abzulesen – zwar bei Aristoteles nicht extra hervorgehoben wird, weil ihm dieser auffällige Vogel vielleicht nur als „weißer Reiher“ geschildert worden war, er selbst aber nicht die Gelegenheit hatte, etwa in Phönikien oder auf Kypros eigene Beobachtungen zu machen; von ebendieser Insel gibt es jedoch Darstellungen auf Krateren, die Vögel auf dem Rücken von Stieren zeigen. Benton (1961: 44) hat zu Recht betont, dass es sich hierbei um Kuhreiher handeln müsse; ob sich die in anderen Quellen verwendete Bezeichnung φρυγί(λ)λος auf diese Art bezieht, wie die Autorin darzustellen versucht (l. c.: 46–48), ist meiner Meinung nach fragwürdig, lassen doch die von ihr erwähnten Textstellen gewissen Interpretationsspielraum (etwa Aristoph. av. 763: Henderson (2000: 123) übersetzt φρυγίλος als „pigeon“). 3.1.3 Tauchende Vögel Zu den spektakulärsten Vogelbeobachtungen zählen sich ins Wasser stürzende Seeschwalben. Manche Arten vollführen dies aus zehn oder noch mehr Metern Höhe (Glutz von Blotzheim 1999b: 755; 896; Malling Olsen / Larsson 1995: 19, 128 u. a.). Der Vorgang dieses Stoßtauchens wird bereits von Dionysius eindrucksvoll beschrieben:

54

Ὄρνις δέ τις ἄλλος ἔστιν, βραχὺς μὲν ὡς οἱ τῶν λάρων ἐλάσσονες, ἰσχυρὸς δὲ καὶ τὴν χροιὰν λευκὸς καὶ τοῖς τὰς φάσσας ἀναιροῦσιν ἱέραξι προσόμοιος, ὃς ὀνομάζεται καταράκτης· τῶν νηχομένων γάρ τιναϛ τηρήσας ἰχθύων – ὁρᾷ δὲ καὶ μέχρι τοῦ τῆς θαλάσσης βυθοῦ – πρὸς ὕψος ἑαυτὸν αἴρει καὶ τὰ πτερὰ πάντα συστείλας εἰς τὸν πόντον, οἷα πίπτων ἵεται, διατεμὼν τὸν ἀέρα – παντὸς ἂν εἴποι τις βέλους ὀξύτερον – καὶ καταδύεται μέχρις ὀργυιᾶς ἢ καὶ πλέον· (Dion. ixeut. II, 3) Die Forschung hat geklärt, dass die Bezeichnung καταρράκτης hier für Seeschwalben steht; für welche Seeschwalbenart oder -arten genau, lässt sich allerdings nicht ergründen (Anderson 1972; Anderson 1976; Pollard 1977: 73–74; Hall 1979). Aristoteles erwähnt zwar den tauchenden καταρράκτης (zum Beispiel hist. an. 8 (9), 615a 28), doch nennt er ihn bei den Vögeln ohne Schwimmhäute, was nicht den realen Gegebenheiten entspricht. So gibt zwar J. K. Anderson zu Recht zu bedenken: „the web-footed tern cannot be the Cataractes of Aristotle“ (1972: 171), doch scheint gerade das Thema „Schwimmhäute“ nicht zu den Stärken des Aristoteles zu zählen, wie wir noch sehen werden. Auch Sundevall (1863: 157) sieht den Namen καταρράκτης bei Aristoteles nicht für die Seeschwalben gebraucht, sondern er erkennt darin die Zwergscharbe (dazu unten mehr). Möglicherweise bezeichnen auch κήξ (Hom. Od. XV, 479) und καυάξ Seeschwalben (vgl. Thompson 1936: 133–134, 139; Benton 1972: 172). Optisch weniger spektakulär, dafür jedoch heute wie auch schon in der Antike beeindruckend, sind die Tauchleistungen weiterer Vogelarten. Der Zwergtaucher (Tachybaptus ruficollis) beispielsweise, im ägäischen Raum vielerorts Brutvogel oder zumindest nicht seltener Durchzügler (vgl. Bauer et al. 1969: 23), vermag trotz seiner vergleichsweise geringen Größe über 30 Sekunden unter Wasser zu bleiben und erreicht dabei Tiefen von über sechs Metern (Niethammer 1966: 155). So lesen wir bei Athenaeus nicht nur über das „schwärzlich-schmutzige“ Aussehen dieses κολυμβίς, des „kleinsten der Wasservögel“,

55

sondern erfahren auch: τὰ δὲ πολλὰ καταδύεται (Ath. IX, 395d) – eine insgesamt treffende Beschreibung des Zwergtauchers. Auf den Umstand, dass die Namensgebung κολυμβίς (bzw. κόλυμβος) sich eher auf einen Tauchervogel bezieht als etwa auf die Taube (lat. columba), hat die Sprachforschung hingewiesen (Lockwood 1990: 261). Hünemörders Zweifel (s. v. „Taucher“), ob die Gruppe der Taucher in der Antike bekannt gewesen sei, sind für den Zwergtaucher jedenfalls ungerechtfertigt.69 Sie müssen allerdings für andere Arten aufrecht erhalten werden, da für sie keine solch deutlichen Beschreibungen vorliegen. So bleiben die Identifizierungen von θρᾷξ als dem Haubentaucher und von δυτῖνος als dem Schwarzhalstaucher hypothetisch (Anderson 1972: 171; Pollard 1977: 70); auch andere Arten wurden für beide Bezeichnungen ins Spiel gebracht, was aber zu keiner Erhellung führte (Benton 1972; Buxton 1974; Anderson 1976). Für den Wasservogel οὐρία (Ath. IX, 395d–e) bleibt ebenfalls ungeklärt, ob sich dahinter ein Taucher verbirgt.70 Schwarzes Gefieder, selten einzeln auftretend, bereits von weitem zu erkennen – diese Attribute treffen nicht nur auf einige der bekanntesten der paläarktischen Rabenvögel (Rabe, Krähe, Dohle) zu, sondern auch auf die „Raben des Meeres“, wie Kormorane und deren engere Verwandtschaft in vielen Sprachen bezeichnet werden (vgl. Suolahti 2000: 393–397). Ja, diese Merkmale waren bereits in der Antike offenbar derart augenscheinlich, dass sich im Altgriechischen nicht einmal eigene Bezeichnungen für die Kormorane durchsetzen konnten, sondern die Begriffe für „Rabe“, „Krähe“ und „Dohle“ entsprechend auf die Meeresvögel übertragen wurden, was dazu führt, dass der Kontext, in welchem eines jener Wörter auftaucht, darüber Aufschluss geben muss, ob der Autor über Kormorane oder Rabenvögel spricht. Aristoteles beschreibt den eigentlichen Kormoran (Phalacrocorax carbo) ausführlich: […] καὶ ὁ καλούμενος κόραξ· οὗτος δ’ ἐστὶ τὸ μὲν 69

Vgl. auch den archäologischen Nachweis für das antike Armenien bei Manaseryan / Balyan 2002: 406. Vgl. Thompson (1936): 220; Hünemörder (2002), s. v. „Taucher“. Die Stelle bei Athenaeus sagt, dass der gesuchte Vogel nur geringfügig kleiner als eine Stockente sei, von dunkler (brauner) Farbe und mit einem langen, dünnen Schnabel. Versuche zur Identifizierung müssen schon deshalb scheitern, weil nicht einmal klar ist, ob es sich hier um einen Entenvogel oder sonstigen Wasservogel handelt; lediglich aus dem Kontext (an jener Stelle werden Enten und Taucher erwähnt) kann vermutet werden, dass es sich ebenfalls um eine tauchende Art handelt. 70

56

μέγεθος οἷον πελαργὸς πλὴν τὰ σκέλη ἔχει ἐλαττω, στεγανόπους δὲ καὶ νευστικός, τὸ δὲ χρῶμα μέλας· καθίζει δὲ οὗτος ἐπὶ τῶν δένδρων καὶ νεοττεύει ἐνταῦθα μόνος τῶν τοιούτων. (Aristot. hist. an. 7 (8), 593b 18–22) Alles in allem eine präzise Beobachtung. Und so, wie dieser größte der Kormorane den Namen des größten der Rabenvögel, nämlich κόραξ erhält, steht κολοιός sowohl für die Dohle, den kleinsten der schwarzen Rabenvögel, als auch für die kleinste Kormoranart, die Zwergscharbe (Phalacrocorax pygmeus), für die somit möglicherweise eine zweite Bezeichnung neben καταρράκτης (laut Sundevall; s. o.) überliefert ist. Es ist dann nur folgerichtig, in der Bezeichnung κορώνη für die in der Größe zwischen Rabe und Dohle stehenden Krähe auch den Namen für die mittelgroße Kormoranart, die Krähenscharbe (Phalacrocorax aristotelis), zu erkennen; zur Unterscheidung von der Krähe erscheint an manchen Textstellen auch die mit erklärendem Zusatz versehene Bezeichnung κορώνη ἡ θαλάσσιος (vgl. die Verweise auf mehrere Textstellen bei Thompson 1895: 100; in der zweiten Auflage legt sich Thompson allerdings fälschlicherweise auf eine Sturmtaucherart fest; Thompson 1936: 172–173). Leider finden sich für Krähen- und Zwergscharbe keine so exakten Beschreibungen in der überlieferten Literatur, wie sie Aristoteles für den Kormoran gibt. Die Tatsache aber, dass die drei Wörter für die schwarzen bzw. schwarz-grauen Rabenvögel ebenfalls jeweils einen Meeresvogel benennen, deutet doch schon sehr auf die beiden anderen Kormoranarten. Einzelne Textstellen bestätigen diesen Gedankengang; jedenfalls lassen sie aus meiner Sicht keine sonstige sinnvolle Interpretation zu. Untersuchen wir dies zunächst für die Zwergscharbe: Einen mit Schwimmhäuten versehenen κολοιός, welcher ein Vogel Lydiens und Phrygiens sei, erwähnt Aristoteles (hist. an. 8 (9), 617b 19). In der Tat ist die Zwergscharbe im Gegensatz zu den beiden anderen Kormoranarten stärker in Kleinasien als in Griechenland verbreitet (vgl. Niethammer 1966: 244–245, 274, 276). Es wäre zwar erstaunlich, aber nicht unmöglich, wenn sich hinsichtlich der Verbreitung in über zweitausend Jahren kaum etwas geändert hätte. Dass es sich um einen Wasservogel handelt, bestätigt die Textstelle Ath. IX, 395e.

57

Was κορώνη betrifft, so wird sie bereits bei Homer als Meeresvogel dargestellt (Od. V, 66), und schon Thompson vermutete: „It may be another name for the Cormorant“ (1895: 100; dies gilt allerdings nur für die erste Auflage; zu seiner geänderten Auffassung in der zweiten Auflage siehe das oben Gesagte); dem wäre lediglich entgegenzusetzen, dass es eben nicht der Kormoran, sondern ein Kormoran, nämlich die Krähenscharbe ist. Es ist allerdings ebenso wahrscheinlich, dass eine Unterscheidung zwischen Kormoran und Krähenscharbe nur aus relativer Nähe möglich war. Oder es waren beide Arten gleichzeitig zu beobachten, so dass dann der Größenunterschied auffiel. In dieser Tatsache schlägt sich nun wiederum eine Verwischung der Abgrenzung beider Namen bzw. Arten nieder; es mag also für nicht wenige Menschen üblich gewesen sein, die Begriffe synonym für eine Art zu benutzen, möglicherweise die beiden größeren Kormoranarten gar nur als eine Form zu kennen. Ob eventuell regionale Unterschiede in der Zuordnung und Unterscheidung der Kormorane vorhanden waren, lassen die Quellen nicht erkennen. Folglich ist jeder Versuch zur Identifizierung von κορώνη und κόραξ genauestens anhand des Kontextes zu prüfen. Eine weitere auffällige Formengruppe sind die Sturmtaucher, im östlichen Mittelmeerraum vor allem durch die Arten Mittelmeer-Sturmtaucher (Puffinus yelkouan) und Gelbschnabel-Sturmtaucher (Puffinus diomedea) vertreten. Es sind Koloniebrüter, die auch beim Fischfang oft in größeren Gruppen auftreten. Trotz ihrer wenig heimlichen Lebensweise finden sich in den antiken Quellen keine eindeutigen Angaben, welche eine Identifikation möglich machten. Das Zusammenfügen einzelner Hinweise und Andeutungen formt schließlich dennoch ein Bild, welches sehr wahrscheinlich die Sturmtaucher widerspiegelt, wie sie von den antiken Autoren gesehen wurden. Im Mittelpunkt steht hierbei der Vogel mit Namen χαραδριός. Aristoteles zählt ihn zu denjenigen Seevögeln, welche keine Schwimmhäute besitzen (Aristot. hist. an. 7 (8), 593a 25 – 593b 15) – letzteres ist ein Irrtum, der aber nur vergleichsweise wenig wiegt, denn an gleicher Textstelle gesteht er auch den Möwen keine Schwimmhäute zu; es scheint so, als habe sich Aristoteles hier auf die Berichte anderer verlassen, ohne die Fakten selbst zu überprüfen. Nicht zu den Seevögeln, sondern zu den Flussvögeln wird er von Aristophanes gezählt (Aristoph. av. 1140); das muss kein Widerspruch zur Aristoteles-Stelle sein, finden sich doch Sturmtaucher immer wieder an Flussmündungen ein, besonders wenn sich dort eine Fischansammlung befindet; manche werden auch weit ins Binnenland verschlagen, wo sie

58

dann ihre Nahrung fast ausschließlich in Flüssen oder süßwasserhaltigen Seen finden können (Niethammer 1966: 179–204; Bauer et al. 1969: 24–26); zudem mag für den Dichter die Zuordnung des χαραδριός zum Element Wasser, das es an jener Stelle der Komödie zu transportieren galt, eher von Bedeutung gewesen sein als die Frage, ob es sich hierbei um Salz- oder Süßwasser handeln sollte. Die deutlichsten Hinweise erhalten wir wiederum von Aristoteles: τὰς δ’ οἰκήσεις οἱ μὲν περὶ τὰς χαράδρας οἱ δὲ χηραμοὺς ποιοῦνται καὶ πέτρας, οἷον ὁ καλούμενος χαραδριός· ἔστι δ’ ὁ χαραδριὸς καὶ τὴν χρόαν καὶ τὴν φωνὴν φαῦλος, φαίνεται δὲ νύκτωρ, ἡμέρας δ’ ἀποδιδράσκει. (Aristot. hist. an. 8 (9), 614b 35 – 615a 3) Vom Brüten in Schluchten oder Spalten also hat dieser Vogel seinen Namen; ein Verhalten, das auch auf die genannten Sturmtaucher zutrifft. Eine weitere Übereinstimmung liegt in dem Phänomen, tagsüber auf Nahrungssuche zu sein und erst nach Einbruch der Dämmerung an die Brutplätze zu kommen. Und schließlich Farbe und Stimme: Mittelmeer- und Gelbschnabel-Sturmtaucher haben eine helle, schmutzigweiße Unterseite und eine graubraune Oberseite; ihre unmelodiöse Stimme lassen sie nur zur Brutzeit an den Brutorten ertönen. (Niethammer 1966: l. c.). Keine andere Vogelart kommt dem hier beschriebenen Muster näher als die Sturmtaucher, wobei eine Differenzierung auf Artniveau nicht möglich scheint. Dass χαραδριός eine „ausschließlich literarische Existenz“ (Kehl 1986: 586–587) sei, berücksichtigt meines Erachtens die Quellen nicht ausreichend.71

71

Man wollte in den Sturmtauchern auch die Diomedischen Vögel erkannt haben (Pollard 1977: 101; Scholfield 1958: 15), basierend v. a. auf Plin. nat. 10, 126–127, wo den Vögeln die Eigenschaft zugesprochen wird, Bruthöhlen zu graben. Dies kommt der dargestellten Bevorzugung von Schluchten und Spalten durch die genannten Arten ziemlich nahe. Eine weitere Art, die in Höhlungen brütet, ist die Brandgans (vgl. König 1986: 178), die ihre Höhlen nicht selbst gräbt (Bauer et al. 2005, Bd. 1: 76). Interessanter ist in diesem Zusammenhang sicherlich die Betrachtung des Gänsesägers (Mergus merganser): er baut nicht nur sein Nest in Höhlen aller Art, sondern besitzt darüber hinaus einen leuchtend roten, gezahnten Schnabel bei weitgehend weißlicher Körperfärbung – eine Analogie zur Plinius-Stelle, wo es heißt (10, 126): eis esse dentes oculosque igneo colore cetero candidis tradens. Der Gänsesäger ist heute zwar nur spärlich im Mittelmeerraum verbreitet, scheint aber früher ein größeres Areal besiedelt zu haben (Glutz von Blotzheim 1992: 457–481; Bauer et al. 2005, Bd. 1: 141–144; Svensson et al. 1999: 68–69).

59

Eine Textstelle bei Poseidippos, die von Wolfgang Luppe (2002) näher untersucht wurde, soll hier nicht unerwähnt bleiben: Wenn Luppe die fragmentarisch überlieferte Textstelle richtig rekonstruiert hat, so ist die Rede von einem weiteren Tauchvogel αἴθυια, einem schwarzen Meeresvogel, dessen Erscheinen (begleitet von seinen „ὄκκυ-Rufen“72) einen guten Fischfang verspricht. Die schwarze Farbe scheint wieder auf einen der größeren Kormorane hinzuweisen, andererseits können auch die Sturmtaucher auf Entfernung sehr dunkel wirken, und sie bilden große Ansammlungen bei Kleinfischschwärmen (Bauer et al. 2005, Bd. 1: 222), was den Fischern wohl tatsächlich einen guten Fang signalisierte. Beim Versuch, diesen Vogel zu identifizieren, sind auch die weiteren Erwähnungen in den Quellen nur bedingt von Nutzen: Aus der Odyssee erfahren wir, dass αἴθυια ein Tauchervogel ist (Hom. Od. V, 337, 353), von Aristoteles, dass man ihn am Meer antrifft (Aristot. hist. an. 7 (8), 593b 15). Am detailreichsten ist eine Stelle im gleichen Werk, welche uns berichtet, αἴθυια lege bei Frühlingsbeginn zwei bis drei Eier, wobei sich der Brutplatz auf Felsen in Meeresnähe befinde (Aristot. hist. an. 5, 542b 17–20). Gleich mag man bei diesen Worten wieder an die Sturmtaucher denken, doch ist die „Beweislage“ zu dünn für eine genauere Bestimmung.

Auch all denjenigen, welche in χαραδριός den Goldregenpfeifer (Pluvialis apricaria) erkannt haben wollen (so z. B. Keller 1913: 179–180; Arndt 1925: 57–58), ist eindeutig zu widersprechen. Jene vermeintlichen Artbestimmungen stützen sich vor allem auf die Erzählungen, wonach ein an Gelbsucht Leidender diese Krankheit beim Anblick eines χαραδριός auf denselben übertragen kann. So gut die goldgelben Gefiederpartien des Goldregenpfeifers auch zur „gelben Krankheit“ passen mögen, so sprechen die genannten Textstellen bei Aristophanes und besonders bei Aristoteles doch eine deutlichere Sprache. Der Goldregenpfeifer ist und war ein Brutvogel hauptsächlich des nördlichsten Eurasien, welcher nur als Wintergast oder Durchzügler im Mittelmeerraum vorkommt (Message / Taylor 2005: 144–145; Beaman / Madge 2007: 309–310; Glutz von Blotzheim 1999a: 335–338, 340–344; Bauer et al. 1969: 64; Bauer et al. 2005, Bd. 1: 428–429). Somit kann ein Wissen über die Brutplätze und Brutgewohnheiten dieses Vogels bei den alten Griechen nicht vorhanden gewesen sein. Die erwähnten Brutplatzpräferenzen schließen auch Arten wie Triel (Burhinus oedicnemus) oder Kalanderlerche (Melanocorypha calandra) aus, zwei Arten, die ebenfalls als Kandidaten für den χαραδριός genannt wurden (vgl. Arndt 1925: 57) und die auch relativ häufig in Südosteuropa und Kleinasien auftreten (auch als Brutvögel), aber welche eben nicht den Merkmalen des χαραδριός in den antiken Quellen entsprechen (Bauer et al. 2005, Bd. 1: 413–416, Bd. 2: 123–125). 72 Luppe (2002: 209) schreibt, ihm sei durch den Ornithologen E. Bezzel mitgeteilt worden, dass ein solches Rufen von keinem Tauchvogel bekannt sei. Vgl. aber Niethammer (1966: 181, 196 und 204), wo die Laute von Sturmtauchern u. a. wiedergegeben werden mit „ka-ka-ka“ oder „ka-ka-ka-uuu“; auch wenn man sich die Rufe auf Tonträgern anhört (z. B. Schulze, Andreas 2003: Die Vogelstimmen Europas, Nordafrikas und Vorderasiens, 17 CDs: CD 1 Nr. 24 und 29), lässt sich Luppes Vermutung doch nachvollziehen.

60

3.1.4 Sonstige Vögel am Meer, an Flüssen und Seen σεύατ’ ἔπειτ’ ἐπὶ κῦμα λάρῳ ὄρνιθι ἐοικώς, ὅς τε κατὰ δεινοὺς κόλπους ἁλὸς ἀτρυγέτοιο ἰχθῦς ἀγρώσσων πυκινὰ πτερὰ δεύεται ἅλμῃ (Hom. Od. V, 51–53) Zu den häufigsten Vögeln, die an Gewässern aller Art anzutreffen sind, gehören die hier so treffend beschriebenen Möwen. Eine ganze Reihe verschiedener Möwenarten ist im östlichen Mittelmeerraum heimisch (vgl. Bauer et al. 1969: 73–77; Hellenic Ornithological Society 2000; Malling Olsen / Larsson 2003). Leider hinterlassen uns die antiken Autoren kein solch ausdifferenziertes Bild, dass man diese Arten auch in den Texten erkennen könnte. Die eingangs zitierte Stelle aus der Odyssee beschreibt mit λάρος zwar ziemlich sicher eine Möwe, doch welche Art? Dass einzelne Arten von anderen unterschieden wurden, ist bekannt. Aristoteles kennt ὁ λάρος τὸ χρῶμα σποδοειδής und ὁ λάρος ὁ λευκός (Aristot. hist. an. 7 (8), 593b 3, 14). Dionysius gruppiert die Möwen, von denen er viele Arten kennt, in drei Klassen, gestaffelt nach Größe: einige seien klein und weiß, ähnlich den Tauben, eine zweite Gruppe sei größer und stärker, und von diesen lassen sich wiederum noch größere Formen abgrenzen (Dion. ixeut. II, 5). Womöglich fallen in Dionysius’ erste Gruppe Beobachtungen der Zwergmöwe (Hydrocoloeus minutus), oder auch von Schwarzkopf- und Lachmöwe (Larus melanocephalus bzw. Larus ridibundus), deren Größe in etwa mit jener der Turteltaube bzw. mit der Türkentaube verglichen werden kann (die Türkentaube trägt zudem ein sehr helles Gefieder, was zur Textstelle passt). Von den erwähnten Möwen heben sich in der Größe zunächst Dünnschnabelmöwe (Larus genei), Mittelmeermöwe (Larus michahellis) und Korallenmöwe (Larus audouinii) ab; noch deutlich größer schließlich ist die Fischmöwe (Larus ichthyaetus), gegenwärtig zwar eine Ausnahmeerscheinung in Griechenland selbst, nicht aber in der Levante im allgemeinen, wo sie auf dem Zug und im Winterquartier zu sehen ist. Eine Dreigliederung ist also nachvollziehbar, eine Verifizierung der Überlegungen leider nicht. Was jedoch mit ziemlicher Sicherheit ausgeschlossen werden darf, ist die von Thompson (1895: 111) vertretene Meinung, die erstgenannte Gruppe wären die Seeschwalben. Sie legen

61

schließlich ein von Möwen deutlich differenziertes Verhalten an den Tag.73 Außer der gesicherten Zuordnung des Wortes λάρος für die Möwe ist es denkbar, dass auch πῶυγξ, κέπφος, oder auch die bei der Besprechung der Seeschwalben erwähnten Wörter κήξ und καυάξ für eine oder mehrere Möwenarten gestanden haben könnten. Alle vier Begriffe sind in mehreren Schreibvarianten überliefert (vgl. Hünemörder 2000, s. v. „Möwe“). Selbst wenn die Quellen oft nur ein „Fischen im Trüben“ ermöglichen und viele Fragen hinsichtlich der Begriffszuordnung noch offen bleiben müssen, so gibt es doch immer wieder auch eindeutige Fälle, die sogar mit interessantem Detailwissen geschmückt sind. Hierzu gehören die Pelikane, von denen Aristoteles zu berichten weiß, dass ihre Brutgebiete im Donaudelta liegen, dass sie Zugvögel sind und auf ihrem alljährlichen Zug in Formation fliegen (Aristot. hist. an. 7 (8), 597a 9–14, 597b 29). Dies alles zeugt von einer über längere Zeit hinweg entstandenen Kenntnis dieser Vögel in der Antike. Die Grenzen der exakten Beobachtung werden freilich erreicht, wenn die fast ausschließlich piscivoren Pelikane als Muschelvertilger bezeichnet werden (Aristot. hist. an. 8 (9), 614b 26–30; Ael. nat. anim. III, 20). Dennoch ist allein die Tatsache bemerkenswert, dass vom πελεκάν sowohl ein in der Region doch begrenztes Brutgebiet ebenso wie eines der Winterquartiere bekannt sind und genannt werden: καὶ οἱ πελεκᾶνες δ’ ἐκτοπίζουσι, καὶ πέτονται ἀπὸ τοῦ Στρυμόνος ποταμοῦ ἐπὶ τὸν Ἴστρον κἀκεῖ τεκνοποιοῦνται (Aristot. hist. an. 7 (8), 597a 9–11). Diese Aussage ist von ganz anderer Qualität als etwa die über den Zug der Kraniche ins Land der Pygmäen, was zwar eine oft erzählte, aber doch eine sehr vage, von Legende und Dichtung verfärbte Geschichte ist. Ganz offensichtlich wurden die beiden vorkommenden Arten Rosapelikan (Pelecanus onocrotalus) und Krauskopfpelikan (Pelecanus crispus) nicht als unterschiedliche Arten erkannt; dies darf aber nicht weiter verwundern angesichts der Tatsache, dass es selbst heute noch trotz aller moderner Hilfsmittel und weit fortgeschrittenem ornithologischen Wissen häufig Fehlbestimmungen gibt (vgl. Barthel 2004). Beim Purpurhuhn, πορφυρίων, liegt eine ähnliche Situation vor. Neben einer relativ detailreichen Beschreibung dieser Rallenart findet sich an anderer Stelle ein Charakteristikum erwähnt, welches nicht zum Erscheinungsbild des Purpurhuhns (Porphyrio 73

Thompson selbst hat in der zweiten Auflage diese fehlerhafte Ansicht korrigiert; Thompson (1936): 192.

62

porphyrio) passt – beides in Werken des Aristoteles. Die exakten Details sind zwar nur fragmentarisch erhalten und bei Athenaeus zitiert (Aristot. fr. 255 ap. Ath. IX, 388c–d), aber sie sind absolut treffend: die Zehen seien ohne Schwimmhäute, heißt es da, das Gefieder blau, die Beine lang und der Schnabel rot. Herausragend ist jedoch die Bemerkung, dass der Vogel bei der Nahrungsaufnahme seine Füße als Greif- und Festhaltewerkzeug einsetzt (l. c.). Außer den nächstverwandten Rallenarten, von denen aber nur eine – das Bronzesultanshuhn (Porphyrio alleni) – als seltener Ausnahmegast im Mittelmeerraum auftaucht, und den Papageien kommt dieses „Fressen aus der Faust“ bei keinen anderen Vogelarten vor (Bezzel / Prinzinger 1990: 195; Glutz von Blotzheim 1994a: 514). Der Autor der antiken Quelle scheint also sehr wohl gewusst zu haben, dass hier eine erwähnenswerte Besonderheit vorliegt. Athenaeus erwähnt (Ath. IX, 388d–e), dass Kallimachos in seinem Werk Περὶ Ὀρνίθων, welches verloren ging, vom πορφυρίων eine ähnliche Form trennt: den πορφυρίδος. Diese Hervorhebung des Kallimachos zeigt, dass er sich mit dieser Formentrennung von den anderen Autoren bzw. „Naturbeschreibern“ unterscheidet. Die Erklärung hierfür liegt möglicherweise in seiner Tätigkeit in Alexandria, wo er die ägyptische Unterart des Purpurhuhns (Porphyrio porphyrio madagascariensis) beobachtet haben wird, die sich von der Nominatform durch einen grünen „Rücken“ (also Mantel- und Schulterfedern) unterscheidet. Außerhalb Ägyptens ist diese Färbung beim Purpurhuhn nicht zu beobachten, so dass anderen Autoren, in deren Leben kein längerer Aufenthalt in Ägypten stattfand, dieser Umstand nicht bekannt war.74 In der Historia animalium wiederum wird dem πορφυρίων ein langer Hals „angedichtet“ (Aristot. hist. an. 2, 509a 10–11), was man beim Purpurhuhn nicht ernstlich erkennen kann. Könnte es also sein, dass πορφυρίων nicht die eine Art Purpurhuhn bezeichnet, sondern eine Art Sammelbezeichnung für Vögel ist, die an markanten Stellen πορφυροῦς sind? So an erwähnter fragmentarischer Stelle für das Purpurhuhn mit seinem blau-violett schimmernden Gefieder, in der Historia animalium dagegen möglicherweise für den langhalsigen Flamingo? Zumindest passt diese Hypothese ins Erscheinungsbild der bisher schon erkannten „Sammelbezeichnungen“ für ähnliche Arten oder Formenkreise. 74

Eine weitere, ebenfalls durch Athenaeus überlieferte Bezeichnung, muss aufgrund fehlender Details unidentifiziert bleiben: λαθιπορφυρίδες (Ath. IX, 388e). Zur Verbreitung der Unterarten vgl. Glutz von Blotzheim (1994a): 506–507; Bauer et al. (2005), Bd. 1: 404.

63

Eine weitere Art aus der Familie der Rallen, welche sowohl in der antiken Literatur als auch durch archäologische Befunde bezeugt ist, ist das Blässhuhn (Fulica atra). Das Wort φαλαρίς könnte ebenfalls für mehrere Vogelarten benutzt worden sein, zumindest mag uns die Stelle Aristot. hist. an. 7 (8), 593b 16 glauben machen, es handle sich hierbei um einen Vogel mit Schwimmhäuten zwischen den Zehen, was bei den Rallen nicht zutrifft; wie gesehen, scheint allerdings auf der Beobachtung dieser Körperteile nicht die Stärke des Verfassers der Historia animalium zu liegen. Dennoch sprechen die Aussagen anderer Autoren mit φαλαρίς gezielt das Blässhuhn an (vgl. Thompson 1936: 298; Pollard 1977: 69–70). Dass weitere Rallenarten keine Erwähnung finden75, obwohl sie nachweislich auf dem Balkan und in Kleinasien verbreitet sind bzw. regelmäßig auf dem Durchzug auftauchen, mag besonders daran liegen dass sie weniger gesellig, kleiner und weniger auffällig gefärbt als Blässhühner sind und sich dabei oft im Schilfdickicht aufhalten.76 3.1.5 Der Halcyon-Kerylos-Keiris-Komplex Die Angaben in den antiken Quellen scheinen ebenso verwirrend zu sein wie die Vielzahl der Hypothesen, die sich um eine Klärung des Wortfeldes und des Themenkomplexes bemühen, welche sich um die Grundbegriffe ἀλκυόν, κήρυλος und κεῖρις gebildet haben. Die Ergebnisse vorweg: Es wird sich zeigen, dass es sich hierbei um mindestens zwei, wahrscheinlich noch mehr Arten handelt; bereits in der Antike wurden die Begriffe uneinheitlich verwendet, woraufhin bis zum Ausgang der Antike einiges Wissen über diese 75

Der Wachtelkönig gehört zwar zu den Rallen, wird in dieser Arbeit gemäß dem vorgestellten Grundsatz der „Wahrnehmung der Griechen in der Antike“ im Zusammenhang mit den Wachteln behandelt (Kapitel 3.5.3). 76 Pollard bemerkt (1977: 70): „There is curiously no reference in the ancient authorities to the moorhen (gallinula chloropus), which is also found in Greece.“ Sein Erstaunen lässt sich insofern teilen, dass das hier angesprochene Teichhuhn eine leuchtend rot gefärbte „Blesse“ aufweist und damit eigentlich ebenso auffällig wie das Blässhuhn mit seiner weißen Blesse ist. Bei der Durchsicht der ornithologischen Literatur aus dem 20. Jh. fällt auf, dass das Blässhuhn im Vergleich zum Teichhuhn meist als „zahlreicher vorhanden“ eingestuft wurde (Stresemann 1956: 71; Bauer et al. 1969: 61; Simon 1970: 101). Außerdem scheint das Teichhuhn einerseits starken Bestandsschwankungen zu unterliegen, andererseits die Fähigkeit zu relativ schneller, weiträumiger Bestandsausdehnung zu besitzen, wie dies Glutz von Blotzheim (1994: 476) und Bauer et al. (2005, Bd. 1: 406–407) belegen. Denkbar wäre, dass sich in der Antike das Brutareal des Teichhuhns noch nicht bis in den östlichen Mittelmeerraum erstreckte und erst in den vergangenen Jahrhunderten eine Besiedlung dort erfolgte. Interessanterweise finden sich in dem archäologischen Material, das bei Krönneck (1996: 231) und Jánossy (1994: 47) zusammengestellt ist, Knochen des Bläss-, aber nicht des Teichhuhns. Um aus dem Gedanken einer späten Ausbreitungsphase des Teichhuhns eine Hypothese werden zu lassen, bedarf es aber natürlich noch einer ganzen Reihe zusätzlicher Untersuchungen und Daten, für die in dieser Arbeit kein Platz ist.

64

Namen und ihre Zuordnung verloren gegangen zu sein scheint; der Komplex zeigt großflächige Überschneidungen zwischen Naturbeobachtung und mythologischen Geschichten auf. Zunächst fällt die Bandbreite der verschiedenen Schreibweisen dieser drei Wörter auf (vgl. Thompson 1936: 22, 45–51, 136, 139–140; Sundevall 1863: 132–133; Hünemörder 1996–1999, s. vv. „Alkyonides“, „Eisvogel“, „Keiris“); bereits dies scheint anzudeuten, dass mehr als nur eine Tierform beschrieben wird oder dass etwa im Volksmund verschiedene Bezeichnungen gebräuchlich waren (vgl. im Deutschen „Sperling“ und „Spatz“). Aristoteles unterscheidet ἀλκυόν und κήρυλος als zwei verschiedene Vögel, die sich am Wasser aufhalten und durch einen blauen Rücken gekennzeichnet sind; letzterer sei der größere von beiden. Die bisherige Forschung hegt keine Zweifel daran, dass es sich bei ἀλκυόν um den Eisvogel (Alcedo atthis) handelt (vgl. Pollard 1977: 97; Hünemörder 1997, s. v. „Eisvogel“); dafür ist Aristoteles’ Beschreibung zu eindeutig (Aristot. hist. an. 7 (8), 593b 9–12 und 8 (9), 616a 14–19). Der Eisvogel ist nicht ausschließlich Wintergast in Griechenland und Kleinasien, wie Pollard behauptet (1977: 97; so auch Hünemörder 1996, s. v. „Alkyonides“), sondern dort lokal auch Brutvogel oder zumindest verbreitet Jahresvogel (Bauer et al. 1969: 89; Sterry 2004: 110; Porter et al. 2004: 122). Leider bietet die Historia animalium keine vergleichbaren Angaben für κήρυλος. Wegen der Erwähnung des blauen Rückens und der Nennung zusammen mit ἀλκυόν kann die Vermutung geäußert werden, dass hier der deutlich größere Braunliest (Halcyon smyrnensis) angesprochen wird, ein Verwandter des Eisvogels. Der Braunliest ist ein Brutvogel der kleinasiatischen und östlichsten Mittelmeerküste (Sterry 2004: 110), nicht aber Griechenlands (Bauer et al. 1969: 89). Vielleicht liegt ja hierin der Grund, warum zwar die Existenz einer dem Eisvogel ähnlichen Art (durch Reiseberichte o. ä.) bekannt war, aber kaum etwas über deren Lebensweise, so dass die Erwähnung bei Aristoteles (l. c.) sich notwendigerweise auf den Ähnlichkeitshinweis beschränken musste. Letztendlich lässt der Vergleich der Quellen aber immer noch genügend Spielraum auch für andere Thesen. Sundevall vermutete hinter κήρυλος nicht den Braunliest, sondern den Graufischer Ceryle rudis (1863: 133), der nun aber keinerlei Blaufärbung aufweist. Helmut Leitner (1972: 15–16) bringt sogar den Schilfrohrsänger (Acrocephalus schoenobaenus)

65

als möglichen Kandidaten ins Spiel. Diesem fehlt jedoch neben jeglichem Blau im Gefieder auch die passende Größe: er ist kleiner als der Eisvogel.77 Der Blick muss aber auch ganz gezielt auf andere Arten gelenkt werden, besonders wenn man sich dem Phänomen des ominösen Nestes des ἀλκυόν nähern möchte. Über dieses erfahren wir: ἡ δὲ νεοττεία παρομοία ταῖς σφαίραις ταῖς θαλαττίαις ἐστὶ καὶ ταῖς καλουμέναις ἁλοσάχναις πλὴν τοῦ χρώματος· τὴν δὲ χρόαν ὑπόπυρρον ἔχουσιν, τὸ δὲ σχῆμα παραπλήσιον ταῖς σικύιαις ταῖς ἐχούσαις τοὺς τραχήλους μακρούς. τὸ δὲ μέγεθος αὐτῶν ἐστὶ τῆς μεγίστης σπογγιᾶς μεῖζον· εἰσὶ γὰρ καὶ μείζους καὶ ἐλάττους· κατάστεγοι δὲ, καὶ τὸ στερεὸν ἔχουσι συχνὸν καὶ τὸ κοῖλον. […] τὸ δὲ στόμα στενὸν ὅσον εἴσδυσιν μικράν, ὥστ’ οὐδ’ ἂν ἀνατραπῇ ἡ θάλαττα οὐκ εἰσέρχεται. (Aristot. hist. an. 8 (9), 616a 19–30) Zugegeben, eine ziemlich detailreiche Beschreibung des Nestes – allerdings bauen die Angehörigen der Eisvogelfamilie keine solchen Nester, sondern brüten in (oft selbstgegrabenen) Röhren, an deren Ende sich eine Nestmulde befindet (vgl. Glutz von Blotzheim 1994b: 754–755, 779–780, 787). Aber hier liegen mit Sicherheit zu genaue Beobachtungen an der Natur zu Grunde, um dies einfach ins Reich der Mythologie oder der Fabeln abzutun. Man stelle sich nur einmal den Biotop des Eisvogels vor: Gewässer mit bewuchsreichen Ufern, oftmals mit ausgeprägten Schilfgürteln; dazu dieser kleine, metallisch-blaue Vogel, der blitzartig auftaucht, um nach einem Fisch zu tauchen, dann sogleich wieder zurück auf seine Sitzwarte verschwindet, sich dort aber zuweilen mit durchaus geringer Fluchtdistanz zeigt. Heute weiß man, dass die Bruthöhlen nicht notwendigerweise in Nähe des Jagdgebietes sein müssen, sondern mehrere hundert Meter vom Gewässer entfernt

77

Vgl. Albus (2005): 203. Sowohl Leitner (l. c.) als auch Albus meinen, die Stelle Aristot. hist. an. 7 (8), 593b 10 beziehe sich auf den Gesang eines Vogels; das hier verwendete Verb φθέγγομαι bezeichnet aber nicht notwendigerweise einen (melodiösen) Gesang, sondern generell eine Lautäußerung, vielleicht ein Rufen; es ist dies also keinerlei Ausschlußkriterium.

66

liegen können (Bauer et al. 2005, Bd. 1: 758); ohne dieses Wissen mag man tatsächlich versucht gewesen sein zu glauben, in den Nestern anderer, im Schilf brütender Vögel die Brutstätte des Eisvogels erkannt zu haben, besonders vielleicht, wenn diese Nester nicht mehr von ihren Erbauern benutzt wurden, somit also keine den Eisvogel als „Hausherrn“ ausschließende Beobachtung gemacht wurde. Es gibt zwei Singvögel, die ganz besonders hierfür in Frage kämen: Die Beutelmeise (Remiz pendulinus) baut neue Nester oftmals in der Nähe vorjähriger Nester. Die Bartmeise (Panurus biarmicus) stellt gleich mehrere Nester her, bevor sie eines davon zum Brüten bezieht. Es sind also genügend „unbenutzte“ Nester vorhanden, die – zumindest im Falle der Bartmeise – auch noch neu aussehen. Was meine Hypothese untermauert, ist die Art und Weise, wie die beiden genannten Singvögel ihre Nester bauen. In beiden Fällen entsteht eine äußerst wind- und wasserfeste Konstruktion mit einer Art Überdachung (Bartmeise; vgl. Glutz von Blotzheim 1993a: 298–300) bzw. mit angebauter Einschlupfröhre (Beutelmeise; vgl. Glutz von Blotzheim 1993b: 1038–1047). Dies stimmt ziemlich genau mit Aristoteles’ Beschreibung überein, besonders auch die gurken- oder flaschenkürbisartige Form (τὸ δὲ σχῆμα παραπλήσιον ταῖς σικύιαις). Es scheint mithin im Bereich des Möglichen zu liegen, dass entweder die Beutel- oder die Bartmeise, vielleicht sogar beide Arten, mit einer der in diesem Abschnitt behandelten Vogelnamen zumindest regional oder zeitweise benannt wurden. Die Spur lässt sich jedoch nicht weiter verfolgen. Wenn aber bereits Hesychios in der ausgehenden Antike Schwierigkeiten mit der Identifikation von κεῖρις hat, so scheint doch vieles denkbar zu sein. Κεῖρις könnte laut Hesychios nämlich entweder ein Eisvogel sein (dann hätten wir hier also eine weitere mögliche, aber nicht gesicherte Bezeichnung), oder aber ein Falke, was doch einen beträchtlichen Unterschied ausmacht (Hesych., s. v. „κεῖρις“). Darüber hinaus entführt uns der κεῖρις tief ins Reich der Mythologie, wo er uns in den Geschichten um Minos, Nisus und Scylla begegnet; letztere wird nämlich zur Strafe für einen Verrat an ihrem Vater in diesen Vogel verwandelt und ständig von einem Seeadler verfolgt. Auf Grundlage der Beschreibung im Gedicht Ciris (Ps.-Verg., V. 205 und 501 ff: der Körper weiß, die Flügel blau, Schopf und dünne Beine rot) hat man die Identifizierung versucht und ist dabei vor allem auf die Seeschwalben gekommen (Pollard 1977: 102–

67

103). Diese erfüllen jedoch genau so wenig alle Merkmale wie der Stelzenläufer (Himantopus himantopus), dem zumindest ein roter Schopf fehlt. Vielleicht stand die Bezeichnung von alters her für einen Wasservogel, den man dann auf welche Weise auch immer mit der Sagenwelt in Verbindung brachte. Zur Zeit der Abfassung der auf uns gekommenen schriftlichen Quellen scheint die „Mythologisierung“ dieses Namens aber so gut wie abgeschlossen gewesen zu sein. Schließlich erfahren wir nicht in wissenschaftlichen Abhandlungen vom κεῖρις, sondern einzig aus dem mythologischen Zusammenhang heraus – oder eben durch den Lexikographen Hesychios, der den Vogel selbst nicht sicher zuordnen kann. Ebenfalls ins Reich der Sagen und Mythen gehört die Erklärung, die halcyonischen Tage (um die Zeit der Wintersonnenwende) hätten ihren Namen daher bekommen, dass die Eisvögel (ἀλκυόνες) zu jener Zeit ihr Nest bauten und die Jungen ausbrüteten (so bei Aristot. hist. an. 5, 542b, 4–16). Das einzig gesicherte Faktum an Berichten dieser Art ist, dass manchmal bereits im Dezember die Besetzung eines Reviers durch einen Eisvogel angezeigt wird; nichtsdestoweniger dauert es mit dem Beginn des Brutgeschäftes in der Regel mindestens bis zum Spätwinter, eher bis zum Frühjahr (Glutz von Blotzheim 1994b: 753–758). Eventuell könnte ein verstärktes Auftreten von Eisvögeln, verursacht durch die in der Region überwinternden Tiere, zu dem Mythos beigetragen haben78. 3.1.6 Watvögel (Limikolen) Οἱ τροχίλοι – die rennenden Vögel: Dionysius erklärt uns, woher die Watvögel ihren Namen bekamen: Sie sind Vögel der Küsten, wo sie ständig hin und her rennen, immer auf der Suche nach Nahrung (Dion. ixeut. II, 4; vgl. Kapitel 2.1.5). Bei dieser Art der Fortbewegung sind manche Limikolen in der Klasse der Vögel tatsächlich herausragend. Interessant ist auch die durchaus richtige Feststellung, dass Limikolen im Allgemeinen keine Fischjäger sind, sondern sich u. a. von krebsartigen Tieren ernähren (l. c.). Eine solch exakte Kenntnis der Nahrungsgewohnheiten wilder Vögel setzt mehr als nur glückliche

78

Die Bedeutung der Vögel im mythologischen Kontext soll in dieser Arbeit nicht vertiefend behandelt werden. Daher müssen die Hinweise auf weiterführende Literaturstellen genügen: für den Mythos um Minos, Nisus und Scylla vgl. etwa Thompson (1936): 45–46; Pollard (1977): 102–103; zu den halcyonischen Tagen vgl. Peck (1970): 368–372; Thompson (1936): 48–51; von Wilamowitz-Möllendorff (1883): 417–419.

68

Beobachtungen voraus; hier darf man schon eine gewisse Form von gezieltem Forscherdrang vermuten. Durch Dionysius wird ebenfalls klar, dass die τροχίλοι eine Formengruppe darstellen; darüber hinaus gibt der Autor jedoch leider keine Details wieder, die eine Identifizierung einzelner Limikolenarten ermöglichten. Bei Herodot hingegen steht τροχίλος für eine ganz bestimmte Limikolenart. In seiner Beschreibung der Tiere Ägyptens berichtet er von diesem Vogel, dass er Krokodile von lästigen Parasiten befreit, sogar in deren Maul (Hdt. II, 68). Somit besteht kein Zweifel, dass hier einzig der Krokodilwächter (Pluvianus aegyptius) gemeint ist, der den Griechen allein von der Nilgegend her bekannt gewesen sein konnte, da er sonst nur noch weiter südlich auf dem afrikanischen Kontinent vorkommt. Jedenfalls scheint dieses nahezu lebensmüde anmutende Verhalten des kleinen Vogels (den Kopf in den Rachen eines Krokodils zu stecken) einen derart großen Eindruck gemacht zu haben, dass es vielerorts ausführlich beschrieben wird (so etwa bei Aristot. hist. an. 8 (9), 612a 20–24; Ael. nat. anim. III, 11 und VIII, 25; vgl. Grzimek et al. 1980, Bd. 8: 194–195; Message / Taylor 2005: 46). Durch Aelian erfahren wir von einem weiteren Aspekt dieser merkwürdigen Symbiose, nämlich der Tatsache, dass der Krokodilwächter mit seinen Rufen das Krokodil vor möglichen Gefahren warnt (Ael. nat. anim. VIII, 25) – woher schließlich auch der deutsche Name dieses Vogels stammt. Wenn Pollard in jenen Stellen bei Herodot und Aristoteles den Sp*rnkiebitz (Hoplopterus spinosus) zu erkennen glaubt (1977: 70), so liegt er damit eindeutig falsch. Er hat dagegen recht zu betonen, dass in Aristophanes’ Komödie Ὄρνιθες der „Rennvogel“ τροχίλος für viele Limikolen stehen kann (und dies schließt dann natürlich auch den Sp*rnkiebitz mit ein), da der Dichter auf weitere Detailangaben verzichtet, (Aristoph. av. 79). Ein weiterer Fall: Man glaubt zwar, in dem nur bei Dionysius erwähnten ἱμαντόπους (Dion. ixeut. II, 10) den Stelzenläufer erkannt zu haben (vgl. Thompson 1936: 121; Pollard 1977: 71), jedoch sind hier Zweifel angebracht. Dionysius spricht allein seine dünnen Beine und den unbeweglichen Unterschnabel an. Letzteres Phänomen ist aber von den Flamingos bekannt (Bezzel / Prinzinger 1990: 21); da diese ja ebenfalls über relativ dünne Beine verfügen, könnte mit gleicher Berechtigung behauptet werden, ἱμαντόπους stünde

69

als Synonym für φοινικόπτερος; in beiden Fällen bewegte man sich auf unsicherem Terrain. Was den Stelzenläufer angeht, so ist es wahrscheinlicher, dass κρέξ der treffende Name ist (jedenfalls scheint dieser Name nicht, wie gelegentlich behauptet, den Wachtelkönig zu bezeichnen; vgl. etwa Sundevall 1863: 144–146). Das ergibt sich aus der Größenangabe bei Herodot, nach welcher er die Maße des Ibis erreichen soll (Hdt. II, 76), in Verbindung mit der Beschreibung bei Aristoteles, welche auf die langen Beine des κρέξ hinweist (Aristot. part. an. 4, 695a 20–21). In Aristophanes’ Komödie „Die Vögel“ wird an einer Stelle ein ἐρυθρόπους genannt (Aristoph. av. 303); dieses Merkmal trifft auf zwei sich relativ ähnlich sehende Limikolen zu, nämlich den Rotschenkel (Tringa totanus) und den Dunklen Wasserläufer (Tringa erythropus); auch die Beine des Stelzenläufers sind rot, doch ist mit der Langbeinigkeit des κρέξ die Art wohl eher hinter dieser Bezeichnung zu suchen; zumal besonders der Rotschenkel sehr stimmfreudig ist und dementsprechend auffällig, könnte also ἐρυθρόπους tatsächlich als Name für jene Limikolen benutzt worden sein. Zwei weitere Namen könnten auf Schnepfenvögel hindeuten, nämlich σκολόπαξ, der angeblich nicht auf Bäumen, sondern nur auf der Erde sitzt (Aristot. hist. an. 8 (9), 614a 33), und ἀσκαλώπας, von dem es heißt: ἐν τοῖς κήποις ἁλίσκεται ἕρκεσιν· τὸ μέγεθος ὅσον ἀλεκτορίς, τὸ ῥύγχος μακρόν, τὸ χρῶμα ὅμοιον ἀτταγῆνι· τρέχει δὲ ταχύ, καὶ φιλάνθρωπόν ἐστιν ἐπιεικῶς. (Aristot. hist. an. 8 (9), 617b 24–26)

Die verbreitete Meinung der Forschung ist es, beide Namen der Waldschnepfe (Scolopax rusticola) zuzuweisen, ausnahmsweise auch in ἀσκαλώπας den Großen Brachvogel (Numenius arquata) zu erkennen (Sundevall 1863: 146; Thompson 1936: 56, 261–262; Pollard 1977: 63). Diese Interpretationen lassen jedoch einige Fragen offen, so dass von einer gesicherten Identifizierung nicht die Rede sein kann. Der Größenvergleich mit dem Haushuhn passt nicht zur Waldschnepfe, die deutlich kleiner ist (Glutz von Blotzheim

70

1977: 122), das schnelle Laufen nicht zum Großen Brachvogel, und der Färbungsvergleich mit dem ἀτταγήν trifft nur näherungsweise auf die beiden Arten zu. Es ist zwar gut vorstellbar, dass Waldschnepfen tatsächlich „in Gärten“ gefangen wurden, jedoch liegen darüber keine exakten Informationen vor. Mit gleichem Recht ließe sich auf Basis der genannten Merkmale zum Beispiel auch die Uferschnepfe (Limosa limosa) ins Spiel bringen, die ebenso wie die beiden zuvor genannten Arten als Zugvogel bzw. Wintergast im ostmediterranen Raum auftritt (Message / Taylor 2005: 154–155, 163, 168–169). 3.1.7 Kleine Vögel am Wasser Lassen sich noch weitere Watvögel in den Quellen finden? Möglicherweise deuten Aussagen bei Aristoteles in diese Richtung. Es geht hierbei um folgende Textstellen: Bei einer Aufzählung von Wasservögeln werden auch genannt σχοινίκλος, κίγκλος und τρύγγας. Letzterer heißt in manchen Handschriften auch πύγαργος (Balme / Gotthelf 1991: 107); er soll Drosselgröße erreichen und somit der Größte unter diesen kleineren Vögeln sein. Allen drei Arten ist eigen, dass sie den Schwanz bewegen (hist. an. 7 (8), 593b 4–7). Die Aufzählung erwähnt unmittelbar darauf einen Vogel σκαλίδρις, der zwar eine Musterung aufweisen, im Allgemeinen aber aschgrau sein soll (7 (8), 593b 7–8). Hier bleibt allerdings unklar, ob Aristoteles ihn ebenfalls zu den Kleinen gehörend wissen will, oder ob er lediglich seine Aufzählung der Wasservögel weiterführt. Zum κίγκλος erfahren wir weiterhin, dass er am Meer lebt, schwer zu fangen, aber gut zähmbar sein soll, listig wie auch unfähig, sein Hinterteil zu kontrollieren (das jedenfalls scheint damit gemeint zu sein, wenn es heißt: ἀκρατὴς γὰρ τῶν ὄπισθέν ἐστιν. Aristot. hist. an. 8 (9), 615a 21– 24). Kleiner als die Drossel und ständig mit dem Schwanz wippend – man denkt gleich an die Bachstelze und ihre Verwandten, die ja im Englischen heute noch den auf ihre „Angewohnheit“ anspielenden Namen wagtails tragen. Doch von den westpaläarktischen Stelzen ist lediglich die Gebirgsstelze (Motacilla cinerea) deutlich an Gewässer gebunden. Des weiteren kommen von den kleineren Limikolen der Flussuferläufer (Actitis hypoleucos) und der Waldwasserläufer (Tringa ochropus) in Frage, beides Durchzügler und Wintergäste in der östlichen Mittelmeerregion. Auch sie fallen durch häufiges Schwanzwippen auf. Sollten hiermit bereits die drei Arten aus der erstgenannten Aristoteles-Stelle gefunden

71

sein? Beim Waldwasserläufer passt die Größe; der „Zweitname“ πύγαργος schließt ihn als Möglichkeit nicht aus, besitzt er doch (wie wenige andere Limikolen auch) einen weißen Bürzel. Mancherorts wurde angedeutet, es könnte sich bei jedem Namen um mehrere Arten handeln (Sundevall 1863: 147, der aber auch die in den hier vorgelegten Thesen genannten Möglichkeiten in Betracht zieht; Pollard 1977: 71). Meiner Meinung nach darf aber dem Hinweis auf das Schwanzwippen nicht zu wenig Beachtung geschenkt werden. Schließlich zeigt die Auseinandersetzung mit den Quellen, dass solch detailgetreue Naturbeobachtungen als deutliche Charakteristika bestimmter Arten erwähnt werden; sie sollten also helfen, eine Art oder „Form“ von einer anderen abzugrenzen. Mit dieser Erkenntnis lässt sich der Kreis eindeutig enger ziehen, da außer den oben genannten keine weiteren Arten die entsprechende Merkmalskombination aufweisen (auf nur gelegentliches Schwanzwippen wäre Aristoteles wohl nicht eingegangen).79 Das graue, gemusterte Gefieder des σκαλίδρις lässt sich hingegen ohne viel Phantasie bei einer großen Zahl an Limikolen finden, besonders wenn diese ins Winterkleid gemausert haben, in welchem sie dann als Wintergäste in der Ägäis und Levante auftauchen. Selbst die Bachstelze (Motacilla alba) passt hier wieder ins Bild. Alle Versuche, den Vogel näher zu bestimmen, sind rein spekulativ (vgl. Sundevall, l. c.; Thompson 1895: 155; Pollard l. c.); es ist nicht einmal zu ermitteln, ob auch der σκαλίδρις ein „Schwanzwipper“ ist, oder ob nicht.

3.2 Greifvögel Auf ganz andere Art als Hühner oder etwa Hunde sind Greifvögel seit jeher Begleiter des Menschen gewesen: geschätzt als Aasverwerter und Mäusevertilger, ungeliebt als gefräßige „Hühnerdiebe“, in legendenhaften Erzählungen gar gefürchtet als Kindesentführer und Kindsmörder, anerkennend gehegt als Jagdgenosse, verehrt als Gottheiten oder deren Begleiter – kurzum, diese Vögel sind und waren zumindest in ihrer „Funktion“ so gut wie jedem Menschen bekannt. Entsprechend vermitteln die Quellen eine möglicherweise zwar nur oberflächliche, aber dennoch relative Vertrautheit mit den Greifvögeln, deren Zusammengehörigkeit als Formenkreis vor allem in ihren krummen Klauen sowie 79

Es gibt ein weiteres altgriechisches Wort, welches Aristoteles jedoch nicht verwendet und das wohl die Bachstelze bezeichnet: σεισοπυγίς; vgl. Thompson (1936): 257–258.

72

ihren Nahrungsgewohnheiten erkannt wurde: τῶν δ’ ὀρνίθων ὅσοι μὲν γαμψώνυχοι σαρκοφάγοι πάντες εἰσί (Aristot. hist. an. 7 (8), 592a 29–30). Dank dieser offensichtlich intensiveren Beschäftigung mit den Greifvögeln eröffnet sich dem Erforscher der Quellen ein im Vergleich zu den Wasservögeln wesentlich besser strukturiertes Bild, das sich grob in die Artengruppen Geier, Adler und kleinere Greife unterteilen lässt (für letztere Gruppe gilt die Aussage über das wohlstrukturierte Bild nur eingeschränkt). Greifvögel erregen auf unterschiedliche Art und Weise die Aufmerksamkeit. Am beeindruckendsten sind sie natürlich zur Zugzeit, wenn die sonst nur selten in größeren Gruppen erscheinenden Vögel zu Tausenden an Meerengen den Übergang auf einen anderen Kontinent suchen. Der östliche Mittelmeerraum und der Nahe Osten weisen eine Reihe solcher für den Vogelzug wichtigen „bottle-necks“ auf – zu den bedeutendsten zählen der Bosporus und die Region am Golf von Akaba (Yosef 1998: 203) –, spielen aber auch als Überwinterungsgebiete und Brutplätze eine erhebliche Rolle (Handrinos 1987; Alivizatos et al. 1998: 176). Bis auf wenige Ausnahmen lassen sich alle Greifvogelarten der westlichen Paläarktis in Griechenland und Kleinasien beobachten. 3.2.1 Geier Ein genauer Blick in die Quellen zeigt, dass alle vier europäischen Geierarten bereits den alten Griechen bekannt waren, einzig mit der Einschränkung, dass nicht alle auch als Geier bezeichnet, sondern teilweise den Adlern zugerechnet wurden. Die Präsenz dieser Geier in Griechenland und Kleinasien bereits in der Antike wird auch durch zooarchäologische Zeugnisse bestätigt (Kilic 1993: 51; Jánossy 1994: 45; Krönneck 1996: 231). Folgende Wörter können als Namen für Geier interpretiert werden: Zunächst φήνη, ein Vogel größer als der Adler, mit aschfarbenem Gefieder (Aristot. hist. an. 7 (8), 592b 5–6). Dann γύψ, wovon es zwei Arten gibt: eine kleinere, weißliche und eine größere, eher aschfarbene (Aristot. hist. an. 7 (8), 592b 5–7). Weiter der von Aristoteles als Adler bezeichnete περκόπτερος, den man auch γυπαιετός und „Gebirgsstorch“ (ὀρειπέλαργος) nennt. Er ist erkennbar an den dunklen Flügeln und einem weißen Kopf. Die Quelle betont seine enorme Größe und die relativ kurzen Federn, sowie den verlängert erscheinenden Rumpf (Aristot. hist. an. 8 (9), 618b 32–35).

73

Außerdem die ebenfalls als Adler erfassten „Echten“ (γνήσιοι), die eineinhalb Mal so groß wie der Adler werden und damit selbst φήνη an Größe übertreffen; ihr Gefieder ist gelblich (Aristot. hist. an. 8 (9), 619a 8–14). Schließlich αἰγυπιός, der laut Aelian (nat. anim. II, 46) zwischen Geiern und Adlern steht. Die Forschung hat bislang mehrere Versuche unternommen, die Namen den einzelnen Geierarten zuzuordnen; dabei wurden jedoch allzu oft nur einzelne Merkmale, nicht aber die Gesamtheit der Aussagen in den Quellen berücksichtigt (Sundevall 1863: 105–107; Thompson 1936: 82–87, 180; Pollard 1977: 79–80; Hünemörder 1996–1998, s. vv. „Adler“, „Geier“). So kann ich jenen Ergebnissen nicht folgen und komme stattdessen zu folgenden Thesen: Unter φήνη ist der Mönchsgeier (Aegypius monachus) zu verstehen; die Größenangabe trifft zu, die Färbung ebenfalls.80 Bei dieser Zuordnung gibt es keine Zweifel. Der kleine, weißliche γύψ lässt sofort an den Schmutzgeier (Neophron percnopterus) denken; er ist tatsächlich die kleinste der europäischen Geierarten und fällt als ausgewachsener Vogel durch eben jenes weiße Federkleid auf, das Aristoteles nennt. Diesen Schmutzgeier wollte man auch in γυπαιετός bzw. ὀρειπέλαργος erkannt haben; es ist auch zu verlockend, die Bezeichnung „Gebirgsstorch“ auf die Färbung seines Gefieders zurückzuführen, die tatsächlich der eines Weißstorches gleicht. Nimmt man allerdings die weiteren Charakteristika hinzu, so muss der Schmutzgeier als Kandidat ausscheiden. Einzig der Bartgeier (Gypaetus barbatus) erfüllt alle Kriterien: seine durchgängig dunklen Flügel kontrastieren deutlich mit dem Kopf, der von Natur aus nicht so rostbraun ist, wie die meisten Bartgeierdarstellungen zeigen, sondern reinweiß. Erst durch aktives Einfärben der entsprechenden Gefiederpartien verschwindet das Weiß zunehmend (vgl. Müller 1995: 8–13; Foundation for the Conservation of the Bearded Vulture 1997: 8– 9, 22–23). Als Größter der Geier hat er dennoch ein sehr schlankes Flugbild, wozu die Aussagen der kurzen Federn (was den Flügel schmal, nicht aber kurz aussehen lässt) und des verlängerten Rumpfes passen. Kein anderer Geier zeigt in seiner Silhouette einen der80

Zu den Greifvögeln allgemein und zu Größenangaben und Aussehen im Besonderen vgl. Glutz von Blotzheim (1989), Forsman (1999) und Ferguson-Lees / Christie (2001).

74

art langen Schwanz. Bereits Pollard hat hierin den Bartgeier erkannt, konnte aber die Aussage über die kurzen Federn nicht richtig einordnen („it is untrue to say that its wings [!] are βραχύτατα“); seine Interpretation hinsichtlich ὀρειπέλαργος bleibt ebenfalls rein spekulativ (Pollard 1947). Mit dem gelblichen Gefieder erinnert γνήσιος an den Gänsegeier (Gyps fulvus). Einzig irritierend an dieser These ist der Größenvergleich: er soll größer als φήνη sein, was die tatsächlichen natürlichen Verhältnisse nur bedingt wiedergibt. Aristoteles’ Aussage fällt aber nicht so sehr ins Gewicht, weil die Mönchsgeier zwar größere Maximalmaße erlangen können als Gänsegeier, aber nicht jeder Vogel diese Extremwerte auch tatsächlich erreicht; eine große Überschneidungszone ist Realität, so dass durchaus so mancher Gänsegeier größer sein kann als sein dunkel gefärbter Verwandter. Bei den noch verbleibenden Formen γύψ (der größere, aschfarbene) und αἰγυπιός können nur Vermutungen geäußert werden; Aelian (l. c.) beschreibt letzteren als schwarz. Im Jugendkleid sind sowohl Schmutz- als auch Bartgeier fast komplett dunkelgrau bis schwarz befiedert. Wenn Aristoteles dann noch beschreibt, μάχεται δὲ καὶ ἀετῷ αἰγυπιός (hist. an. 8 (9), 610a 1), so würde er dies kaum als erwähnenswert betrachtet haben, wenn er in αἰγυπιός einen deutlich größeren Vogel als den Adler gesehen hätte. Das lässt den Schluß zu, dass dieser Name den kleineren Schmutzgeier im Jugendkleid beschreibt. Aggressives Verhalten gegenüber anderen Greifvogelarten stellt bei diesem Geier zwar nicht die Norm dar, ist aber immer wieder beobachtet worden (Glutz von Blotzheim 1989: 232). Der junge Bartgeier hingegen, dunkel gefärbt und in seiner Silhouette nicht so extrem ausgeprägt wie die erwachsenen Vögel, könnte für die zweite γύψ-Form stehen. 3.2.2 Adler Die Adler haben wohl schon immer besondere Aufmerksamkeit erfahren. Ihre Stärke wird ebenso wie ihr Mut und ihr „edles“ Wesen geschätzt – was auch immer da hinein interpretiert worden sein mag. Jedenfalls gehören sie zu den wenigen Tiergruppen, die bei den Autoren antiker naturbeschreibender Werke relativ ausführlich und relativ systematisch beschrieben werden, so etwa bei Aristoteles (hist an. 8 (9), 618b 18 – 619b 12) und

75

Plinius (nat. 10, 6–18). Auch in der modernen Forschung scheinen die Adler eine Sonderstellung zu genießen; mehrere Autoren haben sich daran gemacht, die einzelnen Arten und Formen hinter den griechischen Bezeichnungen zu ergründen81. Am eindrücklichsten gelang dies Geoffrey Arnott (2003), dessen stringente Beweisführung in den meisten Fällen kaum Zweifel an den Resultaten offen lässt. An dieser Stelle genügt es, mit einigen Ergänzungen auf jene Resultate hinzuweisen. Aus der Reihe der sechs verschiedenen Formen von Adlern, die Aristoteles kennt, muss der als Bartgeier identifizierte περκόπτερος herausgenommen werden, ebenso γνήσιος als erkannter Gänsegeier. Arnott betont völlig zu Recht, dass eine Artbestimmung der Adler auf Grund der interund intraspezifischen Gefiedervariationen kaum möglich ist, sondern dass die aus der Antike überlieferten Bezeichnungen vielmehr für jeweils einen Phänotyp stehen (2003: 228); unter einer solchen Bezeichnung können sich Individuen verschiedener Arten sammeln. Ein anschauliches Beispiel bietet μελανάετος: Von ihm heißt es, er sei schwarz und der kleinste unter den Adlern, bewohne Gebirge und Wälder und töte Hasen. Aussehen, Habitat und Nahrung treffen sowohl auf Schreiadler (Aquila pomarina) als auch auf Schelladler (Aquila clanga) zu (Arnott 2003: 232–233). Zu ergänzen ist hier, dass es vom Zwergadler (Aquila pennata) eine dunkle Morphe gibt, die auch in Südosteuropa vorkommt und hier ebenfalls in Betracht zu ziehen ist. Folgende weitere Phänotypen ergänzen die Reihe: In πύγαργος ist der Steinadler (Aquila chrysaetos) im Jugendkleid zu erkennen, welches ein zum großen Teil weiß gefärbter Schwanz kennzeichnet. Ob der adulte Seeadler – ein Vogel mit reinweißen Schwanzfedern – ebenfalls hierher gehört, bleibt zwar ungeklärt, ist aber unwahrscheinlich (vgl. hierzu auch Arnott 1979); für diese Form steht die Bezeichnung ἁλιάετος. Die richtige Schlussfolgerung zieht Arnott auch für πλάγγος: In der Liste des Aristoteles ist dieser nach dem περκόπτερος der zweitgrößte der Adler (hist. an. 8 (9), 618b 24); tatsächlich aber haben wir hier, nachdem der περκόπτερος als Bartgeier identifiziert wurde, den Steinadler (jetzt im Alterskleid) oder den Kaiseradler (Aquila heliaca) als die 81

Als Beispiele seien genannt: Sundevall (1863): 103–106; Oder (1893), s. v. „Adler“; Pollard (1977): 76– 79; Hünemörder (1996), s. v. „Adler“.

76

größten dort vorkommenden Adlerarten vor uns zu sehen (Arnott 2003: 231–234). Arnott irrt jedoch bei der letzten Bezeichnung. In γνήσιος will er den Bartgeier erkennen und geht bei seiner Argumentation von der falschen Annahme aus, bei diesen Vögeln gebe es keine unterschiedlichen Alterskleider (2003: 234). Warum Fisch- (Pandion haliaetus) und Schlangenadler (Circaetus gallicus) mit ihren auffälligen Jagdtechniken und sonderbaren Ernährungsgewohnheiten nicht in Aristoteles’ Liste der Adler auftauchen, mag daran liegen, dass sie kleiner als die anderen Adler sind und somit eher den Bussarden und Weihen nahe stehend gesehen wurden. Sie sind ja auch nicht näher mit den „echten“ Adlern verwandt. Dass eine Artidentifizierung aus den Quellen bei jenen mittelgroßen Greifvögeln ungleich schwieriger ist, wird im folgenden Abschnitt deutlich. 3.2.3 Mittelgroße und kleinere Greifvögel Bussarde, Weihen, Habichte und Falken – sie alle treten im östlichen Mittelmeerraum in mehreren Arten und Unterarten auf, was durch eine Vielzahl griechischer Wörter für derartige Greifvögel eine Entsprechung in der Literatur zu finden scheint. Erschwerend kommt hinzu, dass mancher Autor in seinem Werk keine einheitliche Vorgehensweise darlegt; so findet sich z. B. bei Aristoteles zunächst die Angabe ἱέρακες ἄμφω (hist. an. 7 (8), 592b 2; es scheint also zwei Formen zu geben), später heißt es dann: γένη δὲ τῶν ἱεράκων φασί τινες εἶναι οὐκ ἐλάττω τῶν δέκα (hist. an. 8 (9), 620a 23). Diese enorme Diskrepanz in den beiden Aussagen mahnt nachdrücklich zum äußerst kritischen Umgang mit den Quellen hinsichtlich dieser Artengruppe. Vielfältig sind auch die Deutungs- und Interpretationsmöglichkeiten, die sich dem Forschenden hier auftun, was letzten Endes die Unmöglichkeit vor Augen führt, jede einzelne Bezeichnung einer bestimmten Vogelform zuzuordnen. Dennoch lassen sich auch hier gewisse Strukturen erkennen, wenn man nicht so sehr die einzelnen Arten, sondern vielmehr Antworten auf die Frage sucht, welchen Eindruck diese bei den Menschen der Antike hinterließen. In welcher Situation also wurde ein wie handelnder Vogel mit welchem Namen bezeichnet? Zur allgemeinen Abgrenzung von den großen Geiern und Adlern ist ἱέρακες eine Sammelbezeichnung für viele dieser übrigen Greifvögel. Bei Aristoteles werden davon die

77

ἰκτῖνοι getrennt (Aristot. hist. an. 8 (9), 620a 17–32; 7 (8), 592a 29–592b 3; falls nicht anders vermerkt, stammen die in diesem Abschnitt verwendeten Zitate aus jenen Textstellen); daraus zu schließen, dass zwischen beiden Gruppen erkennbare Unterschiede entweder im Aussehen oder im Verhalten existierten, wäre allerdings verfehlt, denn wir finden im gleichen Werk ἱέραξ auch als Bezeichnung für eine spezielle Form verwendet, die Vögel jagt (hist. an. 8 (9), 615a 4). Auch bei Homer ist ἴρηξ ein Vogeljäger (z. B. Il. XIII, 62), ebenso bei Hesiod (erg. 202). Alles in allem bleiben die Angaben derart vage, dass sie gleich auf mehrere Falkenarten (Falco spp.) sowie Habicht (Accipiter gentilis) und Sperber (Accipiter nisus) zutreffen. Eine Artzuordnung mag am vielleicht am ehesten in Dionysius’ Textstelle über die Seeschwalben gelingen (Dion. ixeut. II, 3; vgl. Kapitel 3.1.3). Hier werden die Seeschwalben als dem Tauben tötenden ἱέραξ ähnlich beschrieben; es dürfte sich hierbei um die Ähnlichkeit in den Silhouetten handeln: Seeschwalben und (viele) Falken haben – im Fluge deutlich erkennbar – spitz zulaufende Flügel. Wenn dieses Charakteristikum Pate für die Wahrnehmung einer Ähnlichkeit stand, so kann der hier beschriebene ἱέραξ nur der Wanderfalke (Falco peregrinus) sein, der klassische Taubenjäger unter den Falken. Dem ἰκτῖνος an Größe gleicht in der Gruppe der ἱέρακες ein Vogel namens τριόρχης, welcher kein Zugvogel ist (und der auch der stärkste dieser Gruppe sein soll; dieses Merkmal – κράτιστος – ist allerdings derart formbar, dass es als Identifizierungshilfe nicht in Betracht kommt, schließlich ließe sich das Wort ja auch als „vornehmster“ oder „tüchtigster“ übersetzen). Dann gibt es einen, der Tauben tötet (ὁ φασσοφόνος); als ausgeprägtes Merkmal trifft dies nur auf Habicht und Wanderfalke zu. Von den Kröten vertilgenden Greifvögeln (φρυνολόγοι) heißt es, dass sie niedrig dahinfliegen, ein deutlicher Hinweis auf die gaukelnde Flugweise der häufig Reptilien und Amphibien fressenden Weihen (Circus spp.); auch der Schlangenadler jagt bisweilen im weihenartigen Suchflug (vgl. Glutz von Blotzheim 1989: 290). Herodot betont (II, 22), dass die ἰκτῖνοι in Ägypten nicht wegziehen, woraus gefolgert werden kann, dass sie in Griechenland durchaus zu den Zugvögeln zählen. Hiermit liegt

78

eine der wenigen eindeutigen Aussagen vor, denn eine solche Ganzjahres- bzwZugverbreitung trifft nur auf den Schwarzmilan (Milvus migrans) zu (vgl. Kemp / Kemp 1998: 187). Sollte dann der ähnlich große τριόρχης ein Bussard sein? Zu klären ist dies nicht, auch wenn einige moderne Autoren den Mäusebussard (Buteo buteo) als „Lösung“ präsentiert haben (Steier, s. v. „Sperber; Hünemörder 2001, s. v. „Sperber (bzw. andere Greifvögel)“; vgl. Thompson 1936: 286–287; Pollard 1977: 80–81). Weiter als mit den hier dargestellten knappen Hinweisen kann man sich den Formenkreisen der kleinen und mittelgroßen Greifvögel nicht nähern. Trotz der vielfachen Erwähnungen von ἱέρακες oder ἰκτῖνοι muss jegliche Artzuordnung spekulativ bleiben. Dennoch darf es als sicher gelten, dass deutliche Unterschiede etwa in der Flugweise von Falken und Bussarden allgemein oder etwa in der Größe von Fischadler und Turmfalke im speziellen wahrgenommen wurden. Das verrät uns allein die Zahl der verschiedenen Bezeichnungen.82

3.3 Eulen „Τίς γλαῦκ’ Ἀθήναζ’ ἤγαγεν;“ lässt Aristophanes den Peisetairos in seiner Komödie „Die Vögel“ fragen (av. 301). Der Einsatz des „geflügelten Wortes“ (vgl. LAW: Sp. 3426) setzt voraus, dass dem Publikum dasselbe geläufig war, und zwar nicht nur dem Worte, sondern auch dem Sinne nach. Worin besteht nun dieser Sinn? „Eulen (bzw. Käuze) nach Athen tragen“ beschreibt – auch heute noch – eine Tätigkeit, die unnötigerweise ausgeführt wird (vgl. Henderson 2000: 59, Anm. 26). Für das antike Athen könnte dies bedeuten, dass die griechische Metropole ein besonders geeigneter Lebensraum für diese nächtlichen Lebewesen war, dass also Eulenbeobachtungen dort keine Seltenheit darstellten. Offensichtlicher noch ist aber der Bezug zur Stadtgöttin Athene. Der Steinkauz (Athene noctua), der besonders für die Weisheit im Allgemeinen steht und dieses Attribut der Göttin, aber auch Athene selbst symbolisiert, findet sich auf den bekannten athenischen Münzen der klassischen und hellenistischen Zeit, und auch unter römischer Herrschaft war der Steinkauz noch gängiges Symbol für Athen (Lamberton / Rotroff 1985: 12–1383). Es ist 82

Weitere relativ häufige Bezeichnungen sind (in verschiedenen Schreibweisen) αἰσάλων, κεγχρηίς und κίρκος; vgl. Thompson (1936): 30, 134, 144–146. 83 Abbildungen der Münzen z. B. ebd.: Umschlag; Branigan / Vickers (1982): 148–149; Vrezec (2005): 6.

79

hier sicherlich weniger von Bedeutung, ob das Sprichwort nun die Tiere oder die Münzen zum Inhalt hat; vielmehr kann daraus abgeleitet werden, dass γλαῦξ den Griechen gemeinhin bekannt war, und zwar nicht nur als Münze, sondern auch als der eigentliche Vogel.84 Die Kauzdarstellungen auf den Münzen zeugen jedenfalls von einer scharfen Naturbeobachtung, im Gegensatz zu einigen der bereits behandelten Fälle. In der Tat stellt die offene Kulturlandschaft eines der wichtigen Habitate für den Steinkauz dar, der hierin besonders auch auf Gebäude, vornehmlich Steingebäude, angewiesen ist (Glutz von Blotzheim 1994b: 514–515; Mebs / Scherzinger 2000: 313–314), die ihm als Brutplätze dienen. Dass Steinkäuze bereits in der Antike zum gewohnten Anblick in Athen und anderen Siedlungen gehörten, wird nicht nur durch Aristophanes und andere Autoren (vgl. Wiesner 2001; Hünemörder 1998, s. v. „Eulen“), sondern auch durch archäologische Zeugnisse belegt. So konnten Knochen, die von Steinkäuzen stammen, z. B. in den Ausgrabungen von Tiryns gesichert werden (von den Driesch / Boessneck 1990: 115). Bei der archäologischen Erschließung von Neu-Halos gelang der Fund von Knochen, die zu einer bisher unbekannten, inzwischen ausgestorbenen Steinkauzart (Athene spec.) gehören (Prummel 2005) und aus der Zeit um die Mitte des 3. Jh. v. Chr. datieren. Wann und weshalb diese Art ausstarb, wie weit sie verbreitet war und wie häufig sie im östlichen Mittelmeerraum auftrat, lässt sich ohne weitere Funde nicht beurteilen, aber nachdem die schriftlichen Quellen nicht zwischen zwei γλαῦξ-Formen unterscheiden, müssen sich beide Arten äußerst ähnlich gesehen und verhalten haben. Dass der Vogel aus Neu-Halos einen Irrgast in der Ägäis darstellt, dessen ehemaliges Verbreitungsgebiet relativ weit entfernt von der Region liegt, ist unwahrscheinlich. Schließlich berichten die antiken Autoren auch sonst relativ ausführlich über Naturphänomene und sonderbare Spezies, von denen man ihnen berichtet hat oder die sie auf ihren Reisen selbst beobachten konnten; also wäre damit zu rechnen, dass eine Form von γλαῦξ, die sich wahrnehmbar von der bekannten Art unterscheidet, Eingang in die entsprechende Literatur gefunden hätte. Bekräftigt wird diese These durch die Beschreibung der Eulen v. a. bei Aristoteles, die so nachvollziehbar sind, dass die Zuordnung der Namen zu den Arten ohne größere Schwierigkeiten erfolgen kann, und die keine Bezeichnung für eine „unbekannte“ Art übrig lassen.

84

Darüber hinaus ist die Verbindung Eule – Gottheit keine exklusiv griechische Angelegenheit; vgl. Brentjes (1967).

80

Insgesamt ist es erstaunlich, dass ausgerechnet von den Eulen als vorwiegend dämmerungs- und nachtaktiven Tieren eine solche Zweifellosigkeit in der Zuordnung möglich ist und ein doch einigermaßen detailreiches Wissen vorhanden war, so etwa hinsichtlich der Ernährungsgewohnheiten (σαρκοφάγα: Aristot. hist. an. 7 (8), 592b 15). Begreiflich wird dies, wenn man sich die Begegnung mit einer Eule vor Augen führt. Mit zunehmender Dunkelheit werden heranfliegende bzw. auffliegende Vögel wesentlich später erkannt als am Tage, was bisweilen zumindest einen „Überraschungseffekt“ hat, manchmal sogar für einen kurzen Schreckmoment sorgt. Im Übrigen sorgt die Stille der Nacht dafür, dass Geräusche weithin vernehmbar sind. Der Mensch bewegt sich also mit größerer Aufmerksamkeit, so dass die Wesen der Nacht nicht nur beiläufig, sondern ganz bewusst wahrgenommen werden. Doch zurück zu den Quellen: Unter den bei Aristoteles genannten Eulen (hist. an. 7 (8), 592b 8–15) ragt βύας heraus, eine adlergroße Eule, welche nur der Uhu (Bubo bubo) sein kann; der Name ist lautmalerisch abgeleitet aus seinen Rufen. Des weiteren bezeichnen σκώψ die Zwergohreule (Otus scops) und νυκτικόραξ die Waldohreule (Asio otus); diese trägt auch den Namen ὠτός (Aristot. hist. an. 7 (8), 597b 17). Aristoteles und Plinius beschreiben ihre Federohren (Aristot. hist. an. 7 (8), 597b 21–23; Plin. nat. 10, 68) und grenzen sie damit deutlich – entgegen der Übersetzung von König (1986: 55) – gegen die Sumpfohreule ab, deren Federohren wesentlich kürzer und nicht immer sichtbar sind und die auch nur als Wintergast in Griechenland auftaucht (vgl. von den Driesch / Boessneck 1990: 115). Es ist jedoch nicht auszuschließen, dass diese Wintergäste im Falle einer Begegnung als ὠτός angesehen wurden. Möglicherweise sind auch in Aristoteles’ ἀεὶ σκῶπες (hist. an. 8 (9), 618a 1) Sumpfohreulen zu erkennen, doch bleibt die Textstelle insgesamt zu vage (vgl. Boraston 1911: 218). Für die verbleibenden Eulennamen ἐλεός und αἰγώλιος (Aristot. hist. an. 7 (8), 592b 11–13) kommen nur die Schleiereule (Tyto alba) und der Waldkauz (Strix aluco) als in Griechenland regelmäßig anwesende und brütende Arten in Frage. Ἐλεός soll die größere der beiden Arten sein, was hier auf den Waldkauz zutrifft; letztere entspricht dann also der Schleiereule.

81

Ob weitere altgriechische Wörter ebenfalls Eulen bezeichnen85, muss dahingestellt bleiben, ist aber für vorliegende Arbeit nicht weiter von Bedeutung. Wesentlich ist, dass alle regelmäßig im östlichen Mittelmeerraum auftretenden Eulenarten bereits in der Antike bekannt waren.

3.4 Rabenvögel 3.4.1 Rabe, Krähe und Dohle Dass mit den drei Begriffen κόραξ, κορώνη und κολοιός Rabe, Krähe und Dohle bezeichnet wurden, darauf wurde im Zusammenhang mit den Kormoranen bereits hingewiesen. Die Übertragung der Namen einer Artengruppe auf andere Formen lässt folgende Schlüsse zu: (1) Sowohl die drei Kormorane, als auch die in diesem Abschnitt behandelten Rabenvögel wurden innerhalb ihrer Gruppe als einander nahe stehende Arten erkannt, was eine solche Übertragung erst zulässt. (2) Die Namen und somit auch die Existenz zumindest der drei unterschiedlichen Rabenvogelarten müssen allgemein bekannt gewesen sein. Nur diese Voraussetzung ermöglicht es, beim Leser oder Zuhörer eine Assoziation des Bekannten mit ähnlich strukturiertem Neuem zu bewirken, in diesem Falle also eine Vorstellung von den Kormoranen mit ihren interspezifischen Ähnlichkeiten und Unterschieden zu erwecken. Für ihren Bekanntheitsgrad dürften jene Rabenvögel wohl vor allem selbst gesorgt haben. Als Allesfresser spielen sie seit jeher nicht nur eine wichtige Rolle bei der Entsorgung von Aas und Abfällen, sondern sie strebten auch in die Nähe des Menschen. In den Kulturräumen fällt immer genügend Nahrung ab; außerdem wurde gerade auch durch neuere Forschungen belegt, dass (zumindest bestimmte Arten der) Rabenvögel eine relativ hohe Intelligenz aufweisen, besonders auch, wenn es darum geht, neue Nahrungsquellen zu erschließen (Glutz von Blotzheim 1993c: bes. 1901–1930, 1990– 2021; vgl. Plüss 2007). Begegnungen zwischen Mensch und Rabe, Dohle oder Krähe gehören auch heute noch zum Alltag, selbst in den Zentren der Städte.

85

Es ist in diesem Zusammenhang – der Vollständigkeit halber – besonders die Diskussion um die Begriffe saurix und sorex zu erwähnen; vgl. hierzu Schwentner (1955) und Hübner (1969 und 1971). Vgl. auch die Vorschläge zu den Bezeichnungen αἰγοκέφαλος, λόκαλος, ἀσκάλαφος (Peck 1965: 145–147; Thompson 1936: 194).

82

Darüber hinaus kann festgestellt werden: (3) Diese Arten wurden zu jeweils einer Gruppe zusammengefasst, weil sie sich morphologisch ähnlich sind. Dass bei der Krähe im Vergleich zu den anderen Rabenvögeln der Grauanteil überwiegt, ist kein Widerspruch zu dieser These; vielmehr sind hier der dunkle Gesamteindruck und wohl auch die Schnabelfärbung von Bedeutung. Letzteres zeigt sich besonders auch in der Abgrenzung gegenüber anderen schwarz gefiederten Rabenvögeln wie Alpendohle und Alpenkrähe, welche gelbe respektive rote Schnäbel besitzen. Auch die drei Kormoranarten zeigen diesen dunklen, schmutzig-grauen bis schwarzen Gesamteindruck und sich einander ähnelnde Körperstrukturen. (4) Zur Differenzierung innerhalb einer Gruppe diente vor allem die Körpergröße in Kombination mit weiteren Merkmalen; an dieser Stelle wiederum muss natürlich an Details in der Gefiederfärbung gedacht werden. Dass die Größe ein wesentlicher Faktor in der Unterscheidung bestimmter Arten war, wird besonders bei eingehender Betrachtung einer Quelle in Bezug auf den Raben deutlich. Aristoteles berichtet, dass die ägyptischen Raben kleiner als diejenigen in Griechenland seien (hist. an. 7 (8), 606a 23–24); dies ist zutreffend, wenn man berücksichtigt, dass die in Griechenland vorkommende Art, der Kolkrabe (Corvus corax), nur im äußersten Norden Ägyptens anzutreffen ist, weiter im Landesinneren aber hauptsächlich durch den Wüstenraben (Corvus ruficollis), seltener durch den Borstenraben (Corvus rhipidurus) ersetzt wird, welche beide deutlich kleiner sind, sonst aber dem Kolkraben sehr ähnlich sehen (Svensson et al. 1999: 336–339). In der Antike wurden lediglich die Größenunterschiede, nicht aber die morphologischen Abweichungen zwischen diesen Raben wahrgenommen; verständlich, angesichts nicht vorhandener moderner Hilfsmittel. Dem Hinweis bei Schmidt (2002: 8), das Fehlen des Kolkraben in Attika und einem Teil Euböas in unserer Zeit sei „möglicherweise“ auch in der Antike ein Faktum gewesen, ist zu widersprechen. Zum einen weist die Autorin selbst darauf hin, dass die von ihr angegebenen Quellen (Ael. nat. anim. V, 8; Plin. nat. 10, 30) nicht vom Raben, sondern von der Krähe sprechen. Zum anderen erfahren wir von einem Zeitzeugen: ἔτι δὲ τὰ κατὰ πόλεις εἰωθότα μάλιστα ζῆν, κόραξ καὶ κορώνη (Aristot. hist. an. 8 (9), 617b 12–14). Wenn ausgerechnet Athen hiervon die Ausnahme gebildet hätte, wäre es dem Aristoteles sicherlich eine Erwähnung wert gewesen (die Stelle hist. an. 8 (9), 618b14–17 erzählt zwar davon, wie die Raben einst Athen und die Peloponnes verlassen hätten, doch ist die Pelo83

ponnes aktuell von Kolkraben besiedelt; zum anderen erscheint mir diese Textstelle legendenhaft angehaucht zu sein, sagt Aristoteles doch, das gemeinsame Verlassen jener Gebiete sei durch Kommunikation unter den Vögeln vorbereitet worden). Was nun die Aussagen über die Krähen bei Aelian und Plinius angeht (l. c.), so lässt sich keine befriedigende Erklärung geben. Die beiden Quellen sind im Vergleich bereits inhom*ogen; Aelian berichtet, dass auf der Akropolis Athens keine Krähen zu finden seien, Plinius jedoch schränkt dies auf die Zeit von September bis Februar ein. Es kann nur spekuliert werden, dass die Krähen in Frühjahr und Sommer den Athener Burgberg als Brutplatz in Anspruch nahmen und dort dann eben häufiger auftraten als in Herbst und Winter, wo sie möglicherweise die Stadt zu Füßen der Akropolis häufiger frequentierten, etwa aufgrund eines reicheren Nahrungsangebotes. Die Krähen bieten ein eindrückliches Beispiel dafür, wie volksbekannt manche Tiere waren und heute noch sind und wie selbstverständlich man beim Leser die Kenntnis jener Arten voraussetzt(e). Die für die antiken Autoren aus dem griechischen und italischen Gebiet bekannte Art war die Nebelkrähe (Corvus cornix). Nördlich der Alpen und in Westeuropa schließt damals wie heute das Verbreitungsgebiet der Rabenkrähe (Corvus corone) an. Beide Arten sind eng miteinander verwandt, unterscheiden sich aber in der Gefiederfärbung. Während die Rabenkrähe durchgehend schwarz befiedert ist, sind bei der Nebelkrähe große Partien grau gefärbt, namentlich Rücken und Bauch. Dass sich diese Art durch ihren Grauanteil von Rabe und Dohle also deutlich unterscheidet, war den Autoren der Antike keine besondere Erwähnung wert. Sehr wohl aber fiel es auf, wenn eine Abweichung von dieser „griechisch-römischen“ Norm vorkam, wie uns Strabon zeigt: ἴδιον δ’ εἴρηκεν ἐν Ἰβηρίᾳ ὁ Ποσειδώνιος καὶ τὸ τὰς κορώνας μελαίνας εἶναι (Strab. Geogr. III, 4, 15). Diese von Poseidonios bzw. Strabon überlieferte Tatsache scheint bei Forschern der Neuzeit für etwas Verwirrung gesorgt zu haben – offensichtlich basierend auf mangelnden ornithologischen Kenntnissen. So übersetzte Albert Forbiger: „Als eine Eigentümlichkeit Iberiens berichtet Posidonius auch, dass dort die Krähen nicht schwarz sind“; und er ergänzte in der entsprechenden Fußnote: „Dieses in den Handschr. fehlende μή hat schon Casaub[onus] hinzugefügt“ (Forbiger 1892: 224). Die Quelle war aber nicht von den Kopisten verfälscht worden, sondern Isaac Casaubonus wurde offenbar

84

durch seine „Gewohnheit“, nämlich dem Anblick der mitteleuropäischen, völlig schwarzen Rabenkrähe in die Irre geführt, und bei Forbiger ist denkbar, dass er das Vorkommen der Nebelkrähe in den Mittelmeerländern Griechenland und Italien ohne Überprüfung auch auf die iberische Halbinsel übertrug.86 Die hier erwähnten Fakten schließen aus, dass die Menschen der Antike unter der Bezeichnung κορώνη neben der Nebel- auch die Raben- und die gleichfalls schwarz gefärbte Saatkrähe (Corvus frugilegus) miteingeschlossen hätten, wie andere Autoren vermuten (vgl. Hünemörder 1999, s. v. „Krähe“).87 Als Name für die Dohle (Corvus monedula) ist κολοιός auf Grund der Ähnlichkeit mit der Bezeichnung κελεός für den Grünspecht Anlass für einige Verwirrung gewesen, etwa wenn dem κολοιός starke Krallen zum Klettern attestiert wurden (Aristot. hist. an. 8 (9), 614b 5–6) Aus dem Textzusammenhang muss dann geschlossen werden, welcher der beiden Vögel tatsächlich gemeint ist. Festzuhalten bleibt, dass beide hier genannten altgriechischen Wörter für den Grünspecht benutzt werden (vgl. Kapitel 3.5.2; κολοιός könnte in diesem Zusammenhang auch irrtümlich durch unachtsame Kopisten eingesetzt worden sein), für die Dohle aber stets κολοιός. 3.4.2 Die übrigen Rabenvögel Zu den bekanntesten Rabenvögeln zählt der Eichelhäher (Garrulus glandarius); diese Feststellung ist auch für die Antike gültig, wie die überlieferten Kenntnisse hinsichtlich der Details über das Aussehen und das Verhalten jener Art zeigen, die mit κίσσα oder κίττα benannt wird. Zwar findet sich keine eingehende, vollständige Beschreibung, doch lässt sich aus einzelnen Aussagen unschwer der Bezug herstellen. Besonders betont werden die Fähigkeit des Eichelhähers, Geräusche aus seiner Umwelt zu imitieren, und seine Angewohnheit, Eicheln und andere Früchte in Futterdepots zu sammeln (Aristot. hist. an. 8 (9), 615b 19–23; vgl. Ael. nat. anim. VI, 19; Dion. ixeut. I, 18).

86

Issac Casaubonus, 1559 in Genf geboren, verbrachte einen großen Teil seines Lebens in Frankreich und England, wo er 1614 starb; er hielt sich also ständig im Rabenkrähenbereich auf. Albert Forbigers (1798– 1878) Leben spielte sich vor allem in Leipzig und Dresden ab, wo die Nebelkrähen dominieren. Für die erwähnte Textstelle können albinotische Vögel aufgrund ihrer Seltenheit ausgeschlossen werden; vgl. hierzu auch Avery (1953). 87 Zur möglichen Benennung der Saatkrähe siehe auch Kapitel 3.5.3.

85

Einen heute mindestens ebenso hohen Bekanntheitsgrad erreicht die Elster (Pica pica), die sich aber in den altgriechischen Texten nicht eindeutig nachweisen lässt. Woher rührt diese vermeintliche Unstimmigkeit? Vier Vermutungen lassen sich gar darüber anstellen, doch gleich vorweg: keine führt zu einer befriedigenden Erkenntnis. Eine erste denkbare Variante wäre, dass die Elster derart alltäglich war und in den Augen der antiken Autoren keine herausragenden Eigenschaften besaß, so dass sie keine besondere Erwähnung erfährt. Die archäologischen Befunde können dies jedoch nicht stützen (die These ist dadurch noch nicht widerlegt; das Datenmaterial ist hierfür einfach zu spärlich). Zum zweiten könnte eine der bisher unbestimmbaren Vogelbezeichnungen, zu denen keine weitere Beschreibung gegeben wird, für die Elster stehen. In der Textstelle Aristot. hist. an. 8 (9), 617b 16–19 etwa werden verschiedene (weitere) Formen des κολοιός beschrieben; unzweifelhaft sollen also Rabenvögel angesprochen sein, und zwei Bezeichnungen stehen ohne weitere hilfreiche Erläuterung: λύκος und βωμολόχος – möglicherweise fällt die Elster unter eine der beiden.88 Drittens könnte eine Erklärung mit Hilfe von Plinius’ Naturgeschichte gefunden werden. In seinem lateinischen Text erwähnt er neben Eichelhähern auch die Elstern. Hier bestehen keine Zweifel an der Artbestimmung, betont er doch ihre Langschwänzigkeit; er vereint beide Formen unter dem Terminus genus picarum (Plin. nat. 10, 78; 10, 118–119), ohne die einzelne Art zu benennen. Es könnte also sein, dass auch im Altgriechischen κίσσα als Sammelbezeichnung diente und somit nicht nur für den Eichelhäher, sondern auch für die Elster stand. Auch der vierte Gedanke entspringt Plinius’ Werk. Aus seiner Aussage, die Elstern seien ein seltener Anblick in Rom gewesen (Plin. nat. 10, 78), kann geschlossen werden, dass die Art in der Antike entweder noch nicht so sehr an menschliche Siedlungen ge88

Eine Verbindung zwischen βωμολόχος und sprichwörtlicher Neugier oder der Angewohnheit, Gegenstände zu „stehlen“, wie sie durch Kellers (1913: 109) Übersetzung als „Altardieb“, „Schmarotzer“ und „Possenreißer“ (bei Balme / Gotthelf (1991: 289) findet sich als englische Übersetzung „joker“) hergestellt wird, träfe bei der Elster eher zu als bei der Dohle, die Keller (l. c.) dahinter erkannt haben will (vgl. Musée d’histoire naturelle Fribourg 2006: 17). Möglicherweise verbirgt sich hinter κύμινδις die Elster (siehe Kapitel 3.5.4).

86

bunden und möglicherweise vielen Menschen unbekannt war, was eine der erstgenannten diametral entgegengesetzte These wäre (vgl. dort aber die Bemerkung zu den archäologischen Erkenntnissen; vgl. auch Glutz von Blotzheim 1993c: 1472–1473, wo allgemein das Vordringen der Elster in den Kulturraum beschrieben ist). Oder aber es hat erst während der Antike eine Besiedlung des italischen und griechischen Gebietes stattgefunden, so dass auch Plinius die Elstern noch als Ausnahmeerscheinung bezeichnen konnte.89 Dass über die beiden Rabenvogelarten des Hochgebirges, die Alpendohle (Pyrrhocorax graculus) und die Alpenkrähe (Pyrrhocorax pyrrhocorax), nur spärlich Informationen aus der Antike überliefert wurden, überrascht aufgrund der Unwirtlichkeit und oftmals auch Unzugänglichkeit ihres Lebensraumes nicht. Lediglich Aristoteles erwähnt die krähengroße, rotschnäbelige Alpenkrähe (κορακίας, Aristot. hist. an. 8 (9), 617b 16–17), nicht aber die Alpendohle. Bei Plinius findet sich das umgekehrte Bild: Über die Alpendohle (pyrrho-corax) schreibt er richtig luteo rostro niger (Plin. nat. 10, 133), erwähnt aber keine rotschnäbelige Art, was jedoch keine Rückschlüsse auf die historische Verbreitung beider Arten zulässt.

3.5 Vögel der Felder, Wälder und menschlichen Siedlungen 3.5.1 Tauben Die selbstverständliche Verwendung unterschiedlicher Bezeichnungen für Tauben schon in den Homertexten führt uns die Vertrautheit vor Augen, welche die Menschen bereits im 8. Jh. v. Chr. gegenüber diesen Vögeln gehabt haben müssen (vgl. etwa Hom. Il. II, 502, II, 634, XV, 238). Bedenkt man ferner, dass bei Homer die Taube nicht als Haus-, sondern als Wildtier Erwähnung fand (Thompson 1936: 225; vgl. Lockwood 1990: 263), so darf gefolgert werden, dass Menschen und Wildtauben bereits seit geraumer Zeit dieselben Lebensräume besiedelten, die Distanz zueinander verloren hatten (besonders ist hier natürlich an die Fluchtdistanz der Vögel zu denken) und offensichtlich auch gegenseitigen Nutzen davon trugen: Den Menschen bot sich eine Nahrungsergänzung (sowohl

89

Zooarchäologische Erkenntnisse könnten in diese Richtung deuten (auch hier ist die Datenmenge noch zu schwach); jedenfalls scheint die Elster in der Minoischen Epoche zumindest auf Kreta nicht vorgekommen zu sein (Stephanie Vann [School of Archaeology and Ancient History, University of Leicester] in litt.; Masseti 1997: 358).

87

die Vögel selbst, als auch deren Eier; Dion. ixeut. III, 12; vgl. Haag-Wackernagel 1998: 60–61), und trotz der hiermit verbundenen Nachstellungen bot sich durch die Kultivierung der Landschaft für die Taubenvögel ebenfalls ein vergrößertes Nahrungsangebot (Feldfrüchte, Saatgut) bzw. ein erleichterter Zugang zu Nahrungsquellen. Vor diesem Hintergrund des mehr oder weniger nahen Zusammenlebens ist es dann auch erklärbar, dass Unterschiede zwischen den (zumindest auf die Ferne) graublau erscheinenden Taubenarten, um welche es bei Homer geht, festgestellt werden konnten. Bei Aristoteles findet sich neben einer Sammelbezeichnung (περιστεροειδῆ) für die unterschiedlichen Formen der Taubenvögel eine Auflistung derselben (hist. an. 5, 544b 1– 11). Interessanterweise haben die altgriechischen Namen bei modernen Wissenschaftlern Verwirrung hervorgerufen, was schließlich zu uneinheitlichen Artzuordnungen geführt hat (Thompson 1936: 225–227; Pollard 1977: 56–57; Balme / Gotthelf 1991: 540–541; Hünemörder, s. v. „Taube“). Dabei ist eine Zuordnung ohne innere Widersprüche bereits Sundevall aufgrund sorgfältiger Überlegungen gelungen (1863: 134–137): περιστερά wird als Name für die Haustierform der Taube (Columba livia f. domestica; „Straßentaube“) verwendet, die aufgrund ihrer Bekanntheit als Vergleichsobjekt dient, wie ja auch schon die Sammelbezeichnung andeutet. Dass περιστερά mit den Menschen zusammenlebt (συνανθρωπίζειν, Aristot. hist. an. 1, 488b 3), darf ebenso als Bestätigung der Namenszuordnung gelten wie der Hinweis auf die verhältnismäßig einfache „Zähmung“ derselben (Aristot. hist. an. 5, 544b 2). Es ist dem Aristoteles offensichtlich ein Anliegen, deutlich zu machen, dass πελειάς eine andere Art als die zuvor beschriebene Taube ist und im Gegensatz zu jener von den Menschen nicht gehalten wird (Aristot. hist. an. 5, 544b 4). Das an gleicher Stelle erwähnte Attribut μέλαν darf wohl nicht wörtlich als reine Farbzuweisung verstanden werden, sondern es mag darauf hinweisen, dass diese Taube durch nur geringe Farbkontraste in ihrem Gefieder insgesamt eintöniger dunkel wirkt als andere Arten; hier wird das Bild der Hohltaube (Columba oenas) gezeichnet (vgl. Svensson et al. 1999: 200–201); auch die Größenangabe passt hierzu, ebenso wie das Faktum der roten Beine (Aristot. l. c.); die Beinfärbung ist zwar bei den meisten Tauben als rötlich zu bezeichnen, doch ist das Rot

88

bei der Hohltaube ganz besonders ausgeprägt (Glutz von Blotzheim 1994b: 18, 44, 66, 101). Die drei weiteren Taubenarten lassen sich gut über die Größenangaben bei Aristoteles (l. c.) erschließen. Die größte unter den Tauben ist φάττα (auch φάσσα oder φάψ), die Ringeltaube (Columba palumbus). Am anderen Ende der Größenskala findet sich die Turteltaube (Streptopelia turtur), altgriechisch τρυγών. Unter dem Namen οἰνάς als zweitgrößte der Tauben komplettiert schließlich die Felsentaube (Columba livia), die Wildform der Haustaube, diesen Formenkreis (über die grünen Tauben Indiens, von denen Aelian berichtet, vgl. Kapitel 3.7). Die weißen Tauben, welche 492 v. Chr. aus dem Osten nach Griechenland eingeführt worden sein sollen (Ath. IX, 394e; vgl. Orth 1910), erinnern an die sehr hell gefärbte Türkentaube (Streptopelia decaocto), eine Art, die sich erst in jüngster Zeit nach Mittelund Westeuropa ausgebreitet hat (vgl. etwa Bauer et al. 2005, Bd. 1: 668–669); es wäre also möglich, dass in der Antike auch die Besiedlung des ostmediterranen Raumes noch nicht stattgefunden hatte. 3.5.2 Spechte, Kleiber und Baumläufer Spechte sind vor allem dafür bekannt, dass sie gegen Bäume hämmern. Nach diesem Charakteristikum nennt sie bereits Aristophanes δρυοκολάπται (av. 480, 979; „Holzklopfer“ in der Übersetzung Hünemörders 2001, s. v. „Specht“), was als Sammelbezeichnung für Spechte und andere, Bäume bewohnende und „bearbeitende“ Arten zu verstehen ist (vgl. Aristot. hist. an. 7 (8), 593a 3–14). Den gleichen Zweck erfüllt auch πελεκᾶντες; dass damit nicht etwa Pelikane gemeint sind, sondern eindeutig die Spechte, machen Aristophanes (av. 1154–1156) und Hesychios (s. v. „πελεκάν“; vgl. Gossen 1940a: 87) deutlich. Auch Aristoteles ist bemüht, Missverständnisse hinsichtlich dieser Bezeichnung zu vermeiden; so klärt er seine Leser auf, dass an entsprechender Stelle die Tiere der Flüsse, also die Pelikane, gemeint sind (und nicht die Spechte; Aristot. hist. an. 8 (9), 614b 27; vgl. Thompson 1936: 231–233). Eine Einschränkung ist jedoch zu machen: Der Grünspecht (Picus viridis) zählt bei den antiken griechischen Autoren ganz offensichtlich nicht zu den δρυοκολάπται, wie aus

89

Aristot. hist. an. 8 (9), 614a 34–614b 17 herausgelesen werden kann. Als κελεός deutlich identifizierbar beschrieben (Aristot. hist. an. 7 (8), 593a 8–12), wird der Grünspecht in jener Textstelle, welche die einzelnen Spechtarten aufzählt, lediglich zum Vergleich herangezogen: [ὁ δρυοκολάπτης] ἔχει δὲ καὶ τοὺς ὄνυχας βελτίους τῶν κολοιῶν πεφυκότας πρὸς τὴν ἀσφάλειαν τῆς ἐπὶ τοῖς δένδρεσιν ἐφεδρείας (l. c.; in diesem Zusammenhang kann κολοιός schwerlich die Dohle bezeichnen – siehe Kapitel 3.4.1 –, sondern muss für den Grünspecht stehen). Ein weiteres Indiz für diese These ist die Aussage, ein δρυοκολάπτης würde nicht auf der Erde sitzen (l. c.); dies ist jedoch eine der herausragenden Verhaltensweisen des Grünspechts, dessen Nahrung zu einem großen Teil aus bodenlebenden Ameisen besteht (vgl. Glutz von Blotzheim 1994b: 958). Warum der Grünspecht nicht zu den „Holzklopfern“ gerechnet wurde, kann durch eine andere Eigenschaft dieser Art erklärt werden: er „trommelt“ nur sehr selten. Jedoch war der Umstand bekannt, dass auch er zumindest einen Teil seiner Nahrung an Bäumen sucht und selbige entsprechend bearbeitet – aber eben ohne das berühmte laute und schnelle Klopfgeräusch zu erzeugen (vgl. Aristot. hist. an. 7 (8), 593a 8–12; Glutz von Blotzheim 1994b: 950). Im Balkan- und Ägäisraum kann man eine ganze Reihe weiterer Spechte antreffen, deren Gemeinsamkeit vor allem in der Gefiederfärbung besteht. So unterscheiden sich Buntspecht (Dendrocopos major), Blutspecht (Dendrocopos syriacus), Weißrückenspecht (Dendrocopos leucotos), Mittelspecht (Dendrocopos medius) und Kleinspecht (Dryobates minor) zwar in einigen Färbungs- und Musterungsdetails, der Gesamteindruck ist aber immer der gleiche: „Rücken“ überwiegend schwarz mit einigen weißen Stellen, Unterseite weißlich, dazu einzelne rötliche Stellen, besonders im Bereich der sogenannten Unterschwanzdeckfedern und am Kopf. Die dadurch verursachte Unterscheidungsschwierigkeit spiegelt sich in der Tatsache wider, dass diese Spechte lediglich anhand ihrer Größe voneinander getrennt wurden. Man erkannte eine kleinere und eine größere Form: οἷον πιπὼ ἥ τε μείζων καὶ ἐλάττων (Aristot. hist. an. 7 (8), 593a 4–5). Wie die tatsächlichen Größenverhältnisse zeigen, setzt sich der Kleinspecht auch auf größere Entfernung deutlich von den übrigen hier genannten Arten ab und darf somit als die kleine Form gelten; die anderen schwarz-weiß-roten Spechte wurden vermutlich nicht untereinander differenziert; ihre nahe beieinander liegenden Körpermaße machen dies ohne direkten Vergleich aus der Nähe und ohne heutige Möglichkeiten zu einem äußerst schwierigen Unterfangen. Sie

90

stellen als Gesamtheit also die größere Form dar (vgl. Svensson et al. 1999: 226–229; Arnott 1977a: 337). Schließlich gibt es noch einen Specht, der laut Aristoteles die Größe eines Haushuhns erreichen soll (hist. an. 8 (9), 614b 10–11), was nur auf den Schwarzspecht (Dryocopus martius) zutreffen kann. Er wird nicht mit dem Begriff πιπώ benannt, sondern nur unter den δρυοκολάπται geführt. Unter allen Spechten war den antiken Griechen sicherlich der Wendehals (Jynx torquilla) am vertrautesten. Das geht sowohl aus den detailreichen Beschreibungen seiner Verhaltensweisen und sogar anatomischer Merkmale in der Literatur hervor90, wie auch aus den Darstellungen in der Kunst (vgl. hierzu Böhr 2000). Das Vorhandensein von mehr als nur einer altgriechischen Bezeichnung für den Wendehals untermauert die Vertrautheit und „Volksnähe“ des Vogels: man nannte ihn ἴυγξ und κιναίδιον. Aristoteles nennt noch eine weitere Form von δρυοκολάπται, obwohl mit den bisher genannten Vögeln alle Spechtarten, die für das antike griechische Gebiet in Frage kommen, bereits angesprochen wurden. Was erfahren wir über diesen Vogel? Man nennt ihn κνιπολόγος, er erreicht die Größe eines Finkenvogels, besitzt eine „geringe“ (μικρόν) Stimme, beklopft ebenso wie die anderen Spechte das Holz, ist von grauer Farbe und καταστικτός (Aristot. hist. an. 7 (8), 593a 13–14). Dieses Wort wurde oft als „gefleckt“ übersetzt, und in Verbindung mit den anderen Merkmalen wurde diese Form als Baumläufer (Certhia sp.) identifiziert.91 Dem ist zu widersprechen. Zwar kommen beide westpaläarktischen Baumläuferarten im relevanten Gebiet vor, sind aber nicht aschgrau gefärbt, wie es uns der Text über den gesuchten Vogel berichtet, und schlagen nicht nach Spechtmanier auf Holz ein. Vielmehr deutet meiner Meinung nach alles auf die Kleiber hin. Für die Kleiber liegt zwar mit σίττη eine separate Bezeichnung vor, die jedoch nur zwei Mal bei Aristoteles und nur wenige Male in anderen griechischen Texten auftaucht (vgl. Thompson 1936: 260–261). Die Kleiber führen ein wesentlich auffälligeres Leben als die 90

Aristot. hist. an. 2, 504a 11–19; part. an. 4, 695a 22–24; Dion. ixeut. I, 23. Vgl. Schol. Theokr. II, 17; Plin. nat. 11, 256. Immer wieder werden die Beweglichkeit des Kopfes und die Länge der Zunge betont. 91 Zur Übersetzung von καταστικτός vgl. Balme / Gotthelf (1991): 103. Folgende Wissenschaftler sind der Meinung, es müsse sich um einen Baumläufer handeln: Sundevall (1863: 121), Thompson (1936: 150; hier noch der Verweis auf weitere Autoren), Pollard (1977: 51), Arnott (1977a: 335–336).

91

Baumläufer, welche durch ihre rindenartige Gefiederfärbung beim Klettern an Bäumen oftmals nur schwer zu erkennen sind. Es wäre verwunderlich, wenn jene Artengruppe nicht häufiger Erwähnung finden würde. Die Kleiber sind tatsächlich oberseits grau gefärbt; die Unterseite weist rötlich-braune und weiße Färbung auf. Somit passt auch der Begriff καταστικτός gut in dieses Schema. Er ließe sich auch als „bunt“ übersetzen, was dieser Zweifarbigkeit entspräche. Oder aber man bleibt bei der Übersetzung „gefleckt“, dann ist denkbar, dass sich dies entweder auf die auffälligen Flecken an den Unterschwanzdecken des europäischen Kleibers (Sitta europaea) oder auf den Brustfleck des Türkenkleibers (Sitta krueperi) bezieht, oder gar als allgemein auf die Kleiber zutreffend. Des weiteren wäre eher die Stimme des Kleibers (weil relativ wenig abwechslungsreich) als qualitativ „gering“ einzustufen, denn jene der Baumläufer oder anderer melodiöser Sänger.92 Auch klopft er – deutlich vernehmbar – auf das Holz der Bäume. Und schließlich findet sich ein Detail an anderer Stelle: Es soll Spechte geben, die mit dem Kopf voran an Baumstämmen abwärts klettern (Aristot. hist. an. 8 (9), 614b 3–4) – vergessen wir nicht, dass der Vogel, dem wir hier auf der Spur sind, aus der Gruppe der Spechte (nach antiker Definition) stammt –, ein Verhalten, das von den Kleibern weitaus häufiger gezeigt wird als von Baumläufern (Glutz von Blotzheim 1993b: 817, 819, 852, 925, 956); daraus darf geschlossen werden, dass also die Kleiber sehr wohl in ihrer Verhaltensweise bekannt waren. All diese hier dargelegten Mosaiksteinchen können meines Erachtens nur das Bild der Kleiber ergeben. Eine dritte Kleiberart des östlichen Mittelmeerraumes, der Felsenkleiber (Sitta neumayer), hat eine relativ einfarbige Unterseite, so dass er dem eben gezeigten Muster nicht entspricht; es ist aber auch wahrscheinlich, dass diese Art den antiken Menschen aufgrund seiner abgelegenen Lebensräume (Gebirge) nicht oder nur aus der Ferne (und somit nicht näher beschreibbar) bekannt war. Der Felsenkleiber ist überdies kein typischer „Baumvogel“, sondern seinem Namen entsprechend meist an Felsen anzutreffen (vgl. Beaman / Madge 2007: 718–719).

92

Dies kann jedoch nur ein vages Argument sein, da die Absicht hinter der Benutzung von μικρόν im Dunkeln bleibt; das Wort könnte auch im quantitativen Sinne gebraucht worden sein, was dann wieder für die Baumläufer spräche, deren Stimmen etwas „schwächer“, sprich leiser sind als diejenigen der Kleiber und vieler anderer Vögel.

92

Was nun die Baumläufer angeht, so darf man sie am ehesten hinter der Beschreibung des κέρθιος vermuten (Aristot. hist. an. 8 (9), 616b 28–31). Für eine genauere Analyse liegt jedoch nicht genügend Material vor. 3.5.3 Hühnervögel und Trappen Die Hühnervögel geben ein gutes Beispiel für die Diversität der Wahrnehmung von Vögeln in der antiken griechischen Welt. Aus dieser Gruppe entstammen sowohl Wildformen, die gejagt und auch gehalten wurden, wie auch Haustierformen und sogar importierte exotische Vögel. Vom Huhn als Haus- bzw. gezüchtetes Nutztier soll später die Rede sein (Kapitel 4.3.1). Bereits in vorgeschichtlicher Zeit, lange vor Einführung und Zucht des Haushuhns, bereicherten wilde Hühnervögel den Speisezettel der Menschen in jenem Gebiet, in welchem sich später die griechische Kultur etablieren sollte (Tomek / Bocheński 2002; von den Driesch / Boessneck 1990: 115; vgl. auch Krönneck 1996: 231). Und an erster Stelle ist hier πέρδιξ zu nennen. Dieser Vogel muss den Bewohnern des griechischen Gebietes in der Antike äußerst vertraut gewesen sein, was sich an mehreren Aspekten ablesen lässt. Der Name wird zwar für das Männchen (ὁ πέρδιξ) wie für das Weibchen (ἡ πέρδιξ) benutzt, aber immerhin werden beide Geschlechter in ihren unterschiedlichen Verhaltensweisen beschrieben. Da sich die Geschlechter optisch nicht unterscheiden, setzt dies eine genaue Beobachtung der Art über einen längeren Zeitraum hinweg voraus. Darüber hinaus konnten sich im Laufe der Zeit verschiedene Regionalbezeichnungen ebenso in der Sprache etablieren wie gesonderte Begriffe für Jungvögel oder eine Diminutivform93; auch dies ist ein Nachweis für eine dauerhafte Koexistenz zwischen Mensch und diesem Vogel, dessen Identität hier zunächst gelüftet werden soll: es sind das Steinhuhn (Alectoris graeca) und das Chukarhuhn (Alectoris chukar), zwei nahe miteinander verwandte Arten, von denen diese vor allem in Kleinasien und der Levante verbreitet ist, jene aber mit Schwerpunkt auf der Balkanhalbinsel. In der Antike wurden beide Formen aufgrund ihrer extrem ähnlichen Färbung gewiss nicht als eigenständige Arten voneinander getrennt. Hingegen waren die deutlichen Unterschiede in den Lautäußerungen bekannt, wie bei Aristoteles zu erfahren ist (hist. an. 8 (9), 614a 21–22; vgl. Ael. nat. anim. IV, 13; Ath. IX, 93

Zu den verschiedenen Namen und Bezeichnungen vgl. Thompson (1936): 235 (mit Verweis auf die weiteren Stellen); Gossen (1940a); Hünemörder (2001), s. v. „Steinhuhn“.

93

390a–b; Arnott 1977a: 336–337), was beweist, dass tatsächlich nicht nur eine der beiden Arten in Betracht kommt. Das dauerhafte Miteinander von Menschen und diesen Hühnervögeln schlug sich nicht nur in biologischem Wissen, sondern auch in einer Art Personifizierung der Tiere nieder. Die vermeintliche sexuelle Zügellosigkeit der πέρδικες wurde geradezu sprichwörtlich. Letztendlich dürfte jedoch auch hierfür die Naturbeobachtung Pate gestanden sein, etwa wenn der Hahn nur bei der Begattung in der Nähe der Henne gesehen wurde, nicht aber während der Bebrütung (was keine Ausnahme bei diesen Arten darstellt: vgl. Glutz von Blotzheim 1994a: 240–241; Maumary et al. 2007: 258–259). Eine Beschreibung des Rebhuhns (Perdix perdix) als die in Italien vorkommende πέρδιξ-Form ist überliefert (Ath. IX, 390b). Dass dieser Vogel nur als Bewohner der Apenninenhalbinsel, nicht aber Griechenlands selbst bekannt war, ist sicherlich der nur lückenhaften Verbreitung im ostmediterranen Raum zuzuschreiben (Bauer et al. 1969: 56, 153). Wie das Haushuhn, so war auch das Helmperlhuhn (Numida meleagris) ursprünglich nicht im griechischen Kulturraum beheimatet. Es erlangte dennoch eine gewisse Bekanntheit im Zusammenhang mit der Meleagros-Erzählung: die um den Helden Meleagros trauernden Frauen wurden dem Mythos nach in ebensolche Perlhühner verwandelt (Ael. nat. anim. IV, 42; Jackson 2000; Buxton 2005: 154). Die Beschaffung der konsequenterweise μελεαγρίδες genannten Vögel musste im Inneren Afrikas, möglicherweise im äthiopischen Raum, erfolgt sein; Strabon etwa erwähnt ihr Vorkommen auf einer Insel im Roten Meer (Strab. Geogr. XVI, 4, 5)94. Auch nach ihrer Einführung nach Griechenland galten sie als Kostbarkeit, die zwar gemeinhin bekannt (vgl. die selbstverständliche Erwähnung bei Ael. nat. anim. V, 27), für die meisten aber auch unerschwinglich gewesen sein dürfte. In diesem Zusammenhang sind mehrere Berichte bei Athenaeus von Interesse: neben der bereits erwähnten Textstelle auch Ath. XIV, 655a und c–e; hier drückt sich die Kostbarkeit der Tiere auch in ihrem Status als „heilige Vögel“ aus.

94

Thompson (1936: 198–199) weist darauf hin, dass eine Beschreibung bei Columella die Bekanntheit zweier unterschiedlicher Perlhuhnformen voraussetzt; die „griechische Form“ entspricht dem oben vorgestellten Vogel, eine „römische Form“ deutet möglicherweise auf eine andere Unterart von Numida meleagris aus dem westlichen Nordafrika hin, ist für die Erforschung der Vogelwelt der griechischen Antike aber zunächst nicht weiter von Belang.

94

Ein weiterer Hühnervogel, der aus dem Osten importiert wurde, verbreitete sich erfolgreich in der Wildnis des griechischen Mittelmeergebietes: φασιανός, der Fasan (Phasianus colchicus).95 „Klein, aber fein“ – dies trifft aus Sicht der alten Griechen im wörtlichen Sinne auf die Wachtel (Coturnix coturnix) zu. Wenn die ὄρτυγες auf ihren jährlichen Wanderungen in großer Zahl auch in Griechenland und den benachbarten Regionen einfielen, waren sie eine willkommene Ergänzung des Speiseplans so mancher Küstenbewohner. Haben die Vögel nämlich das Mittelmeer oder andere schwierige Flugstrecken hinter sich gebracht, so lassen sie sich in der Nähe der Küste nieder, um wieder zu Kräften zu kommen (vgl. Glutz von Blotzheim 1994a: 300–301). In diesem erschöpften Zustand sind sie eine leichte Beute für jeden Jäger, auch etwa für Greifvögel (Ael. nat. anim. VII, 9). Entsprechend zahlreich sind die Hinweise und Anleitungen zum Wachtelfang (vgl. Thompson 1936: 216–217). Der Wachtelkönig (Crex crex) ist zwar kein Hühnervogel – er gehört zu den Rallen –, dennoch wird er meist in einem Atemzug mit den Wachteln genannt und als „Wachtelmutter“ (ὀρτυγομήτρα) bezeichnet (auch die deutsche Bezeichnung suggeriert ja eine entsprechende Verbindung). Viel ist es nicht, was uns die antiken Autoren berichten: der Wachtelkönig zieht gemeinsam mit den Wachteln, und er ähnelt eher den Sumpfvögeln – eine durchaus richtige Beobachtung (vgl. etwa Aristot. hist. an. 7 (8), 597b, 17–20). Besteht bei der Identifizierung der bisher genannten Hühnervögel auf Basis der Quellen kein Zweifel, so erweist sich der Versuch bei den folgenden als weitaus schwieriger. Die Frage, ob Haselhuhn (Tetrastes bonasia), Auerhuhn (Tetrao urogallus) oder Birkhuhn (Tetrao tetrix) den alten Griechen bekannt waren, kann letztlich nicht geklärt werden. Die drei Arten erreichen heute nur in Ausnahmefällen Griechenland im äußersten Norden (Bauer et al. 1969: 54–55, 164; Bauer et al. 2005, Bd. 1: 163, 171, 175). Die Verbreitung in der Antike mag durchaus expandierter gewesen sein, doch finden sich nur spärlich Hinweise in den Quellen, welche die Kenntnis einer oder mehrerer der drei Arten vermuten lassen. Dass die in Frage kommenden Bezeichnungen τέτραξ und τέτριξ96 ganz offen95

Vgl. Hünemörder (1998), s. v. „Fasan“; Aristot. hist. an. 5, 557a 11–12. Außerdem noch die möglicherweise abgewandelten oder abgeleiteten Formen τέτρας und τετραών (vgl. Thompson 1936: 283). 96

95

sichtlich uneinheitlich gebraucht und wahrscheinlich für mehrere, völlig unterschiedliche Vogelarten verwendet wurden, vereinfacht die Lage nicht. Höhepunkt der Verwirrung sind widersprüchliche Aussagen über τέτριξ innerhalb eines Textabschnittes bei Aristoteles. Nach dem Hinweis, dass Steinhühner und Wachteln ihr Nest auf dem Boden erbauen, heißt es zunächst: ὡσαύτως δὲ καὶ κόρυδος καὶ τέτριξ (Aristot. hist. an. 6, 559a 2). Wenige Zeilen später folgt dann die Aussage: ἡ δὲ τέτριξ, ἣν καλοῦσιν Ἀθηναῖοι οὔραγα, οὔτ’ ἐπὶ τῆς γῆς νεοττεύει οὔτ’ ἐπὶ τοῖς δένδρεσιν, ἀλλ’ ἐπὶ τοῖς χαμαιζήλοις φυτοῖς (ebd., 559a 12–14). Der einzig nachvollziehbare Schluss ist, dass hier zwei verschiedene Arten gemeint sind. Dann wären die Hühnervögel als ausgesprochene Bodenbrüter97 mit der ersten Textstelle angesprochen, jedoch noch keine Artzuordnung möglich. Welche weitere Art gemeint sein könnte, wird durch eine Stelle bei Athenaeus angedeutet, wo der τέτραξ als in der Größe dem σπερμολόγος ähnlich beschrieben wird, sein Gefieder sei von bräunlicher Farbe und mit dunklen Flecken und Strichen verziert (Ath. IX, 398c–f). Da auch der σπερμολόγος nicht eindeutig identifiziert werden kann, lassen sich lediglich drei mögliche Indizienketten zusammenstellen. Deren erste folgt der Annahme Thompsons (1936: 265), σπερμολόγος stehe für die Saatkrähe. Ein verlockender Gedanke, zumal ja auch noch keine sonstige Bezeichnung für diesen Rabenvogel ausgemacht werden konnte; sollte Thompson auf der richtigen Spur sein, kämen für τέτραξ (die zweite τέτριξ?) aufgrund der Größe in Kombination mit den Gefiedermerkmalen das Haselhuhn oder das weibliche Birkhuhn am ehesten in Frage. Eine andere Indizienkette folgt Sundevall, der in σπερμολόγος einen sehr kleinen samenfressenden Vogel erkannt haben wollte, und er schlägt dann folgerichtig das Braunkehlchen (Saxicola rubetra) für den gesuchten τέτραξ vor (1863: 112–114; jedoch ließe sich hierbei auch an das Schwarzkehlchen Saxicola torquata denken); auf gleicher Basis bringt Pollard eine der Pieperarten (Anthus spp.) als weitere Möglichkeit ins Spiel (1977: 49–50). Athenaeus (l. c.) schließlich lässt die Möglichkeit offen, ob τέτραξ nicht auch das Perlhuhn bezeichnen konnte. Wie man es also betrachten mag, ein Nachweis der Kenntnis von Hasel-, Auer- und Birkhuhn will nicht gelingen.98 Erst Plinius kann den Dunst etwas lichten, lässt aber keine Rückschlüsse auf die griechischen Begrifflichkeiten zu. Er erwähnt die Birkhühner („tetrao“) und eine ihnen 97

Glutz von Blotzheim (1994a): 46, 139, 200–201. Feinberg (1970) vermutet, dass die Textstelle bei Athenaeus korrupt sei, und schlägt nach Verbesserung derselben das Birkhuhn (genauer: den Birkhahn) als gesuchten Vogel vor. Es ist dies eine weitere in Betracht zu ziehende Möglichkeit, der aber nicht mehr oder weniger Gewicht beizumessen ist, als den bisher genannten auch. 98

96

nahe stehende Art, die größer als die Geier und von ähnlicher Färbung wie diese sein soll, womit nur das Auerhuhn gemeint sein kann (Plin. nat. 10, 56; vgl. Leitner 1972: 234–235). Auf einen dritten Weg führt Benton (1961); sie kommt zu dem Schluß, es müsse sich bei diesem Vogel um die Großtrappe (Otis tarda) handeln. Dies ist nicht völlig von der Hand zu weisen, zumal die Bilder auf antiken Vasen und Krateren, auf welche sie ihre Arbeit stützt, in der Tat Großtrappen bzw. auch Kragentrappen (Chlamydotis undulata) oder Zwergtrappen (Tetrax tetrax) darstellen mögen. Dass darüber hinaus die Trappenvögel nicht unbekannt waren, wird durch mehrere Textstellen ebenso belegt (wobei aber jeweils der Name ὠτίς verwendet wird99) wie durch archäologische Nachweise (Krönneck 1996: 231). Bentons Interpretationen einzelner Textstellen bergen jedoch Fehler in sich, so dass der eindeutige Bezug zwischen τέτραξ und den Trappen nicht zweifelsfrei hergestellt werden kann. Beispielsweise scheint ihr der Größenvergleich bei Athenaeus (l. c.) irrelevant zu sein, und den Hinweis auf die Samenfresser erklärt sie folgendermaßen: „The Great Bustard100 must collect more seeds than anyone else, for he nests in cornfields for that very purpose“ (Benton 1961: 51). Tatsächlich ist dem Vogel aber wichtig, einerseits genügend Deckung zu haben, andererseits auch große Flächen überblicken zu können, weswegen er solche Biotope aufsucht (Glutz von Blotzheim 1994a: 668–671). Falsch ist meiner Meinung nach auch ihre Interpretation von Plinius (l. c.), wonach der geiergroße Vogel wiederum die Großtrappe sei. Plinius’ Hinweis aber, der Vogel finde sich in den Alpen und nördlichen Gegenden, schließt die Trappe aus. Diese kann zwar in Asien bis auf 3000 m Höhe angetroffen werden, braucht jedoch auch hier steppenartiges Gelände, wie es in den Alpen nicht großflächig anzutreffen ist (Glutz von Blotzheim l. c.). Als Abschluss der Behandlung der Hühnervögel sei auf ein ganz hervorragendes Beispiel für die lautmalerische Umschreibung von Vogellauten hingewiesen: es ist die Beschreibung des Gesangs des Halsbandfrankolins (Francolinus francolinus) bei Athenaeus (IX, 387f). Er überliefert eine Geschichte, wie der Ruf dieses ἀτταγήν (auch: ἀτταγᾶς) entstand; nachdem die Halsbandfrankoline ursprünglich den Ruf der Wachtel 99

Beispielhaft seien angeführt Ath. IX, 390c–f; Ael. nat. anim. V, 24 und VI, 24. Zumindest die beiden größeren Trappen sind dadurch beschrieben; die bei Athenaeus (IX, 390f) erwähnte, von Aristoteles stammende Größenangabe μέγεθος ἀλεκτρυόνος μεγάλου kann eigentlich nur auf die Zwergtrappe hinweisen (ebenso wie die an gleicher Stelle erwähnte Färbung; vgl. Thompson 1936: 338–339). Die Trappen gehören in der ornithologischen Systematik nicht zu den Hühnervögeln, sondern zur Ordnung Gruiformes (Rallen- und Kranichvögel). 100 Also die Großtrappe.

97

verlauten ließen, klagten sie seit einer Hungerkatastrophe nur noch mit folgenden Worten: τρὶς τοῖς κακούργοις κακά. Dieser Satz gibt exakt den Gesang des männlichen Halsbandfrankolins wieder, so weit er sich eben in menschlicher Sprache ausdrücken lässt.101 Dieser Hühnervogel ist gegenwärtig zwar nicht mehr im ostmediterranen Raum anzutreffen, hat aber rapide Bestandseinbrüche auch in jüngerer Zeit hinnehmen müssen, so dass ein antikes Vorkommen weiter westlich denkbar ist (vgl. del Hoyo et al. 1994: 489). Plinius nennt attagen einen Vogel Ioniens, was in dieselbe Richtung deutet (Plin. nat. 10, 133). Eine Beschreibung des Halsbandfrankolins überliefert dieselbe Textstelle (Ath. IX, 387f; vgl. Thompson 1936: 59–61). 3.5.4 Weitere auffällige Vögel der Wälder und des Kulturlandes Der Mittelmeerraum beheimatet schon seit alters her Vögel, die durch besondere Farbenpracht oder herausragende Stimmen auffallen, Vögel also, die sich regelrecht dem Auge und Ohr des Beobachtenden aufdrängen, und die auch ohne die modernen Hilfsmittel bereits von Menschen der Antike nicht nur wahrgenommen, sondern beachtet wurden. Der allseits bekannte Ruf des Kuckucks (Cuculus canorus) etwa „erfreut die Menschen“, wie schon Hesiod sagt (Hes. erg. 485), und man hat wie in vielen anderen Sprachen auch im Altgriechischen dem Vogel einen Namen gegeben, der lautmalerisch seinen Ruf nachahmt: κόκκυξ. Auf einen bereits in der Ilias erwähnten Vogel scheint man ebenfalls hauptsächlich durch Lautäußerungen aufmerksam zu werden: es ist die κύμινδις (Hom. Il. 286–291). Mit Hilfe der bei Aristoteles genannten Details (Aristot. hist. an. 8 (9), 615b 6–10) zu diesem Vogel hat Bernhard Herzhoff (2000) einen Versuch unternommen, ihn zu identifizieren, und kommt zu dem Ergebnis, es müsse sich hierbei um den Häherkuckuck (Clamator glandarius) handeln. Die genannten Quellen beschreiben die κύμινδις als Gebirgsvogel, den man selten zu Gesicht bekommt, der bisweilen einfach still im Geäst von Bäumen sitzt oder auch seine schrille Stimme ertönen lässt; außerdem ist er von dunkler Farbe und, bei schlankem Gesamteindruck, von der Größe eines Falken (gemeint ist hier wohl der Wanderfalke; vgl. Herzhoff 2000: 291–292). Außer auf den Häherkuckuck treffen diese Charakteristika aber ebenso gut auf die Elster zu, so dass trotz ihrer Exaktheit 101

Vgl. Schulze, Andreas (2003): Die Vogelstimmen Europas, Nordafrikas und Vorderasiens, 17 CDs: CD 4 Nr. 18.

98

Herzhoffs Untersuchung in ihrem Schluß zu einseitig fixiert ist. Für die Beschreibung der Stimme führt Herzhoff eine weitere Quelle an (Hipponax, Frg. 61 West; Herzhoff 2000: 281, 285 und 286), in welcher den Lautäußerungen der κύμινδις eine Ähnlichkeit mit jenen der Krähe zugesprochen wird. Dies trifft auf die Stimme der Elster weit eher zu als auf die Rufe oder den Gesang des Häherkuckucks.102 In der Größe decken sich die Maße des Häherkuckucks teilweise mit denen des Wanderfalkenmännchens, die Maße der Elster liegen innerhalb des Größenspektrums von Männchen und Weibchen des Wanderfalken.103 Auch die dunkle Farbe spricht eher für den Rabenvogel als für den Kuckuck. Weder die eine noch die andere Art ist ein ausgesprochener Gebirgsvogel, beide sind aber in mittleren Höhenlagen durchaus anzutreffen (wobei die Elster in den Alpen bis in 2500 m Höhe nachgewiesen wurde; vgl. Maumary et al. 2007: 701). Das möglicherweise gewichtigste Argument, das wiederum für die Identifizierung als Häherkuckuck spricht, sind die Aussagen über die (typischen?) Ruhephasen dieser Vögel, die Herzhoff zitiert (2000: 294, Anm. 78). Es kann nicht abschließend geklärt werden, welche Art sich hinter κύμινδις verbirgt, aber es sei nochmals die These in Erinnerung gerufen, dass sich die Elster im mittleren und östlichen Mittelmeerraum erst im Laufe der Antike ausbreitete (vgl. Kapitel 3.4.1), so dass auch sie zu Aristoteles’ Zeiten möglicherweise eine seltene Erscheinung war und somit nicht nur der Häherkuckuck als „typisch kleinasiatischer Vogel“ (Herzhoff 2000: 279) gelten durfte. Eine weitere Art, die durch ihren besonderen Gesang auffällt, ist der Ziegenmelker (Caprimulgus europaeus). Man hat ihm angedichtet, er falle des Nachts in die Ställe ein und sauge die Milch aus den Eutern der Ziegen und anderer Nutztiere, daher auch der Name αἰγοθήλας (vgl. Aristot. hist. an. 8 (9), 618b 3–9; Ael. nat. anim. III, 39; Wember 2007: 145). Dass sich der Vogel zur Legendenbildung besonders eignet, verwundert nicht weiter; er ist schließlich ein ausgesprochen nachtaktives Tier, welches kaum zu sehen, dessen schnurrende Stimme aber deutlich hörbar ist. Eine solche Kombination hat schon seit jeher die Phantasie der Menschen angeregt.

102

Vgl. Schulze, Andreas (2003): Die Vogelstimmen Europas, Nordafrikas und Vorderasiens, 17 CDs: CD 8 Nr. 2 und 3, CD 12 Nr. 42, 43 und 56. 103 Svensson et al. (1999): 98, 204, 330; Bauer et al. (2005), Bd. 1: 361, 689, Bd. 2: 56.

99

Sowohl akustisch als auch optisch macht der Wiedehopf (Upupa epops) auf sich aufmerksam. Den Bekanntheitsgrad dieses ἔποψ führt uns Aristophanes vor Augen, wenn er dessen Lautäußerungen in seiner Komödie „Vögel“ aufgreift (Aristoph. av. 226–228). Die auffälligen Laute waren es auch, die den Wiedehopf in den Mythenkreis um Tereus, Prokne und Philomela haben Eingang finden lassen (vgl. Balme / Gotthelf 1991: 410–411; Buxton 2005: 154–155). Woher jedoch die Unterstellung kommt, er verbaue für sein Nest menschliche Exkremente (Ael. nat. anim. III, 26; Aristot. hist. an. 8 (9), 616a 35 – 616b 1), lässt sich nicht nachvollziehen, zumal tatsächlich kaum Nistmaterial eingetragen wird (Glutz von Blotzheim 1994a: 867). Zwei der farbenprächtigsten Vögel der westlichen Paläarktis überhaupt sind der Bienenfresser (Merops apiaster) und die Blauracke (Coracias garrulus). Da beide Arten die Angewohnheit haben, längere Zeit auf exponierten Sitzwarten nach Beute Ausschau zu halten oder sie dort zu verzehren (vgl. Sterry 2004: 108–109), darf ihre Bekanntheit auch in der Antike als gesichert angenommen werden. Für den μέροψ bestätigt dies Aristoteles, der eine Beschreibung des bunten Gefieders gibt; dass er dabei die blassen bzw. gelben und die (dunkel-)blauen Stellen etwas willkürlich verteilt, zerstört das Gesamtbild des Bienenfressers nicht (Aristot. hist. an. 8 (9), 615b 28–30; weitere Details zur Kenntnis des Bienenfressers finden sich in Aristot. hist. an. 8 (9), 626a 11–14). Leider fehlt eine entsprechende Quelle für die Blauracke, die neben ihren optischen Reizen über eine laute Stimme verfügt und somit gleichsam „doppelt“ Aufmerksamkeit erregen müsste. Die Stimme ist denn auch der einzige Anhaltspunkt, der Gossen veranlasst, in der bei Aelian durch ihre Stimme charakterisierte σάλπιγξ die Blauracke zu vermuten (1935: 173; Ael. nat. anim. VI, 19). Für eine Bestätigung reichen die Quellen nicht aus. Wenn Menschen des antiken griechischen Kulturraumes über die Besonderheiten Ägyptens berichteten, so waren ihnen immer auch die Ibisse eine Erwähnung wert (Hdt. II, 65, 67, 75–76; Strab. Geogr. XVII, 2, 4). Da diese Vögel in der Ägäis und auf dem Balkan im allgemeinen nur sporadisch und lückenhaft auftreten, ist dies durchaus nachvollziehbar; noch mehr allerdings schien man von der Tatsache fasziniert zu sein, dass die Ibisse aufgrund ihres Status als geheiligte Vögel bei ihrem Tode sogar aufwendig einbalsamiert

100

und bestattet wurden (Hdt. II, 67; vgl. Pearson 1805). Die beiden regelmäßig in Ägypten auftretenden Ibisarten werden in den antiken Quellen durch ihre Färbung voneinander unterschieden: die dunkelfarbige Form ist der Sichler (Plegadis falcinellus), die Art mit schwarz-weißer Färbung ist der Heilige Ibis (Threskiornis aethiopicus) (Hdt. II, 76; Strab. l. c.; Aristot. hist. an. 8 (9), 617b 28–29). Auf ganz andere Art fielen den Menschen der Antike die Kampfläufer (Philomachus pugnax) auf. Das merkwürdige Balzritual, bei dem die Männchen auf sogenannten Kollektivbalzplätzen (oder Arenen) Kämpfe austragen, erscheint beeindruckend. Dass auch die antiken Griechen entsprechend fasziniert waren, kann nicht verwundern. Einzig die Tatsache ist verwirrend, dass dieses Balzverhalten normalerweise an den Brutplätzen weit im Norden Europas und Asiens aufgeführt wird, doch lassen unsere relevanten Quellen (besonders Dion. ixeut. I, 8, daneben Ael. nat. anim. V, 1) hinter dem μέμνων genannten Tier am ehesten den Kampfläufer erkennen. Möglicherweise liegt Pollard (1977: 102) mit der Vermutung richtig, dass bereits auf dem Frühjahrszug an den Rastplätzen der Kampfläufer zumindest einzelne Kampfaktivitäten beobachtet werden können. Weshalb dieses Spektakel bzw. diese Vogelart mit Memnon in Zusammenhang gestellt wurde, ist hier nebensächlich.104

3.6 Singvögel und ähnliche Arten Im ornithologischen Sinne gehören zwar auch die bereits besprochenen Rabenvögel, Kleiber und Baumläufer zu den Singvögeln, doch will ja diese Arbeit der Wahrnehmung der antiken Menschen folgen. Der folgende Abschnitt wird dementsprechend die kleinen Vögel in den Mittelpunkt stellen, die ganz besonders durch ihren melodiösen Gesang auf sich aufmerksam machen und die Menschen seit jeher dazu inspiriert haben, ihnen einen entsprechenden Namen zu geben (etwa ἀηδών), sie sich zu Unterhaltungszwecken in die Häuser zu holen oder schlicht ihren Gesang zu preisen. Daneben sind auch Arten zu berücksichtigen, die selbst keine Singvögel sind, aber in der Antike als besondere Formen anderer (Singvogel-)Arten betrachtet wurden, wie etwa die Segler (Apus spp.). Eine weitere Unterteilung dieses Kapitels in Unterabschnitte wie „Meisen“ oder „Finken“ er104

Vgl. hierzu etwa Ael. nat. anim. V, 1; Thompson (1936): 200–201; Pollard (1977): 101–102; zu den ornithologischen Fakten Glutz von Blotzheim (1999a): 771–832.

101

scheint als ungeeignet, da die Gefahr bestünde, dadurch die modernen Gattungs- und Artbezeichnungen mit den antiken Vorstellungen verschiedener Vogel-„Formen“ gleichzusetzen; letztere basieren vor allem auf morphologischen und farblichen Ähnlichkeiten, wodurch in vielen Fällen eine tatsächliche zoologisch-systematische Verwandtschaft fälschlicherweise suggeriert bzw. im umgekehrten Falle nicht erkannt werden mag. Beim Versuch, Ordnung in die Bezeichnungen für die kleineren Singvögel zu bringen, zeigt sich die bereits mehrfach aufgetauchte Problematik der Identifizierung in ihrer vielleicht extremsten Form. Eine große Reihe an Namen läßt sich zwar grob in Benennungen für Meisen oder etwa Finken einteilen, für eine Bestimmung auf Artniveau reichen die Angaben jedoch meist nicht aus. Oft können lediglich Formenkreise beschrieben werden, nur in Einzelfällen sind die Charakteristika eindeutig. Ein treffendes Beispiel liefert Thompsons (1924) Untersuchung von sieben Vogelnamen, welche seit der Antike sehr verschiedene Interpretationen erfahren hatten. Er kommt zu dem Ergebnis, dass in der Antike drei bzw. zwei der Namen für jeweils eine Art standen, die anderen zwei Namen möglicherweise gleichermaßen für zwei weitere Arten verwendet wurden. Es sind dies also ἀστραγαλῖνος, ποικιλίς und χρυσομῆτρις für den Stieglitz (Carduelis carduelis), ἀκανθίς und σπῖνος für den Erlenzeisig (Carduelis spinus), und sowohl ἀκανθυλλίς als auch θραυπίς für Girlitz (Serinus serinus) und Zitronenzeisig (Carduelis citrinella). Thompson weist zu Recht auf die – trotz einer weitgehend stringenten Beweisführung – verbleibende Unsicherheit bei der Identifizierung hin (1924: 11); dass er allerdings den Zitronenzeisig als mögliche Variante betrachtet, entbehrt jeglicher Grundlage. Diese Art stellt auf dem Balkan nur eine seltene Ausnahmeerscheinung dar (Bauer et al. 1969: 139; Glutz von Blotzheim 1997: 519; Hellenic Ornithological Society 2000), und es darf als gesichert angenommen werden, dass etwa Aristoteles eine den Griechen unbekannte Art nicht ohne weitere Details oder Erklärungen in sein Werk aufgenommen hätte. Falls tatsächlich zwei Arten hinter ἀκανθυλλίς und θραυπίς stehen, so wäre neben dem Girlitz am ehesten an den auch in Kleinasien beheimateten Rotstirngirlitz (Serinus pusillus) oder an den Zederngirlitz (Serinus syriacus) zu denken, den die antiken Griechen von der Levante her gekannt haben konnten (vgl. Svensson et al. 1999: 352; Porter et al 2004: 208– 209).

102

Der ostmediterrane Raum war und ist Brut-, Durchzugs- und Überwinterungsgebiet für viele weitere Arten aus der Gruppe der Finkenvögel, von denen sich in den Quellen allenfalls Buchfink (Fringilla coelebs) und Grünfink (Carduelis chloris) einigermaßen gut bestimmen lassen; keinesfalls jedoch ist eine Zuordnung derart gesichert, wie sie uns die lange Liste der Finken glauben machen möchte, die Gossen (1956a) zusammengestellt hat. Dasselbe gilt für seine Aufzählung der „Fliegenfänger“ (1956b; s. u.). Der Grünfink lässt sich am ehesten in Aristot. hist. an. 8 (9), 615b 33 – 616a 3 erkennen, wo ihm einerseits zwar eine blasse Unterseitenfärbung angedichtet wird, was lediglich im Jugendkleid zutrifft (ungenauen Farbzuweisungen begegnet man in den Quellen aber des Öfteren); andererseits trifft der Größenvergleich mit der Lerche von den in Frage kommenden Finkenvögeln am besten auf den Grünfinken zu (vgl. etwa Svensson et al. 1999: 230, 232, 350). Als stärkstes Argument spricht der Name selbst: χλωρίς. Dies kann nur einen fast ausschließlich gelblich-grün gefärbten Vogel bezeichnen105; eine bestätigende Parallele findet sich in χλωριών, dem Pirol (Oriolus oriolus). Auch für diesen Singvogel finden sich ungenaue Beschreibungen der Gefiederfarben; sie reichen von μοχθηρός (Aristot. hist. an. 8 (9), 616b 11) bis χλωρὸς ὅλος (l. c., 617a 29). Diese Widersprüchlichkeit innerhalb eines Textes unterstreicht die Relativität im Umgang mit Farbenbezeichnungen. Doch passt auch für den Pirol die Größenangabe: τὸ δὲ μέγεθός ἐστιν ὅσον τρυγών (l. c., 617a 32). Als einer der am weitesten verbreiteten Vögel des Gebietes musste der Buchfink den antiken Griechen eine vertraute Erscheinung gewesen sein und konnte daher als Vergleichsart für die Beschreibung anderer, fremder Vögel dienen. Als eine solche Vergleichsart taucht in den antiken Quellen σπίζα auf (z. B. Aristot. hist. an. 7 (8), 592b 19); es muss sich hierbei um einen finkengroßen Vogel handeln, was in Verbindung mit dem Bekanntheitsgrad dann auf den Buchfinken hinweist. Diese These steht zugegebenermaßen auf wackeligen Beinen, da keine eindeutige oder zumindest annähernde Beschreibung eines Buchfinken vorliegt, aber ein Vogel, der eine der häufigsten Arten darstellt (vgl. Bauer et al. 1969: 139; Glutz von Blotzheim 1997: 325, 105

Gossen hält χλωρίς für den Berglaubsänger (Phylloscopus bonelli), er vernachlässigt aber dabei die Größenangabe völlig; auch die Erklärung für die Farbangaben gehen etwas an den Realitäten vorbei: Gossen (1956a): Sp. 172; Gossen (1956b): Sp. 173–174; vgl. Svensson et al. (1999): 230, 232, 304; Sterry (2004): 118, 154, 180.

103

357; Niethammer 1943: 193), muss nach menschlichem Ermessen irgendwie Eingang in die umfassenden Werke eines Aristoteles oder eines Aelian gefunden haben.106 Die Dominanz der Vagheit setzt sich auch bei der Untersuchung der Fliegenschnäpper und Grasmücken fort, wie an folgendem Beispiel deutlich gemacht werden kann: Συκαλίδες darf als Sammelbezeichnung für die genannten Artengruppen gesehen werden, wie aus Ath. II, 65b und IX, 398d hervorgeht. Es wird ebenfalls deutlich, dass mindestens zwei Arten differenziert wurden, nämlich συκαλίς und μελαγκόρυφον (l. c.). Diese letztgenannte Art mit der Mönchsgrasmücke (Sylvia atricapilla) in Verbindung zu bringen, deren Männchen in der Tat eine schwarze Kopfplatte krönt, mag einleuchtend erscheinen.107 Pollard hat aber zu Recht darauf hingewiesen, dass im östlichen Mittelmeergebiet eine ganze Reihe anderer Grasmückenarten vorkommt, die ebenfalls eine schwarze Kopffärbung aufweisen, wie z. B. die Samtkopfgrasmücke (Sylvia melanocephala) (Pollard 1977: 54). Hier möchte ich mit Christian Hünemörder (1999, s. v. „Meise“) noch einen Schritt weiter gehen und betonen, dass auch Meisenarten, die eine oder mehrere schwarze Federpartien im Kopfbereich besitzen, als μελαγκόρυφον bezeichnet wurden (vgl. auch Douglas 1928: 93), und als Beleg die erwähnte Textstelle bei Athenaeus zitieren: Συκαλίδες. Ἀλέξανδρος ὁ Μύνδιος ἱστορεῖ· ἅτερος τῶν αἰγιθαλῶν ὑφ’ ὧν μὲν ἔλαιον καλεῖται, ὑπὸ δὲ τινων πυρρίας· συκαλὶς δ’, ὅταν ἀκμάζῃ τὰ σῦκα. δύο δ’ εἶναι γένη αὐτοῦ συκαλίδα καὶ μελαγκόρυφον. (Ath. II, 65b)

Συκαλίς wird offensichtlich als Formenbezeichnung sowohl für Meisen (αἰγίθαλος), wie auch für die συκαλίδες verwendet; da μελαγκόρυφον nicht weiter abgegrenzt wird, trifft die doppelte Verwendbarkeit auch auf diese Bezeichnung zu. Erneut sehen wir uns 106

Entsprechend der Bekanntheit finden sich auch in diesem Falle mehrere Namensvarianten; auch in anderen Bezeichnungen glaubt man, Namen für den Buchfinken gefunden zu haben. Vgl. hierzu bes. Thompson (1936): 266; Hünemörder (1998), s. v. „Finken“. Zur Vertrautheit mit der Art vgl. auch die Stelle Ael. nat. anim. IV, 60. 107 So etwa Thompson (1895): 163 (auch in diesem Falle wird die Aussage in der zweiten Auflage korrigiert; Thompson 1936: 274); Gossen (1956b): Sp. 175; Hünemörder (1998), s. v. „Fliegenfänger“.

104

also Sammel- bzw. Formen- statt Artbezeichnungen gegenüber. Es wäre müßig, weitere Arten von Grasmücken oder Fliegenschnäppern verifizieren zu wollen. Zwar zählt Hesychios in seinem Lexikon einen κωνωποθήρας auf; mangels weiterer Charakteristika kommt hierfür aber eine ganze Reihe von Arten in Frage (Hesych., s. v.): neben Grauschnäpper (Muscicapa striata) und Halbringschnäpper (Ficedula semitorquata) zum Beispiel auch verschiedene Braunellen (Prunella spp.), Laubsänger (Phylloscopus spp.) oder Spötter (Hippolais spp.).108 Nur wenig erfolgversprechender gestaltet sich ein Klärungsversuch bei den Meisen, von denen Aristoteles drei Formen kennt: von Buchfinkengröße sei σπιζίτης; wir haben hiermit also die Kohlmeise (Parus major) vor uns109. Eine weitere Form soll einen langen Schwanz besitzen und in den Bergen vorkommen. Von der dritten Form erfahren wir nur, dass sie die kleinste der Meisen sei; hierunter ließen sich viele Meisenarten einordnen, die meisten dazu noch mit mehr oder weniger ausgedehnten schwarzen Kopfpartien. Was die langschwänzige Form angeht, so fällt durch ein solches Merkmal besonders die Schwanzmeise auf (Aegithalos caudatus; deren in Südosteuropa und Kleinasien vorkommenden Unterarten zeichnen sich ebenfalls durch schwärzliche Kopfzeichnungen aus110); dass sie aber vorrangig im Gebirge anzutreffen sei, entspricht nicht dem heutigen Wissensstand. Eine der ältesten Beziehungen zwischen Menschen und Vögeln ist diejenige zu den Schwalben. In der Rolle des Frühlingskünders trifft man sie bereits bei Hesiod (erg. 567– 568). Vor diesem Hintergrund erscheint es bemerkenswert, dass für die verschiedenen, in Griechenland und Kleinasien regelmäßig vorkommenden Schwalbenarten keineswegs mehrere Bezeichnungen überliefert sind, sondern in den meisten Fällen χελιδών benutzt wird; auch dieses Wort hat also den Stellenwert einer Formengruppenbezeichnung. Aus verschiedenen Textstellen lässt sich herauslesen, dass Unterschiede innerhalb der Gruppe der Schwalben durchaus aufgefallen sein mögen. So heißt es etwa bei Aristot. hist. an. 3, 519a 1–9, dass die Schwalbe ein einfarbiger Vogel sei, der unter entsprechenden klimatischen Bedingungen (in diesem Falle bei extremer Kälte) seine Farbe verändern würde, 108

Vgl. etwa Bauer et al. (2005), Bd. 2; hier unter den entsprechenden Artbeschreibungen. Die ähnlich große Trauermeise (Parus lugubris) ist ein Bewohner felsiger Landstriche und weniger auffällig als die Kohlmeise, dürfte hier also nicht gemeint sein; vgl. Svensson et al. (1999): 318. 110 Vgl. Glutz von Blotzheim (1993a): 323–324; zu den Färbungen der Meisen vgl. Svensson et al. (1999): 316–321; zu den Grasmücken und Fliegenschnäppern ebd.: 281–289, 312–315. 109

105

von dunkel nach hell. Diese Wahrnehmung könnte aufgrund der Tatsache entstanden sein, dass die (auf dem Rücken) dunkel gefärbten Rauch- (Hirundo rustica), Rötel- (Cecropis daurica) und Mehlschwalben (Delichon urbicum) nur vom Frühjahr bis in den Herbst, die bedeutend heller gefärbten Felsenschwalben (Ptyonoprogne rupestris) hingegen in vielen mediterranen Gegenden ganzjährig anzutreffen sind und zudem im Winter sich häufiger in Tallagen und in Küstennähe zeigen (vgl. Glutz von Blotzheim 1985a: 382; Maumary et al. 2007: 506–507).111 Zu einer wissentlichen Aufgliederung der Schwalben in verschiedene Formen führte dies jedoch nicht. Dagegen kannte man den Schwalben ähnliche Vögel: Hinter der treffenden Bezeichnung ἄποδες stehen die Segler – oder genauer: sie stehen natürlich nicht, denn das hervorragende Charakteristikum dieser Vögel sind neben ihren ausgezeichneten Flugfähigkeiten die sehr kurzen Füße, worauf der altgriechische Name bereits hinweist. Ähnlich wie bei den Schwalben, darf auch für die Segler angenommen werden, dass mehrere heute bekannte Arten in der Antike nicht näher unterschieden wurden oder werden konnten. Auch mit moderner Ausstattung fällt die Bestimmung auf Artniveau bei den in Frage kommenden Mauer- (Apus apus) und Fahlseglern (Apus pallidus), weniger bei Hausseglern (Apus affinis), oft schwer (vgl. Svensson et al. 1999: 218–219). Ähnlichkeit mit dem ἄπους besitzt die δρεπανίς (Aristot. hist. an. 1, 487b 24–32). Ein Segler, der sich in Färbung und Größe von den anderen genannten unterscheidet, ihnen in seiner Gesamtstruktur aber tatsächlich ähnelt, ist der Alpensegler (Apus melba). Hierzu passt auch Aristoteles’ Bemerkung (l. c.), die δρεπανίς sei nur im Sommer nach Regenfällen zu sehen. Vom Alpensegler ist nämlich bekannt, dass er bei Schlechtwetterphasen größere „Ausweichflüge“ unternimmt, die ihn dann von seinen Brutplätzen in felsigen Regionen in die Täler und Ebenen führen können (vgl. Maumary et al. 2007: 464– 465; Sundevall 1863: 130–131). Auch einige der Drosselvögel zählen zu den auffälligeren Arten; sie sind zum Teil deutlich größer als etwa Finken oder Meisen, zudem zeichnen sich einige Arten durch lauten und melodiösen Gesang aus. Entsprechend hoch muss der Bekanntheitsgrad einiger 111

Auch die Uferschwalbe (Riparia riparia) gehört zu den regelmäßig auftretenden Schwalben im ostmediterranen Raum. Ob diese Art aber dem κύψελος entspricht, wie Sundevall vermutet (1863: 131), lässt sich nicht beweisen, dafür ist die einzige Nennung bei Aristoteles (hist. an. 8 (9), 618a 31–34) nicht aussagekräftig genug. Zu einer weiteren Bezeichnung (κωτιλάς) vgl. Thompson (1936): 315.

106

Drosseln gewesen sein. So kann etwa dem κόττυφος (der Amsel Turdus merula) eine ähnliche Rolle wie dem Buchfinken zugeschrieben werden.112 Er diente als Vergleichsform, sowohl hinsichtlich der Größe (vgl. etwa Aristoteles’ Besprechung der verschiedenen Spechte: hist. an. 8 (9), 614b 8–9) als auch seiner Färbung; dies beschränkt sich jedoch auf das Prachtkleid des Männchens mit seinem schwarzen Gefieder und dem orangeroten Schnabel. In den schlichter braun gefärbten Weibchen und Jungvögeln erkannte man nicht einfach die verschiedenen Geschlechter oder Alterskleider, sondern sah darin verschiedene Vogelarten, wie Dionysius bestätigt: δύο δ’ ἔστι γένη κοσσύφων· καὶ οἱ μὲν πάντῃ μέλανες, οἱ δὲ κηρῷ τὰ χείλη προσεοικότες, καὶ τῶν ἑτέρων μᾶλλον πρὸς τὰς ᾠδὰς ἐπιτήδειοι. (Dion. ixeut. I, 27). Die Bekanntheit der Amsel scheint bemerkenswert, muss man doch davon ausgehen, dass diese Art in der Antike vor allem ein Bewohner der Wälder war (vgl. Glutz von Blotzheim 1988b: 871–872). Andererseits lassen sich aber bereits für jene Zeit schon massive Eingriffe in Waldbestände und damit einhergehende Entwaldung nachweisen (vgl. Nenninger 2006), so dass sich möglicherweise die Amsel auf der Balkanhalbinsel und in Kleinasien schon damals neue Lebensräume erschloss und zu einer den Menschen vertrauten Vogelart werden konnte. Als weitere κόττυφος-Form beschreibt Aristoteles völlig weiß gefärbte Vögel auf Cyllene im nördlichen Arkadien (Aristot. hist. an. 8 (9), 617a 11–15). Hierbei werden wohl Beobachtungen von albinotischen Amseln oder anderen Drosseln zugrunde liegen, die schließlich generalisiert wurden (vgl. Thompson 1936: 174–175113). Darüber hinaus stellt er mit βαιός eine Art vor, die den Amseln ähnlich, etwas kleiner als diese und vor allem in steinigem Gelände anzutreffen sein solle (Aristot. hist. an. 8 (9), 617a 15–16). Diese Infor112

Entsprechend sind auch mehrere Namen und Schreibvarianten überliefert (vgl. Thompson 1936: 174; Hünemörder 1996, s. v. „Amsel“). 113 Ob auch Einflüsse aus dem Bereich der Fabeln bzw. aus mythischen Erzählungen eingegangen sind, wie Thompson weiter vermutet, lässt sich nicht ergründen. Interessant ist allerdings sein Hinweis, „Lindermayer [Lindermayer, A. (1860): Die Vögel Griechenlands, Passau: 30] declared that white or albino blackbirds were actually to be found, not uncommonly, on Cyllene“ (l. c.); in neuerer ornithologischer Literatur finden sich keine bestätigenden Angaben (vgl. etwa Niethammer 1943: 215).

107

mationen passen zur Blaumerle (Monticola solitarius), einem nicht seltenen Vogel Griechenlands und Kleinasiens (Niethammer 1943: 216; Bauer et al. 1969: 126; Glutz von Blotzheim 1988a: 709–710; vgl. Svensson et al. 1999: 272). Der Steinrötel (Monticola saxatilis) ist mit der Blaumerle eng verwandt, wird in den Quellen aber nicht im Zusammenhang mit ihr oder mit anderen Drosseln genannt. Statt dessen wird dieser Vogel wie folgt beschrieben: ὀρόσπιζος· οὗτος σπίζῃ ὅμοιος καὶ τὸ μέγεθος παραπλήσιος, πλὴν ἔχει τὸν αὐχένα κυανοῦν, καὶ διατρίβει ἐν τοῖς ὄρεσιν. (Aristot. hist. an. 7 (8), 592b 26–27) Betrachtet man vor dem Hintergrund dieser Aussage einen Steinrötel und einen Buchfinken, so fällt (wiederum nur die Männchen betreffend) in der Tat ein ähnliches Färbungsmuster auf: eine rötliche Vorder- bzw. Unterseite kontrastiert mit dunklen Flügeln und einer dunklen Rückenpartie, am Kopf dominiert eine blaugraue Färbung. Auch die Aussagen, dass beim Steinrötel der Hals blau sei und dass sich dieser Vogel vor allem in gebirgigen Gegenden aufhalte, basieren auf einer exakten Beobachtung. In der Größe weichen beide Arten voneinander ab; daher hat der antike Autor für den Größenvergleich auch παραπλήσιος benutzt und nicht etwa ὅσος, wie noch einen Satz zuvor, als er den ἄνθος mit dem Buchfinken verglich (Aristot. hist. an. 7 (8), 592b 25–26). Wenn Sundevall (1863: 111), Thompson (1936: 213–214) und Pollard (1977: 56) in ὀρόσπιζος das Blaukehlchen (Luscinia svecica) erkannten, so liegen sie damit falsch; die erwähnten Charakteristika sprechen zu deutlich für den Steinrötel. Beim Blaukehlchen ist – nomen est omen – nur die Kehle, nicht aber der Nackenbereich blau gefärbt; außerdem ist es kein typischer Gebirgsvogel (Maumary et al. 2007: 556)114 und im Balkan- und Ägäisraum sowie in Kleinasien fast ausschließlich Durchzügler (Bauer et al. 1969: 128–129).

114

Vgl. auch die Fotos in Maumary et al. (2007): 554–557, 574–575, 735. Dass es zwar ausgesprochene Gebirgspopulationen von Blaukehlchen gibt, zeigt z. B. Kohl (2006: 372–375), aber generell arttypisch ist dies nicht (vgl. Glutz von Blotzheim 1988a: 227–228; 256–258).

108

Unter der Formengruppenbezeichnung κίχλαι werden drei Formen von Drosselvögeln unterschieden (Aristot. hist. an. 8 (9), 617a 18–22; Ath. II, 64f–65b). Deren größte trägt auch im Altgriechischen den Namen einer ihrer Nahrungsgrundlagen, nämlich ἰξοβόρος, die Misteldrossel (Turdus viscivorus). Dass sie in der Größe an den Eichelhäher heranreiche, ist falsch; vielleicht steckt hinter jener Behauptung aber auch einfach der Wunsch, die Misteldrossel in der Größe deutlich von den anderen beiden abzuheben, und der Eichelhäher wird lediglich als „ungefähre“ Vergleichsgröße anzusehen sein; dies bleibt jedoch ohne ähnliche Beispiele pure Spekulation. Von den beiden anderen erfahren wir ebenfalls die Größe durch Vergleiche: τριχάς ist so groß wie eine Amsel, und am kleinsten ist ἰλιάς; letztere sei „weniger bunt“ (ἧττον ποικίλη, Aristot. hist. an. 8 (9), 617a 22) und baue Nester so wie die Schwalben (νεοττεύειν ὡς καὶ τὰς χελιδόνας, Ath. II, 65a). Aufgrund dieser Indizien scheint mir die bisher gebräuchliche Gleichsetzung der mittleren Art mit der Singdrossel (Turdus philomelos) und der kleinen Art mit der Rotdrossel (Turdus iliacus) falsch zu sein (so z. B. Sundevall 1863: 108–109; Thompson 1936: 121, 148–150, 287; Hünemörder 1997, s. v. „Drossel“; manche der Autoren äußern bereits selbst Zweifel). Wenn der Nestbau jenem der Schwalben gleicht, so heißt dies, dass zur Herstellung derselben relativ viel Lehm verwendet wird (der Bau einer „Nesterkette“, wie in Aristot. hist. an. 6, 559a 5–8 erwähnt, kann sich nur auf Schwalben beziehen; vgl. Peck 1970: 223). Das Verbauen von Lehm ist zwar mehreren Drosselarten eigen, keine aber vollbringt dies mit solcher Intensität wie die Singdrossel (vgl. Glutz von Blotzheim 1988b: 880–881, 1025, 1080–1081). Sie ist die kleinste der in Nähe zum mediterranen Raum brütenden Drosselarten, und somit muss in ἰλιάς die Singdrossel erkannt werden. Die Rotdrossel kann zwar noch etwas kleiner werden, ist im Mittelmeerraum aber Durchzügler oder Wintergast in geringerer Zahl als die Singdrossel (Bauer et al. 1969: 130–131; Bauer et al. 2005, Bd. 2: 361, 364–365), welche überdies tatsächlich weniger kontrastreich gefärbt ist als die anderen Drosseln. Welcher Vogel kann dann den Platz der τριχάς einnehmen? Zur Erinnerung: er ist amselgroß und „bunter“ als die Singdrossel. Es fällt nicht schwer, auf die Lösung Wacholderdrossel (Turdus pilaris) zu kommen. Auch wenn diese Art heute nur Wintergast im Gebiet ist, lassen sich drei Gründe für die Richtigkeit dieser These anführen: Erstens gibt es einen archäologischen Nachweis für das Auftreten der Wacholderdrossel in der Antike. Die gefundenen Knochen lassen sich so interpretieren, dass der Vogel als Nahrung diente (Prummel 2005: 353, 357); in diesem

109

Falle darf von einem durchaus verbreiteten und regelmäßigen Auftreten der Art ausgegangen werden. Der zweite Grund weist in die gleiche Richtung: Zur Zeit vollzieht sich eine relativ dynamische Arealausbreitung der Wacholderdrossel, hinter der u. a. auch anthropogene Faktoren vermutet werden; diese können aber auch entgegengesetzt wirken und Bestandseinbrüche provozieren (Bauer et al. 2005, Bd. 2: 357–358). Wenn die Wacholderdrosselbestände derartig sensibel und weitreichend auf Veränderungen reagieren und ihre Bestände solchen Schwankungen unterworfen sind, ist eine relativ weite Verbreitung im ostmediterranen Raum in der Antike nicht generell auszuschließen. Drittens, und am deutlichsten, sprechen jedoch die schriftlichen Quellen für sich, nämlich die Größenangaben, Färbungsmuster und Nestbaugewohnheiten; in dieser Kombination betrachtet, zeichnen sie ein doch recht deutliches Schema. Die bisherige Darstellung der Singvögel ergibt ein ambivalentes Bild: Viele Vögel, die dem antiken Leser vertraut gewesen sein müssen, lassen sich heute nur mehr unscharf in einigen Namen erkennen oder gar nur vermuten; andererseits gibt es aussagekräftige Quellen, die eine relativ sichere Identifizierung von Arten ermöglichen. Im Folgenden soll zunächst der Blick auf weitere erkennbare Arten gerichtet werden, bevor er sich zum Abschluss des Singvogelkapitels wieder im Trüben verlieren muss. Unter φοινίκουρος wird man sicherlich neben Haus- (Phoenicurus ochruros) und Gartenrotschwanz (Phoenicurus phoenicurus) auch den ebenfalls durch rostroten Schwanz gekennzeichneten Heckensänger (Cercotrichas galactotes) verstehen müssen. Aristoteles nennt den Beschriebenen einen sommerlichen Vogel (θερινός; Aristot. hist. an. 8 (9), 632b 27–31); von den drei genannten ist der Hausrotschwanz zwar auch als Überwinterungsgast in Griechenland anzutreffen, jedoch mit deutlichem Süd-Nord-Gefälle (Bauer et al. 1969: 126), so dass er gegenüber ἐρίθακος, mit dem er in der Quelle verglichen wird, vor allem im nördlichen Griechenland eher als Sommervogel erscheinen mag. Beide genannten Formen unterscheiden sich laut Aristoteles nur durch ihre Farbe; weil aber keine andere Farbe erwähnt wird, könnte dies bedeuten, dass die markante Farbe, das Rostrot, bei ἐρίθακος an anderer Stelle zum Vorschein tritt; das Rotkehlchen (Erithacus rubecula), das im Winter durch Zuzug aus nördlicheren Populationen verstärkt im ostmediterranen Raum auftritt, erfüllt diese Voraussetzungen.

110

Von den Lerchen werden zwei Arten unterschieden, für die jedoch keine eigenen Namen überliefert sind. Die altgriechischen Begriffe κόρυδος und κορύδαλος werden als Oberbegriff für beide verwendet, und auch im Verhalten unterscheiden sich die beiden nicht. So wird berichtet, dass die Lerchen gerne Staubbäder nehmen, häufig am Boden zu finden sind und dort auch nisten (erwähnt seien beispielhaft die Stellen Aristot. hist. an. 6, 558b 31 – 559a 3 und 8 (9), 633a 29 – b 2). Auseinanderhalten lassen sich beide Arten wie folgt: κορυδάλων δ’ ἐστὶ δύο γένη, ἡ μὲν ἑτέρα ἐπίγεινος καὶ λόφον ἔχουσα, ἡ δ’ ἑτέρα ἀγελαία καὶ οὐ σπορὰς ὥσπερ ἐκείνη, τὸ μέντοι χρῶμα ὅμοιον τῇ ἑτέρᾳ ἔχουσα, τὸ δὲ μέγεθος ἔλαττον καὶ λόφον οὐκ ἔχει (Aristot. hist. an. 8 (9), 617b 20–23) Erstere ist unzweifelhaft die Haubenlerche (Galerida cristata); sie zeichnet sich in der Tat gegenüber allen anderen im Gebiet regelmäßig auftretenden Lerchen durch die stets sichtbare Haube aus und übertrifft jene an Größe. In der letzteren nur eine Art zu sehen (so etwa Pollard 1977: 49), erscheint mir ungerechtfertigt. Vielmehr müssen darunter mehrere, vielleicht sogar alle anderen vorkommenden Lerchenarten verstanden werden; nur so ist nachvollziehbar, warum diese Form ἀγελαῖος sein soll (dies trifft tatsächlich auf keine der Lerchen zu115), was eben auf insgesamt häufigere Beobachtungen der vielen Arten im Vergleich zu der einen Art (Haubenlerche) zurückzuführen ist. Die in Betracht zu ziehenden Arten sind v. a. Feldlerche (Alauda arvensis), Heidelerche (Lullula arborea), Kurzzehen- (Calandrella brachydactyla) und Kalanderlerche (Melanocorypha calandra). Sie alle sehen sich von der Grundfärbung her ähnlich; die dennoch vorhandenen Unterschiede (etwa in Schnabelform oder Färbungsdetails; vgl. Svensson et al. 1999: 230–239) scheinen hinter dem auffälligsten Merkmal, nämlich ob der Vogel eine Haube besitzt oder nicht, in 115

Vgl. jeweils die Angaben zur Siedlungsdichte in den Artbeschreibungen der Lerchen bei Glutz von Blotzheim (1985a). Dass es besonders auch bei der Feldlerche im Überwinterungsgebiet zu großen Ansammlungen kommt, ist eher als Ausnahme von der Regel zu betrachten (ebd.: 270–271); überdies können winterliche Ansammlungen (allerdings in weit geringerem Umfange) auch bei Haubenlerchen beobachtet werden (ebd.: 176–177). Gegen die Vermutung, ἀγελαῖος spiele auf diese winterlichen Ansammlungen an (so Sundevall 1863: 125), spricht auch die Tatsache, dass die Feldlerche im Ägäisraum nicht nur überwintert, sondern zumindest für den nördlichen Teil Jahresvogel ist (Glutz von Blotzheim 1985a: 249; Bauer et al. 2005, Bd. 2: 139).

111

den Hintergrund getreten zu sein. Die Ohrenlerche (Eremophila alpestris), ebenfalls ein Vogel Südosteuropas und Kleinasiens, passt mit ihrer markanten Gesichtszeichnung und den namegebenden „Ohren“ nicht in dieses Muster. Für sie ist jedoch kein eigener Name überliefert. Dass es neben den bereits besprochenen Limikolen (vgl. Kapitel 3.1.6) einen anderen Vogel gibt, der ebenfalls den Namen τροχίλος trägt, wird aus Aristot. hist. an. 8 (9), 615a 17–20 deutlich. Der hier beschriebene Vogel ist ein Bewohner des Dickichts und haust in Höhlungen; dass er δυσάλωτος und δραπέτης sein soll, deutet auf einen unruhigen, sich ständig in Bewegung befindlichen Vogel hin. Diese Charakteristika haben dazu Anlass gegeben, in ihm den Zaunkönig (Troglodytes troglodytes) zu sehen (so etwa Sundevall 1863: 114; Thompson 1936: 287–288; Pollard 1977: 36–37). Gesichert wird die Identifizierung des Zaunkönigs jedoch erst in einer Textstelle bei Aëtios von Amida (XI, 11), der ihn τρωγλοδύτος nennt; die dortige Größenangabe, dass er nämlich mit Ausnahme der Goldhähnchen der kleinste der Vögel sei, ist ein eindeutiges Merkmal. Ohne diese Angabe jedoch lässt sich in der Aristoteles-Stelle auch der Seidensänger (Cettia cetti) erkennen, der zwar deutlich größer als der Zaunkönig, aber ebenso ruhelos ist und noch heimlicher lebt als jener. Auch er dürfte den alten Griechen zumindest akustisch nicht unbekannt gewesen sein, verfügt er doch über einen markanten und lauten Gesang, eine weitere Parallele zum Zaunkönig (Glutz von Blotzheim 1985b: 1050–1052; ders. 1991: 64–65). Es ist also denkbar, dass auch der Seidensänger in den Augen der antiken Menschen ein τροχίλος war – nicht aber ein τρωγλοδύτος. Zurück zur Aëtios-Stelle, die also gleich über zwei Arten gesichert Auskunft gibt: σμικρότατου δὲ τοῦτό ἐστι τὸ ζωύφιον ἁπάντων σχεδὸν τῶν ὀρνέων, πλὴν τοῦ βασιλίσκου καλουμένου· παρέοικε δὲ τῷ βασιλίσκῳ κατὰ πολλὰ, ἄνευ τῶν ἐν τῷ μετώπῳ χρυσιζόντων πτερῶν· εὐμεγεθέστερος δέ ἐστι μικρῷ ὁ τρωγλοδύτης τοῦ βασιλίσκου, καὶ μελάντερος, καὶ τὴν οὀρὰν ἐγηγερμένην ἔχων ἀεὶ, λευκῷ κατεστιγμένην ὂπισθεν· (Aëtios XI, 11)

112

Neben der exakten Beschreibung des Zaunkönigs sind auch die Goldhähnchen, hier βασιλίσκοι genannt, eindeutig zu erkennen; zwischen Winter- (Regulus regulus) und Sommergoldhähnchen (Regulus ignicapillus) wurde nicht unterschieden, beide kennzeichnet eine orange-gelbe Scheitelfärbung. Diese erwähnt auch Aristoteles, doch nennt er den Vogel τύραννος (Aristot. hist. an. 7 (8), 592b 23–25). Beide Namen jedenfalls scheinen auf die Scheitelfärbung anzuspielen, welche offenbar Assoziationen zu dem Diadem eines Herrschers weckte. Verwirrenderweise kennt Aristoteles den τροχίλος auch unter dem Namen βασιλεύς (hist. an. 7 (8), 615a 17–20). Die einzig sinnvolle Erklärung dürfte darin zu sehen sein, dass die Bezeichnung für die Goldhähnchen allmählich auch auf den Zaunkönig aufgrund seiner ähnlichen Größe – oder besser: „Kleinheit“ – übertragen wurde. Kaum eine Vogelart wurde in der Antike so über ihren Gesang definiert wie die Nachtigall (Luscinia megarhynchos). Dafür steht nicht nur ihr Name ἀηδών, die „Sängerin“, sondern eine ganze Reihe von Belegstellen, deren meiste auf den Nachtigallengesang anspielen. Sie alle aufzuzählen wäre müßig116, zumal keine Zweifel an der Bestimmung vorliegen. Hervorzuheben sind allerdings die Beobachtungen, dass die Nachtigall ihren Gesang während des Sommers verändert und dass auch die Weibchen singen, belegt dies doch die weitreichenden antiken Kenntnisse über diesen Vogel (Ael. nat. anim. XII, 28; Aristot. hist. an. 4, 536a 29; vgl. Glutz von Blotzheim 1988a: 146–157). Dass es bei einer solchen Kombination von hohem Bekanntheitsgrad und dem fast schon monopolistischen Identifizierungsmerkmal „Gesang“ (welches die anderen Charakteristika der Nachtigall deutlich in den Hintergrund verweist) auch zu „Halbwahrheiten“ kommen kann, zeigt etwa Aristot. hist. an. 4, 536b 17–18, wo es heißt, die Nachtigall erteile ihren Jungen Gesangsunterricht. Schnell ist dann auch die Grenze zum mythologischen Bereich überschritten, in welchem die Nachtigall eine zentrale Rolle im Mythos um Tereus, Prokne und Philomela spielt (vgl. Thompson 1936: 20–22; Buxton 2005: 154–155; siehe auch Burkert 1972: 201–207). Einzig eine Stelle bei Hesiod erscheint noch interpretationsbedürftig: Es handelt sich um das Gleichnis vom Habicht117 und der Nachtigall, welche hier mit dem Zusatz ποικιλόδειρον bezeichnet wird (Hes. erg. 202). „Buntkehlig“ aber ist die Nachtigall 116

Zu weiteren Textstellen vgl. etwa Hünemörder (2000), s. v. „Nachtigall“. Der bei Hesiod ἴρηξ genannte Vogel bezeichnet einen mittelgroßen Greifvogel (vgl. Kapitel 3.2.3), wird in Zusammenhang mit diesem Gleichnis aber meist mit „Habicht“ übersetzt (vgl. Schönberger 1996: 19). 117

113

keineswegs. Es muss wohl eher davon ausgegangen werden, dass ἀηδών eine Bedeutungswandlung erfahren hat; man wird noch zu Hesiods Zeiten nicht alleine die Nachtigall, sondern auch andere „gute“ Sänger ἀηδών benannt haben, beispielsweise das Rotkehlchen (welches nicht nur buntkehlig, sondern auch leichter zu beobachten ist als erstere) oder den Weißkehlsänger (Irania gutturalis, ebenfalls mit mehrfarbiger Hals- bzw. Kehlzeichnung). Erst allmählich wurde die Nachtigall zu der Sängerin schlechthin. Geradezu völlig entgegengesetzte Verhältnisse im Vergleich zur Nachtigall liegen beim κύανος vor. Da dieser Vogel vor allem in unzugänglicheren, felsigen Regionen anzutreffen ist, war dessen Bekanntheit sicherlich begrenzt. So spielt sein Name nicht auf ein herausragendes Merkmal an, sondern ist sogar irreführend. Denn der Vogel, von dem Aristoteles und Aelian berichten, hat keinerlei blaue Federpartien; einzig κύανος im Sinne von „schwärzlich“, „dunkel gefärbt“ ergibt Sinn. Dass eine Identifizierung dennoch möglich ist, liegt an den weiteren beschriebenen Merkmalen wie Lebensraum, Größe, Form der Beine und des Schnabels (Aristot. hist. an. 8 (9), 617a 23–29), Vorkommen und Verbreitung (Ael. nat. anim. IV, 59). Wie Thompson bereits darlegte (1895: 103–104), kann es sich dabei nur um den Mauerläufer (Tichodroma muraria) handeln.118 Die ebenfalls felsenbewohnenden und (wenigstens teilweise dunkel-)blau gefärbten Arten Steinrötel und Blaumerle scheiden aufgrund ihrer Größe sowie der Schnabel- und Beinform aus119 (vgl. Svensson et al. 1999: 272, 324). Woher kommt dann aber der altgriechische Name? Pollard macht es sich wohl zu einfach, wenn er das Gefieder des Mauerläufers als „blueblack“ beschreibt (1977: 52), um so κύανος nahe zu kommen; es dominieren die Farben grau, schwarz und rot. Ein bläulicher Anflug mag bei bestimmten Lichtverhältnissen hi118

In der zweiten Auflage ist sich Thompson nicht mehr so sicher (1936: 178). Er stimmt einer weiteren Meinung zu, dass für den gesuchten Vogel auch eine felsbewohnende Kleiberart in Frage käme. Seiner Benennung „Syrian Nuthatch, Sitta syriaca“ lässt sich nicht einwandfrei eine Art nach aktueller Nomenklatur zuweisen; in Frage kämen der Felsenkleiber (Sitta neumayer, engl. Western Rock Nuthatch) und der Klippenkleiber (Sitta tephronota, engl. Eastern Rock Nuthatch), dessen westliche Verbreitungsgrenze noch Kleinasien erreicht. Beide Arten stehen den erwähnten Merkmalen aber ferner als der Mauerläufer (vgl. Porter et al. 2004: 188–189; Sterry 2004: 162–163; Svensson et al. 1999: 322–325). Im Übrigen würde man besonders bei Aristoteles erwartet haben, dass er zwei sich recht ähnlich sehende Arten, wie Kleiber und Felsen- bzw. Klippenkleiber, nach dem bekannten Muster beschrieben hätte, nämlich dass es zwei Formen von σιτταί gebe, etwa eine δρυοκολάπτη und eine zweite Art, welche die Felsen bewohnt (vgl. Kapitel 3.5.2). Eine solche Vorgehensweise findet sich beispielsweise bei seiner Beschreibung der Gänse (Aristot. hist. an. 7 (8), 593b 22; vgl. Kapitel 3.1.1: χὴν καὶ ὁ μικρὸς χὴν) und der Möwen (Aristot. hist. an. 7 (8), 593b 3, 14; vgl. Kapitel 3.1.4: ὁ λάρος τὸ χρῶμα σποδειδής und ὁ λάρος ὁ λευκός). 119 Scholfield (1958: 281) vermutet ebenfalls, es könne sich um den Felsenkleiber handeln, doch ist dessen Schnabel nicht dünn bzw. schmal, wie Aristoteles vom gesuchten Vogel berichtet.

114

neininterpretiert werden (vgl. Maumary et al. 2007: 676–678), dürfte aber sicher nicht den Ausschlag für die Benennung gegeben haben. Meines Erachtens könnte hier ein weiteres Beispiel dafür vorliegen, dass bei nur spärlichen Beobachtungen unterschiedlicher Vogelarten „Merkmalsvermischungen“ stattgefunden haben. Das bedeutet dann in Konsequenz, dass weder Aristoteles noch Aelian echte (lebendige oder tote) Vögel vorlagen, sondern dass sie bei ihren Beschreibungen auf Informanten angewiesen waren, welche jeweils die von ihnen wahrgenommenen Details entsprechend betonten. Aus den verschiedenen Berichten ergab sich dann ein entsprechendes Bild. Im vorliegenden Falle wurden also die – richtig beschriebenen – Auffälligkeiten im Körperbau (Schnabel, Beine) des Mauerläufers mit anderen Beobachtungen von Steinrötel und / oder Blaumerle vermischt, bei denen die dunkelblaue Färbung im Vordergrund stand. Wenn weitere Details in jenen Berichten fehlten, dann konnten die Kombinationen „Felsenvogel + langer, dünner Schnabel“, „Felsenvogel + kurze Beine“, „Felsenvogel + dunkles, blaues Gefieder“ eben dazu führen, dass man darin eine einzige Art erkannte, ohne Steinrötel und Blaumerle zu berücksichtigen. Für diese Arten wären die Merkmale „buchfinkenähnliche Färbung“ bzw. „amselähnlich“ entscheidend gewesen. 120 Der Vogelname στρουθός ist in der bisherigen Forschung durchaus kontrovers diskutiert worden – nicht etwa, weil sich dahinter gleich zwei so unterschiedliche Arten wie der Strauß und der Sperling verbergen, von welchem hier zunächst die Rede sein wird.121 Vielmehr liegt der Grund darin, dass trotz vieler Erwähnungen des στρουθός in verschiedenen Quellen eine exakte Beschreibung des Sperlings fehlt und die überlieferten Charakteristika bei singulärer bzw. oberflächlicher Betrachtung auf eine ganze Reihe von Vogelarten zutreffen mögen. Entsprechend finden sich Angaben, στρουθός stünde neben dem Haussperling (Passer domesticus)122 auch für jede andere kleine Singvogelart (Hünemörder, s. v. „Sperling“) oder bezeichne gar Schwäne (vgl. Pöschl 1996: 504). Dem hat bereits Hartmut Erbse (1997) zu Recht energisch widersprochen. Im Zentrum der Diskussion steht die Stelle Hom. Il. II, 311–326. Erbse kommt zu dem Ergebnis, dass στρουθός hier nur

120

Siehe oben das zu diesen Arten Gesagte. Der größte unter den Vögeln wird meist durch Attribute wie etwa ὁ μέγας deutlich als Strauß gekennzeichnet (s. u., Kapitel 3.7). 122 Möglicherweise fielen in der Antike auch weitere Sperlingsarten unter die Bezeichnung, doch ist und war der Haussperling die am weitesten verbreitete und bekannteste Art: Bauer et al. (1969): 137–138; Svensson et al. (1999): 342–345; vgl. etwa auch Schmidt / Schmidt (1985). 121

115

der Sperling sein kann und nicht allgemein „Vogel“ bedeutet, wie Viktor Pöschl (1996) nachweisen wollte. Beide Arbeiten weisen im Grunde richtige Ansätze auf: wie Pöschl belegt, konnte στρουθός tatsächlich auch die Bedeutung „Vogel“ tragen, jedoch ist seine These dahin gehend einzuschränken, dass damit stets ein kleiner Vogel gemeint war, wie auch Erbse betont; sowohl Homer als auch Hesiod gebrauchen andere Bezeichnungen für die Grundbedeutung „Vogel“.123 Erbses Fehler wiederum liegt in seiner Begründung, wenn er sagt, dass der Sperling als einziger der in Nähe des Menschen brütenden Vögel bis zu acht Junge habe (so die Zahl der Jungen im Nest des στρουθός in genannter Ilias-Stelle). Dies ist beim Sperling eher die Ausnahme, hingegen können etwa Blau- und Kohlmeise weitaus größere Gelege haben (Bauer et al. 2005, Bd. 2: 101, 322, 452). Wichtig für das Verständnis jener Textstelle ist, dass es sich um einen den Menschen vertraute Erscheinung handelt, nämlich um einen Kleinvogel mit relativ großem Gelege. So wie der Dichter von Ilias und Odyssee auch für andere Vögel Formenbezeichnungen und nicht Artnamen benutzt (vgl. Kapitel 2.1.1), steht bei ihm στρουθός für einen kleinen Singvogel (auf diese ältesten literarischen Zeugnisse bezogen, ist Hünemörders Aussage also zuzustimmen). Später muss sich die Bedeutung von στρουθός aber deutlich gewandelt und dann nur noch den Sperling bezeichnet haben. Das lässt sich zum einen daran erkennen, dass bereits bei Aristoteles Bezeichnungen für Meisen und andere Kleinvögel vorliegen, zum anderen berichtet später Aelian, dass στρουθοί in Ägypten Greifvögeln als Nahrung dienten (da die Greifvögel diese στρουθοί selbst erbeuteten, kann hier definitiv nicht der Strauß gemeint sein; Ael. nat. anim. II, 43). Der Haussperling ist auch entlang des Nils ein recht häufiger Vogel, die beiden Meisenarten aber nur Ausnahmeerscheinungen (Bauer et al. 2005, Bd. 2: 98, 104, 449). Zieht man weitere Textstellen hinzu, die den στρουθός als kleinen, körnerfressenden Vogel darstellen124, so wird man sicher sein dürfen, hier den Sperling vor sich zu haben. Wie bereits angedeutet, mögen auch andere Sperlingsarten unter στρουθός zusammengefasst worden sein. Aristoteles spricht in hist. an. 8 (9), 613a 29– 33 von den schwarzen „Bärten“ der Männchen dieser Vogelform, was in der Realität den Verhältnissen bei Haus- und Weidensperling (Passer hispaniolensis) entspricht. Den Feldsperling (Passer montanus) kategorisch auszuschließen, wie Hall (1991a: 143) dies tut, weil hier beide Geschlechter schwarze Backen- und Kinnpartien aufweisen, halte ich für 123 124

So etwa ὄρνις (z. B. Hom. Il. IX, 323) oder οἰωνός πετεηνός (z. B. Hes. erg. 276). Vgl. etwa die genannten Textstellen bei Hünemörder (2001), s. v. „Sperling“.

116

verfehlt. Eine derartige Artendifferenzierung der Sperlinge hätte sich meines Erachtens in der Ausbildung unterschiedlicher Begriffe niederschlagen müssen. Die schlüssigere Theorie ist, dass generell στρουθοί mit schwarzer Kopf- oder Kehlzeichnung als männlich, diejenigen ohne eine solche Färbung als weiblich angesprochen wurden. Das heißt also, erstere schließen alle Männchen von Haus- und Weidensperling sowie beide Geschlechter des Feldsperlings (die aufgrund ihrer Ähnlichkeit ganz bestimmt nicht voneinander unterschieden wurden) ein, letztere umfassen die Weibchen des Haus- und des Weidensperlings.125 Eine letzte, einigermaßen verlässlich zuzuordnende Art ist ψάρος, der Star (Sturnus vulgaris) bzw. der Rosenstar (Sturnus roseus). Welche der beiden Arten genau in Aristot. hist. an. 8 (9), 617b 26–27 gemeint ist, lässt sich nicht sagen; beide sind knapp amselgroß und – jeweils auf eigene Weise – „bunt“ bzw. „gemustert“, was ποικίλος ausdrücken will. Der Star trägt über einen großen Zeitraum jeden Jahres ein gepunktetes Federkleid, der Rosenstar ist kontrastreich rosafarben und schwarz gefiedert. Dass es sich bei dem altgriechischen Wort ψάρος126 tatsächlich um einen der Starenvögel handelt, wird bereits in der Ilias deutlich. Im sechzehnten Gesang beispielsweise wird er als Schwarmvogel beschrieben, ein Merkmal, welches beide Starenarten in bisweilen beeindruckenden Schauspielen zeigen (Hom. Il. XVI, 583; vgl. etwa Maumary et al. 2007: 4; co*cker / Mabey 2005: 431– 433; Glutz von Blotzheim 1993c: 2138). Mit μαλακοκρανεύς, πάρδαλος und κολλυρίων begeben wir uns wieder ins Ungefähre (Aristot. hist. an. 8 (9), 617a 32 – 617b 12). Ersterer Vogel bietet noch einen relativ aussagekräftigen Anhaltspunkt; so soll er mittels Eulen gefangen werden: ἁλίσκεται δὲ μάλιστα γλαυκὶ (l. c., 617b 5). Hier wird auf die Technik, mit Hilfe eines Lockvogels andere Vögel anzulocken, angespielt.127 Im vorliegenden Falle deutet vieles darauf hin, dass Aristoteles eine Würgerart (Lanius spp.) beschreibt: viele Würger reagieren heftig auf Attrappen möglicher Feinde und greifen diese bisweilen äußerst energisch an (vgl. Glutz von Blotzheim 1993b: 1206–1207, 1259–1260). Größen- und Färbungsbeschreibung (l. c.) deuten auf den Schwarzstirnwürger (Lanius minor) hin; alles in allem jedoch bleibt 125

Möglicherweise sind auch beide Geschlechter des Steinsperlings (Petronia petronia) hier mit einzubeziehen, doch hebt sich die Gefiederfärbung dieser Art stärker von den anderen Sperlingsarten ab. 126 Ein weiteres Mal weisen verschiedene Schreibungsvarianten auf den Bekanntheitsgrad eines Vogels hin; vgl. Thompson (1936): 334–335. 127 Vgl. Kapitel 2.2.1.

117

hinter dieser Zuordnung noch ein Fragezeichen stehen (vgl. Thompson 1936: 194–195; Pollard 1977: 58–59). Die beiden letzteren Vogelarten lassen sich nicht identifizieren. Aufgrund der Nähe zur erstgenannten Art innerhalb des Textes könnten sie für weitere Würgerarten stehen128, doch bleibt dies nur eine Vermutung (Pollard 1977: 59; vgl. Thompson 1936: 153–155, 221). Die vorliegende Artenliste der Singvögel ist unvollständig und muss es auch bleiben, denn selbst für im ostmediterran-kleinasiatischen Gebiet so artenreich auftretende Gruppen wie die Steinschmätzer (Oenanthe spp.), Rohrsänger (Acrocephalus spp.) oder Ammern (Emberiza spp.) können keine Bezeichnungen zweifelsfrei zugeordnet werden, auch wenn es hierzu immer wieder Vorschläge gegeben hat129. Einzig hinter Sammelbezeichnungen lassen sich einzelne der genannten Gruppen vermuten; so könnte βυβλιακοί (Ath. I, 22d) eine allgemeine Bezeichnung für Rohrsänger sein, ein Faktum ist dies jedoch nicht.130

3.7 Exotische Vögel Je intensiver sich der wirtschaftliche und kulturelle Austausch mit anderen Völkern gestaltete und je größer die dabei überbrückten räumlichen Distanzen wurden, desto mehr kamen die antiken Griechen in Kontakt mit fremder und neuartiger, also mit „exotischer“ 128

Hier wäre besonders an Neuntöter (Lanius collurio), Rotkopfwürger (Lanius senator) und Maskenwürger (Lanius nubicus) zu denken (vgl. etwa Svensson et al. 1999: 326). 129 Vgl. hierzu etwa Gossen (1956a, 1956b) und das hierzu bereits bei den Finkenvögeln Gesagte (in diesem Kapitel); vgl. auch Pollard (1977): 59–60. 130 In diesem Zusammenhang muss ein weiteres Mal Gossen kritisiert werden, der im Lexikon des Hesychios zwei Schwirlarten, Feld- (Locustella naevia) und Schlagschwirl (Locustella fluviatilis), identifiziert haben will (Gossen 1940a). Die erste relevante Stelle (l. c.: 61): „κουρεύς· ὄρνις ποιὸς ἀπὸ τοῦ φθέγγεσθαι ἤχῳ γναφικοῦ μαχαιρίου. Also ein Vogel, dessen Stimme dem Laut gleicht, den eine Tuchschere hervorbringt. Das muß der Schlagschwirl sein […]. ‚Sein Triller ist stark und kräftig, weniger zischelnd, mehr wetzend, je zwei Silben folgen rascher aufeinander’: Brehm […].“ Außerdem auf diese Textstelle bezogen: „Bestimmung also ganz sicher“ (Gossen 1956b: 174). Die Geräusche einer Tuchschere und der Gesang eines Schwirls lassen sich aber beim besten Willen nicht gleichsetzen; eigentlich hat Gossen seine Aussage bereits durch den von ihm zitierten Brehm widerlegt, der von raschen zweisilbigen Lauten spricht. Selbst wenn man in den öffnenden und schließenden Bewegungen der Schere (und des dabei geschnittenen Tuches) zwei unterschiedliche Töne (bzw. „Silben“) heraushören mag, so sind diese keinesfalls so rasch aufeinanderfolgend wie die Elemente des Schwirlgesanges. Noch viel weiter her geholt ist Gossens Begründung dafür, warum Hesychs πίτυλος (von welchem es weiters lediglich heißt: ὀρνιθάριόν τι ἄγριον) den Feldschwirl bezeichnen müsse: „Πίτυλος heißt das Rudern, und deshalb schlage ich den Feldschwirl […] vor, der nach Hausmann […] sich abwechselnd auf die eine oder andere Seite legt wie ein Schwimmer, der mit einer Hand rudert“ (Gossen 1940a: 90). Es erübrigt sich darauf hinzuweisen, dass beide genannten Arten im antiken griechischen Kulturraum lediglich als Durchzügler auftraten und wegen ihres meist im Verborgenen stattfindenden Lebens mit Sicherheit äußerst selten von einem Menschen zu Gesicht bekommen wurden. Einzig der Rohrschwirl (Locustella luscinoides) ist Sommervogel im Gebiet.

118

Fauna und Flora. Der Zusammenhang zwischen Kenntnissen derselben und transregionalem Austausch spiegelt sich in den Quellen wider. So nennen die ältesten Quellen keine exotischen Vögel (Wintergäste oder Durchzügler wie die oft zitierten Kraniche sind in diesem Zusammenhang nicht als exotisch anzusehen, trafen sie doch alljährlich in Griechenland und Kleinasien ein). Herodot kann bereits den Strauß (Struthio camelus) erwähnen, ohne seinen Lesern weitere Erklärungen zu diesem Tier geben zu müssen (Hdt. IV, 175, 192); dies ist um so bemerkenswerter, als der Strauß ja mit der gleichen Grundbezeichnung wie der Sperling benannt wurde (στρουθός, aber auch mit Zusätzen wie ὁ Λιβυκός, ὁ Ἀράβιος oder als στρουθοκάμηλος bezeichnet; vgl. Thompson 1936: 270–271), was also durchaus für Verwirrung hätte sorgen können. Der Strauß muss demnach in der griechischen Welt weithin bekannt gewesen sein; nachweislich erstreckte sich sein ursprüngliches Verbreitungsgebiet auch zumindest bis in die syrische Region (Svensson et al. 1999: 386; Grzimek et al. 1980, Bd. 7: 90, 94–96; Field 1952; 1958). Zur Unterscheidung von Sperling und Strauß sei noch auf die Bibel verwiesen. So gebraucht etwa Mt 10, 29–31 στρουθός als Bezeichnung für Kleinvögel: οὐχὶ δύο στρουθία ἀσσαρίου πωλεῖται; καὶ ἓν ἐξ αὐτῶν οὐ πεσεῖται ἐπὶ τὴν γῆν ἄνευ τοῦ πατρὸς ὑμῶν (vgl. Kohl 1992: 7). Der hier genannte Preis muss sich auf eine leicht zugängliche, reichlich vorhandene Ware beziehen. Der Strauß jedoch erfüllt diese Bedingungen nicht; bereits in hellenistischer Zeit wurden Straußenfedern und Straußeneier aus Zentralafrika beispielsweise nach Ägypten importiert; sie mögen also eher als Luxusdenn als Alltagsware gehandelt worden sein (vgl. Rostovtzeff 1955: 299; Mielsch 2005: 71). In Folge des Alexanderzuges und der anschließend sich herausbildenden hellenistischen Reiche, sowie durch die zunehmenden Kontakte mit der aufsteigenden Macht Rom und später als Teil des Römischen Imperiums erweiterte sich das griechische Wissen von und über exotische Vögel enorm. Für großes Staunen scheinen besonders die bunten Vögel des indischen Subkontinents gesorgt zu haben, welche vor allem über den Kontakt mit den Persern zu den Griechen gelangten, sei es als lebende Exemplare oder in Form von Berichten etwa durch Handelsreisende oder Söldner. An erster Stelle ist hier der Pfau (Pavo cristatus) zu nennen, der bezeichnenderweise nicht nur ταώς, sondern auch

119

Μηδικὸς ὄρνις hieß (vgl. Thompson 1936: 203). Laut Aelian soll bereits Alexander der Große von diesem Tier beeindruckt gewesen sein (Ael. nat. anim. V, 21). Der Vogel erfreute sich im Laufe der Zeit zunehmender Beliebtheit in Griechenland (und später im Römischen Reich); er scheint bereits zu Aristoteles’ Zeiten ziemlich bekannt gewesen zu sein; dessen Bericht über den Pfau verzichtet jedenfalls auf Beschreibung des Äußeren und konzentriert sich stattdessen auf bestimmte Verhaltensweisen des Pfaus; darüber hinaus berichtet er von Pfauenzüchtern; ganz offensichtlich bestand also eine gewisse Nachfrage nach diesen Exoten (Aristot. hist. an. 6, 564a 25 – 564b 9; vgl. auch Ath. XIV, 655b). Da vom Aussehen lediglich die Buntheit und die langen Schwanzfedern hervorgehoben werden (vgl. etwa Ael. nat. anim. V, 21), besteht die Möglichkeit, dass auch Ährenträgerpfaue (Pavo muticus) unter den Μηδικοὶ ὄρνεις waren (vgl. del Hoyo et al. 1994: 550– 552). Einen nachhaltigen Eindruck hinterließ auch der Vogel namens κατρεύς, der aber nicht mehr genau identifiziert werden kann. Dass es sich hierbei aber um den Rotschwanzmonal (Lophophorus impejanus) handelt (vgl. Thompson 1936: 132–133; Scholfield 1959b: 351), halte ich für unwahrscheinlich. Es gibt farbenprächtigere Vögel, die der Beschreibung des κατρεύς durch Kleitarchos, wie sie etwa bei Aelian (nat. anim. XVII, 23) oder Strabon (Geogr. XV, 1, 69) überliefert ist, wesentlich näher kommen. Doch halte ich es für am wahrscheinlichsten, dass sich in κατρεύς die Vielfalt der Vögel Indiens widerspiegelt und hinter dem Begriff verschiedene Arten zu sehen sind. Zu diesem Schluß gelangt auch P. G. Maxwell-Stuart (1981: 39–40); mit seinem Vorschlag, dass es sich dabei um den Schopffasan (Catreus wallichii) und die Chinesische Pfeifdrossel (Myiophoneus caeruleus) handle, grenzt er den Bereich aber zu stark ein, indem er sich überwiegend auf den beschriebenen Gesang des κατρεύς konzentriert. In den genannten Quellen steht jedoch die Bewunderung des farbenprächtigen Gefieders im Vordergrund, so dass eher an bunte Arten wie etwa den Goldfasan (Chrysolophus pictus) oder den bereits erwähnten Ährenträgerpfau gedacht werden könnte, vielleicht auch an Papageienartige; die Spur des κατρεύς lässt sich durch solche Eingrenzungen aber nicht weiter verfolgen. Das Stichwort Papageienartige bringt uns zur nächsten Gruppe: τὸ Ἰνδικὸν ὄρνεον ἡ ψιττάκη (Aristot. hist. an. 7 (8), 597b 27) erlangte einen ähnlichen Beliebtheitsgrad wie der Pfau (vgl. Ael. nat. anim. XIII, 18). Bei den Vögeln, welche aus der indischen Region nach Westen gebracht wurden, handelt es sich – folgt man Plinius’ Beschreibung (Plin. nat.

120

10, 117) – um Halsband- (Psittacula krameri) und / oder Große Alexandersittiche (Psittacula eupatria). Von indischen Tauben mit grünem Gefieder berichtet Aelian (nat. anim. XVI, 2). Sicherlich handelt es sich hierbei um Vögel aus der Gruppe der Fruchttauben (Treroninae), eine exakte Bestimmung lässt sich jedoch nicht durchführen, dafür trifft das Kriterium „grünes Gefieder“ auf zu viele Arten zu (vgl. Grzimek et al. 1980, Bd. 8: 239–243). Eine letzte sicher identifizierbare exotische Art ist der Argala-Marabu (Leptoptilus dubius); von diesem κήλας liefert Aelian eine exakte Beschreibung (Ael. nat. anim. XVI, 4; vgl. Gossen 1935: 320). Mit κερκίων erwähnt Aelian einen nicht näher bestimmbaren, mehrfarbigen Vogel von Starengröße, der äußerst sprachbegabt sein soll (Ael. nat. anim. XVI, 3). Dahinter könnte sich eine Art aus der Gruppe der Starenvögel, Beos (Gracula spp.), Rabenvögel oder Papageien verbergen, die für ihre Nachahmungsfähigkeiten bekannt sind (vgl. Bezzel / Prinzinger 1990: 278).

3.8 Nicht zuzuordnende Bezeichnungen Der systematische Überblick über die Vogelwelt der griechischen Antike wird stets ein unvollendeter bleiben müssen. An vielen hier besprochenen Beispielen haben sich bereits die Schwierigkeiten der Bestimmung gezeigt: manche Namen lassen sich nur annäherungsweise einer Art oder Arten- bzw. Formengruppe zuweisen, für bestimmte Vogelgruppen kann kein Name zugeordnet werden (etwa für die Ammern). Darüber hinaus gibt es noch eine Reihe altgriechischer Wörter, von denen zwar feststeht, dass sie Vogelnamen sind, die sich aber mangels weiterer Hinweise – oft nicht einmal annäherungsweise – zuordnen lassen. So ist es auch nicht zweckmäßig, einen derartigen Versuch unternehmen zu wollen. Statt dessen soll an dieser Stelle exemplarisch auf einige der häufiger auftauchenden Namen eingegangen werden, im Übrigen genügt

121

jedoch der Verweis auf die Aufzählung unbekannter Vogelnamen bei Sundevall (1863: 159–164), sowie auf Thompsons Werk (1895; 1936). 131 Die Geschichten um den φοῖνιξ lernte Herodot von den Ägyptern kennen (Hdt. II, 73). Andeutungsweise lässt sich aus den Berichten herauslesen, dass eine reale Vogelart ursprünglich als φοῖνιξ bezeichnet wurde; möglicherweise weist der Name – ähnlich wie beim Flamingo – auf die Gefiederfärbung hin. Jedenfalls scheint der Ursprung dieses Vogels im Osten zu liegen: laut Herodot kommt er aus Arabien (l. c.), Dionysios weist auf Indien als Heimat hin (Dion. ixeut. I, 32). Dieses Bild reiht sich in die Beschreibung anderer indischer Vögel, von denen ebenfalls die Farbenpracht als augenfälligstes Merkmal hervorgehoben wurde. Eine Art oder auch nur eine „Form“ (etwa im Sinne von „Reiher“ oder „Gans“) lässt sich dennoch nicht bestimmen; ganz ähnlich verhält es sich übrigens mit den stymphalischen Vögeln. Diese vor allem aus den Erzählungen um Herkules bekannten Vögel haben zwar des Öfteren Anlass zu Spekulationen gegeben, identifiziert konnten diese Στυμφηλίδες ὄρνιθες jedoch nicht werden (Thompson 1936: 273–274; Anderson 1976; vgl. Buxton 2005: 118– 119). Über ὕβρις und πτύγξ erfahren wir, dass sich beide Namen auf eine Art beziehen, die nachtaktiv ist, nach Adlerart jagt, zwei Eier legt und in felsigem Gelände nistet (Aristot. hist. an. 8 (9), 615b 10–16). Darin eine Eule zu erkennen, liegt nahe, aber gleich eine neue Art zu beschreiben, wie Gossen dies tut (1940a: 118), führt zu weit, auch wenn die Eulenarten durch andere Begriffe bereits „abgedeckt“ sind (vgl. Kapitel 3.3). Für die genannten Merkmale kämen mehrere Eulenarten in Betracht (vgl. Mebs / Scherzinger 2000), doch können gerade bei nachtaktiven Vögeln aufgrund der schwierigen Beobachtungs- und Wahrnehmungsumstände, welche Dämmerung und Dunkelheit mit sich bringen, durchaus auch andere Vogelarten nicht ausgeschlossen werden.

131

Eine in diesem Zusammenhang höchst interessante Quelle ist ein Papyrus, der offensichtlich eine Liste von Vogelnamen trägt (Sijpesteijn 1977); einige dieser Namen sind sonst nirgends überliefert. Da es sich aber hier nur um die Aufzählung von Begriffen handelt, ist eine Identifizierung ausgeschlossen.

122

Abschließend legt ein weiteres Beispiel Zeugnis dafür ab, dass manchmal ein Name zu mehreren Lösungen führen kann, wobei die „Beweisführung“ in jedem der folgenden Fälle nachvollziehbar erscheint. So schlägt Thompson für den nur bei Aelian erwähnte κερκορῶνος (Ael. nat. anim. XV, 14) zunächst eine Gleichsetzung mit κερκίων vor (1895: 79), später einen langschwänzigen Rabenvogel (1936: 139); John A. C. Greppin (1983) kommt zu dem Ergebnis, dass in manchen Regionen κολοιός durch κερκορῶνος ersetzt wurde. Eine zweifelsfreie Klärung jedoch gelingt keinem der beiden.

123

4

Fragen und Erkenntnisse Kein Lebewesen kommt umhin, sich mit anderen Lebewesen auseinanderzusetzen, so-

wohl intra- als auch interspezifisch. Die Wahrnehmung der jeweils anderen Individuen oder Spezies wird durch die Intensität des Aufeinandertreffens bestimmt. Diese allgemein gültigen Aussagen müssen auch Grundgedanken bei der Untersuchung des Zusammenlebens der antiken Griechen und der Vögel sein. Vor diesem Hintergrund und auf Basis der bisher gewonnenen Erkenntnisse, d. h. der Feststellung, welche Vogelarten definitiv bekannt waren, welche es aufgrund der Hinweise gewesen sein könnten und welche wahrscheinlich unbekannt waren, drängen sich für den Historiker verschiedene Fragen auf. Ein erster Fragenkomplex bezieht sich auf die naturräumlichen Gegebenheiten. So muss untersucht werden, ob die antike Avifauna Rückschlüsse auf die Gliederung der Landschaft zulässt, auf die Verteilung und Häufigkeit bestimmter Landwirtschaftsformen und agrarischer Produkte, auf anthropogene Ein- und Auswirkungen auf die Umwelt. In diesem Zusammenhang ist es ebenfalls von Interesse, einen Blick auf die Besiedlung der Region durch den Menschen zu werfen: wenn „Landvögel“ bekannter, vertrauter und als „häufiger vorkommend“ als „Meeresvögel“ wahrgenommen wurden, spiegelt sich dann darin auch die Vertrautheit der antiken Menschen mit der jeweiligen Naturlandschaft wider? Wo waren die Orte, an denen die Menschen den Vögeln „begegneten“, wie waren diese Plätze beschaffen? Nach dem räumlichen drängt in einem zweiten Bereich der zeitliche Faktor ins Zentrum der Fragestellung, und zwar in mehrfacher Hinsicht. Über lange Zeiträume betrachtet stellt sich die Frage, ob eine Veränderung der Vogelwelt in ihrer Qualität oder auch Quantität feststellbar ist und ob sich eine solche Veränderung auch in den Quellen niederschlägt. Auf kürzere Zeitspannen bezogen sind besonders die Veränderungen im Tages- und Jahreslauf zu betrachten: Wie verändert sich die Wahrnehmung der Vögel mit Einbruch der Dämmerung oder mit Tagesbeginn, wenn die „rosenfingrige Eos“ erscheint (Hom. Il. II,

124

1)? Welche Auswirkungen haben das Erscheinen und Verschwinden vieler Vögel im Frühjahr und Herbst132 auf die Menschen des antiken griechischen Kulturraumes? Die sicherlich interessantesten und für den Historiker wichtigsten Fragen beziehen sich auf die direkte, unmittelbare Auseinandersetzung zwischen Mensch und Tier. In einem dritten Komplex muss somit neben dem menschlichen Selbstverständnis in Abgrenzung zum Tier vor allem die wirtschaftliche Bedeutung herausgearbeitet werden (hier ist sicherlich nicht nur an die Landwirtschaft im engeren Sinne zu denken, sondern auch an Jagd und Handel). Des weiteren gibt es einen sozialgeschichtlichen Aspekt: Vögel wurden etwa zu Unterhaltungszwecken gehalten; bis zu welchem Grade waren sie somit auch Teil des menschlichen Lebens oder gar der Gesellschaft? Und wie wurde die Rolle des aas- und abfallverwertenden Vogels eingestuft? Schließlich sind noch wissenschaftshistorische und religiös-kultische Fragestellungen zu beleuchten; unter diese fällt besonders die Untersuchung der Übertragung menschlicher Eigenschaften auf die Vögel (und umgekehrt), sowie ein Blick auf die Rolle der Vögel bei der Divination; zu jenen gehört der kritische Blick auf die (oft dem Aristoteles zugeschriebenen) Anfänge der ornithologischen Wissenschaft und die Entwicklung des Wissens über die Vögel im allgemeinen, besonders die Fragenkette, wer wann warum Vögel beobachtet und untersucht hat. In den folgenden Abschnitten sollen die hier genannten Fragestellungen aufgegriffen und diskutiert werden. Weitere Bereiche wie etwa die Mythologie oder künstlerischstilistische Entwicklungen werden nur am Rande berücksichtigt; im Zentrum der Untersuchungen stehen die „realen“ Vögel der antiken griechischen Welt und ihre Bedeutung für die Menschen jener Zeit.

132

Frühjahr und Herbst entsprechen den für Mitteleuropa geltenden Kategorien. Es wurde vorgeschlagen, bezüglich des ostmediterranen Raumes sinnvoller von einer Dreiteilung in „Blüte- und Reifezeit (etwa März bis Juni), einer Trockenzeit (etwa Juni bis Oktober) und einer Regenzeit (Oktober bis März)“ auszugehen (Gehrke 1986: 15). Es ist aber eindeutig, dass hinsichtlich des Vogelzuges mit „Frühjahrszug“ natürlich der Zug in die Brutgebiete, mit „Herbstzug“ die Reise ins Winterquartier gemeint sind; dabei spielt es nur eine untergeordnete Rolle, ob für die griechisch-kleinasiatischen Bedingungen die Begriffe Frühjahr und Herbst im Detail zutreffend sind oder nicht.

125

4.1 Vögel und Landschaft Im Gegensatz etwa zur Paläobotanik ist es bei singulärer Betrachtung der Vogelwelt eines Gebietes nicht eindeutig möglich, Veränderungen im Landschaftsbild nachzuweisen. Den Paläobotanikern stehen schließlich „echte Zeitzeugen“ zur Verfügung, beispielsweise in Form von Pollen, die in den unterschiedlichen Erdschichten die Zeit überdauerten und durch Ausgrabungen (oft auch „nur“ aus einzelnen Bohrkernen) wieder ans Tageslicht geholt werden. In den Vogelknochen liegen zwar auch für die Betrachtung der Vögel archäologische Zeugnisse vor, doch unterscheiden sich diese Einzelfunde in ihrer Aussagekraft beträchtlich von den Mengen an Pollen, die in den Bohrkernen Schicht für Schicht die botanischen Verhältnisse zu einer bestimmten Zeit wiedergeben und sich wie eine Geschichte lesen lassen, Zeitabschnitt für Zeitabschnitt (vgl. Alco*ck 2000: 22; Hempel 1983). Was die Beschäftigung mit den Vögeln allerdings vermag, ist eine Präzisierung des Landschaftsbildes und der Umweltrekonstruktion. Zunächst konnte mit der Untersuchung der einzelnen Vogelgruppen und -arten gezeigt werden, dass sich die antike und die rezente Avifauna des ostmediterranen Raumes nur sehr geringfügig voneinander unterscheiden, sofern es die Artenzusammensetzung betrifft133; dass sich die Menge der Individuen drastisch verringert haben dürfte, ist vor dem Hintergrund des Anwachsens der menschlichen Bevölkerung, einhergehend mit Landschaftsumgestaltung und Flächenverbrauch anzunehmen. Wenn es hier bei der Annahme bleiben muss, so lassen sich andere Thesen in Zusammenhang mit der Kultivierung und Besiedlung der Landschaft durch den Menschen durchaus beweisen: Im Gebrauch der Vogelnamen lässt sich der Weg der Landnahme erkennen. Meiner Meinung nach ist es möglich, Aussagen über das relative Alter gewisser Vogelbezeichnungen zu treffen und nachzuweisen, dass der „Seefahrercharakter“ der den Ägäisraum bewohnenden Völker sich erst allmählich in den Vordergrund drängte, dass das Meer jedoch ursprünglich eher einen wenn nicht feindlichen, so doch befremdlichen Lebensraum darstellte. Ausgehend von den ältesten uns überlieferten Bezeichnungen und Beschreibungen von Vögeln, soll im Folgenden dieser Nachweis erbracht werden.

133

Die Großtierfauna hingegen zeigt heute eine deutlich geringere Vielfalt als damals, was leider in vielen Teilen der Welt feststellbar ist; vgl. etwa auch Störk (1999): 87–89.

126

Der verbindende Charakter des Mittelmeeres stellt unbestreitbar einen der wesentlichen Faktoren für die Entwicklung der Kulturen entlang seiner Küsten dar. Die See zwang aber auch dazu, mit ihren Unbilden zu leben, brachte Nutzen und Risiken zugleich. Schon relativ früh in der Geschichte entwickelten sich regelrechte „Seevölker“, die teilweise gar als „Seemacht“ gelten konnten (Murray 2006: 16; Sonnabend 2006b; vgl. Chaniotis 2004: 9–11, 14–15). Vor diesem Hintergrund scheint es um so bemerkenswerter, dass den Meeresvögeln in der Literatur kaum Platz eingeräumt wird, dass sogar nur wenige konkrete Bezeichnungen für diese Faunenelemente überliefert sind. Auch in den bildlichen Darstellungen spiegelt sich dies wider: dem allgegenwärtigen „kretischen Delphin“ auf Bildnissen der minoischen Kultur steht kein solches Pendant aus der Vogelwelt gegenüber, welches den aquatischen Lebensraum symbolisieren würde.134 Doch zurück zu den frühen schriftlichen Quellen: Die in der Ilias genannten Vögel sind χήν, γέρανος, κύκνος, ἴρηξ, κίρκος, ψάρ, κολοιός, αἰγυπιός, αἰετός, στρουθός, πελειάς, γύψ, χαλκίς, κύμινδις, ἀλκυών, ἐρωδιός und ἅρπη, allesamt keine Vögel des Meeres (natürlich sind einige dieser Arten auch an der Küste bzw. beim Überfliegen von Meeren zu sehen, doch keine typischen Bewohner derselben; selbst die „typischen Wasservögel“ Gans und Schwan sind primär Brutvögel des Binnenlandes, aber nicht des Meeres). Die Odyssee ergänzt diese Reihe um weitere neun Arten bzw. Vogelnamen135, doch lassen sich lediglich drei davon zweifellos als echte Meeresvögel bezeichnen136: λάρος, αἴθυια und κορῶναι εἰνάλιαι (Hom. Od. V, 51, 337 und 66–67). Noch in Hesiods ΕΡΓΑ ΚΑΙ ΗΜΕΡΑΙ findet sich kein Seevogel benannt. Alles in allem also findet sich in diesen frühesten Texten kein Hinweis auf die Gruppen der Sturmtaucher und Meeresenten und nur selten auf die der Möwen, tauchender Vögel und der „Krähen des Meeres“. Das Interessante an diesen Feststellungen ist, dass die in jenen Werken genannten „Landvögel“ beinahe die gesamte Palette der „Nicht-Seevögel“ darstellen; es sind zumindest die auffälligsten Gattungen und Formengruppen vertreten, die als charakteristische Vertreter der Avifauna in Wald- und 134

Die kretischen Verhältnisse müssen sicherlich in einem anderen Lichte interpretiert werden als die Vorgänge auf dem Festland, doch scheint auch auf jener großen Insel im östlichen Mittelmeer die Blickrichtung ihrer Bewohner vornehmlich ins Landesinnere gerichtet gewesen zu sein (vgl. Chaniotis 2004: 9). Die Nutzung des Meeres als Nahrungsmittelquelle ist unbestreitbar und wird gerade auch durch die Delphinmalereien verdeutlicht. In Übereinstimmung mit den darzustellenden Merkmalen der Vogelwahrnehmung im griechischen Kulturraum des Festlandes (sprich: Balkanhalbinsel, Kleinasien) stehen aber auf Kreta ebenfalls die Fische im Vergleich zu den Seevögeln deutlich im Vordergrund, nicht jedoch gegenüber den Landvögeln (vgl. Kapitel 2.2.1). 135 Es sind dies: φήνη, λάρος, σκώψ, αἴθυια, κορῶναι εἰνάλιαι, κήξ, χελιδών, κίχλη, ἀηδών. 136 Κήξ könnte für die Seeschwalben stehen, doch bleibt die Zuordnung unsicher (vgl. Kapitel 3.1.3).

127

Steppengebieten und in anthropogenen Kulturlandschaften gesehen werden können. Was beweist dies? Aus diesem Ungleichgewicht zwischen Land- und Wasservögeln lässt sich ablesen, dass die Menschen des antiken griechischen Kulturraumes zumindest noch bis ins 8./7. Jh. hinein das Meer zwar nutzten, dass aber im Wahrnehmungsprozess die Attribute des marinen Lebensraumes – sofern es sich nicht um die Nahrungsmittel „Fisch“ bzw. „Meeresfrüchte“ handelt – als solche sich nur marginal verankerten.137 Jedenfalls waren die Vögel des Meeres bei weitem nicht so bekannt wie die Vögel der Felder und Siedlungen. Schaut man sich die genannten Bezeichnungen näher an, so wird man feststellen, dass sich ein ausdifferenziertes Bild der Landvögel ergibt, das sich im Laufe des Nebeneinanders von Mensch und Vogel so ausgestaltet haben mag; es darf angenommen werden, dass der Bewohner der städtischen Siedlung ebenso wie der an der Peripherie einer Polis oder eines Stammes lebende Landbearbeiter mit diesen Grundformen der Vogelwelt vertraut war, nämlich aus der Reihe der Singvögel v. a. mit den Meisen, Finken, Drosseln, Sperlingen, dann mit den größeren Vögeln wie Adlern, Geiern, Gänsen und Reihern und noch einigen anderen, die in den homerischen und hesiodischen Texten Erwähnung finden. Es war bis zu jenen Jahrhunderten offensichtlich nicht von Bedeutung, diese Gruppen in weitere Untergruppen, also „Arten“ in modernem Sinne auszudifferenzieren, sondern es genügte, dass ein jeder zum Beispiel in der Bezeichnung κίχλη eine Drossel erkennen konnte und damit einhergehend in etwa Vorstellungen von Größe und ungefährem Aussehen hatte, möglicherweise auch Wissen darüber, ob eine entsprechend zubereitete Drossel schmackhaft war oder nicht. Der Prozess, der zu diesem Kenntnisstand geführt hat, wird sicherlich Jahrhunderte gedauert haben; das ergibt sich aus der Tatsache, dass Homer seinen Lesern ganz offensichtlich keine Neuigkeiten über die

137

In dieselbe Richtung weist auch Gschnitzer (1981: 51), wenn er über die wachsende Bedeutung des Fischfanges sagt: „Den Nahrungsspielraum hilft weiter das Meer vergrößern: Fische fangen und verzehren die homerischen Helden nur in der Not; im klassischen Griechenland ist der Fischfang ein blühendes Gewerbe, Fische spielen eine große Rolle in der täglichen Nahrung wie unter den Delikatessen; das Athen des 5. Jahrhunderts etwa führt bereits massenhaft konservierte Fische von weit her ein, als billiges Volksnahrungsmittel.“ Gschnitzers Aussage fügt sich also bestens in die hier aufgestellte These ein. Als weiterer Gewährsmann kann Rostovtzeff zitiert werden (1955: 941): „Wir dürfen nicht vergessen, daß dieses Gewerbe [nämlich der Fischfang] allgemein in der Wirtschaft der Alten Welt, in allen Epochen ihrer Entwicklung, eine sehr wichtige Rolle spielte […]. Seefisch spielte mit Ausnahme der syrischen und phönikischen Küstenstriche eine untergeordnete Rolle, der Hauptertrag kam aus den Flüssen.“

128

Vögel berichtet, sondern auf allgemein Bekanntes zurückgreift – allgemein bekannt sowohl in räumlicher wie auch zeitlicher Hinsicht. Bei den Meeresvögeln hingegen sehen wir, dass lediglich λάρος einen ähnlichen Stellenwert für sich in Anspruch nehmen kann wie die oben genannten Landvogelnamen, nämlich stellvertretend für mehrere Möwenarten zu stehen und in dieser Funktion verbreitete Bekanntheit zu genießen. Dies wird man möglicherweise noch der zweiten Bezeichnung, αἴθυια, zugestehen können.138 Doch spätestens mit der Namensübertragung von bekannten Landvögeln auf Seevögel wird die Diskrepanz deutlich erkennbar, wie am Beispiel κορῶναι deutlich gemacht werden konnte: Der Kontakt mit und die Wahrnehmung von Vögeln am und auf den Meeren erreichen bei weitem nicht die Ausmaße, wie sie bei den Vögeln des Festlandes (im weiteren Sinne) festzustellen sind. Die antiken Griechen haben Küste und Meer also mitnichten ähnlich umfassend „erlebt“ wie das Land. Was mögen die Gründe hierfür gewesen sein? Die Landnahme Griechenlands war bekanntlich tatsächlich eine solche, nämlich eine Zuwanderung über den Landweg.139 Meins Erachtens zeigen die oben dargelegten Erkenntnisse, dass die Grundbezeichnungen für (Land-)Vögel lange vor einer seefahrerischen Tätigkeit im Ägäisraum entstanden sein müssen, möglicherweise wurden sie schon in alten Sprach- und Wortformen mit dem Landnahmeprozess in die Region getragen140; die Wege dieser territorialen Dynamik verliefen wohl eher im Landesinneren denn an der Küste, und dort wiederum vor allem in Ebenen und Flusstälern – schließlich sind die in jenen frühesten schriftlichen Zeugnissen genannten Vögel auch keine Gebirgsvögel (die vorrangig in Gebirgen nistenden Adler und Geier sind in diesem Zusammenhang nicht als die typischen Gebirgsvögel zu sehen, da die Begegnung zwischen Mensch und Adler bzw. Geier nicht im Gebirge, sondern vor allem im Umfeld des täglichen Lebens und Arbeitens geschah, etwa auf Feldern und Weiden, wo gerade auch für die Geier immer wieder Nahrung in Form verendeter Weidetiere anfiel). Die Kenntnis

138

Vgl. zur Identifizierung von αἴθυια Kap. 3.1.3. Erneut sind hier die besonderen Gegebenheiten Kretas zu berücksichtigen; vgl. Chaniotis (2004): bes. 20– 48. 140 Diese Arbeit kann nicht erörtern, inwiefern den bekannten altgriechischen Vogelnamen indogermanische, (proto-)griechische, dialektale oder sonstige Elemente zugrunde liegen. Die Erforschung der Etymologie und bestimmter basaler Begriffe könnte aber in Zukunft weiteren Aufschluss über die Vogelnamen bringen. 139

129

der Vogelnamen zeigt uns also die Vertrautheit mit einem gewissen Landschaftstypus an, hier eben jenem der Wiesen, Wälder und Binnengewässer. Das Meer ebenso wie das Gebirge dürfte für relativ lange Zeit als „Wildnis“ gegolten haben, welche möglichst zu meiden oder schlicht unerreichbar, unergründbar war. Eine Änderung dieser Tatsache ist erst im 5./4. Jh. v. Chr. fassbar, wenn Aristophanes in seiner Komödie ein Vielfaches an Vogelbezeichnungen erwähnt. In seiner illustren Reihe erscheinen zwei „neue“ Meeresvogelgruppen, nämlich die Pelikane und die Seeschwalben (nichts Neues allerdings für die Kormorane, keine Nennung von Sturmtauchern und nur die bekannten Grundbezeichnungen für Möwen und Gänse). Die Quellen der hellenistischen Zeit schließlich vermitteln, dass allmählich auch die Meeresvögel intensivere Beachtung und somit höhere Bekanntheit erfuhren.141 Eine Parallele hierzu lässt sich übrigens wiederum bei den Gebirgsvögeln feststellen. Die Anzeichen weisen also auf die allmähliche Eroberung der Wildnis – Meer und Gebirge – durch die antiken Griechen hin, zeigen aber auch, dass diese nicht von Beginn an den seefahrenden Helden der Ilias entsprachen. Bemerkenswert bleibt dabei, dass sich für die Kormorane durch die gesamte Antike hindurch kein eigener Name entwickeln konnte, sondern dass die Assoziation mit den Rabenvögeln erhalten blieb. Hinsichtlich des Landschaftsbildes, der räumlichen und quantitativen Verteilung von Getreidefeldern, Wald- und Siedlungsflächen und sonstiger infrastruktureller bzw. natürlicher Einheiten spiegelt die antike Avifauna die bekannten Verhältnisse wider. Auch wenn keine neuen Erkenntnisse hieraus gewonnen werden, so kann doch das Gesamtbild der antiken Landschaft gefestigt werden, vor allem auch im Hinblick auf den Aufenthalt der Menschen in der Natur und ihre Wahrnehmung derselben.142 In diesem Zusammenhang ist nochmals die Problematik hervorzuheben, die durch unachtsame Übersetzungen entsteht. Bestes Beispiel hierfür ist πέρδιξ. Wie gesehen, steht 141

Vgl. Kapitel 3.1. Es wäre sicherlich eine genauere Untersuchung wert, ob sich über die Kenntnis der antiken Vogelwelt Raoul Schrotts These, Troia sei anstatt an der Ägäis in Südostanatolien anzusiedeln, widerlegen ließe. Ich denke dabei vor allem an die Beschreibung der Kraniche und Gänse in der Ilias (Hom. Il. II, 459–461 und III, 3–6), deren alljährliches Auftauchen dem Verfasser der Ilias bestens bekannt war, und der dieses Spektakel auch vor den Toren Troias stattfinden lässt. Wenn die traditionellen Zugrouten dieser Vögel Südostanatolien aber nicht oder nur ganz am Rande berührten, wäre dies eine Entkräftung jener These. Für ausführlichere Diskussionen und Untersuchungen hierzu ist in vorliegender Arbeit jedoch kein Raum. 142

130

dieser Name für die „Zwillingsarten“ Steinhuhn (Alectoris graeca, engl. Rock partridge) und Chukarhuhn (Alectoris chukar, engl. Chukar).143 In deutschen Übersetzungen der altgriechischen Texte wird dafür aber der Begriff „Rebhuhn“ verwendet, in englischen die Bezeichnung „partridge“. Beide Übersetzungen sind irreführend, suggerieren sie doch eine Gleichsetzung von πέρδιξ mit dem eigentlichen Rebhuhn (Perdix perdix, engl. Grey Partridge), welches jedoch in den Quellen definitiv nicht gemeint sein kann.144 Eine solche Unschärfe vermittelt dann einen fehlerhaften Kontext, schließlich ist das Rebhuhn ein ausgeprägter „Landwirtschaftsfolger“, ein Vogel, welcher sich in den Getreidefeldern und auf Wiesen und Weiden wohl fühlt; Stein- und Chukarhuhn hingegen bevorzugen die Biotope der steinigen Rasengesellschaften und der lichten mediterranen Laubwälder (vgl. Glutz von Blotzheim 1994a: 237, 259–260; co*cker / Mabey 2005: 164–165). Auf die Menschen rückgeschlossen bedeutet dies, dass jene Wälder und vielleicht auch die etwas steinigeren collinen und montanen Bereiche der Gebirge von vielen Menschen häufig begangen worden sein dürften (denn die weitreichende Bekanntheit des πέρδιξ kann sicherlich nicht nur von Erzählungen herrühren, sondern muss doch im Wesentlichen auf eigenen Erfahrungen basieren), dass also eine gewisse Vertrautheit auch mit jenen Landschaftstypen vorhanden war. Susan E. Alco*ck betont ebenfalls, dass man sich „in Bergzonen und anderem unkultiviertem Gebiet“ (2000: 26) nicht nur zu Zwecken der Transhumanz aufhielt, sondern auch zur Jagd. Eine Einschränkung ist hierbei allerdings geboten: das Vordringen in die höchsten Gebirgsregionen, also die subalpinen und alpinen Bereiche, ist in den Quellen nicht nachweisbar; entsprechend dürftig fallen die Erwähnungen von und Kenntnisse über typische Gebirgsvögel aus145; am Beispiel der Geier lässt sich zeigen, dass einerseits bekannt war, dass diese Vögel hoch im Gebirge nisten, dass andererseits aber kaum jemand in jene Höhen vordrang und somit auch die Horste der Geier nahezu unbekannt waren: ὁ δὲ γὺψ νεοττεύει μὲν ἐπὶ πέτραις ἀπροσβάτοις (Aristot. hist. an. 6, 563a 5).146 Erstaunlich dabei ist, dass die Geier und deren Horste bereits in gar nicht allzu großen Höhen gesehen werden können (vgl. von Wettstein 1938: 33–34; Stresemann 1956: 52; Glutz von Blotzheim 1989: 249, 267). 143

Vgl. Kapitel 3.5.3. Vgl. ebd., außerdem AP VII, 204, wo bei der Erwähnung eines πέρδιξ dessen Herkunft aus felsiger Gegend betont wird (vgl. Pollard 1977: 138; Douglas 1928: 17). 145 Siehe beispielsweise Kapitel 3.5.4 und 3.6. 146 Vgl. Plin. nat. 10, 19 über die Geier: nidos nemo attigit: ideo et fuere, qui putarent illos ex adverso orbe advolare. falso: nidificant in excelsissimis rupibus. 144

131

Für die allgemeinen Grundkenntnisse über Vögel, wie sie einer jeden der antiken Personen zugeschrieben werden dürfen, sind natürlich weniger diese explorativen Spaziergänge und Reisen, diese Tätigkeiten in und dieses Streben nach der „Natur“, d. h. in diesem Falle in die weiter vom Siedlungszentrum entfernt liegenden Gegenden, von Bedeutung, als vielmehr die Wahrnehmung der Tiere im Alltag, etwa bei Tätigkeiten auf der Agora, beim Bestellen des Feldes etc. Wie darf man sich dieses Aufeinandertreffen zwischen Mensch und Tier vorstellen? Zunächst wird hierbei an die kleineren Vögel zu denken sein, v. a. die Singvögel, welche im anthropogen geprägten Raum nisten und / oder nach Nahrung suchen. Solche Vögel nimmt man – damals wie heute – meistens sehr unbewusst wahr, da sie als alltägliche Erscheinungen zum „Inventar“ des Siedlungsraumes gehören und man sich an sie gewöhnt hat. Dies belegen auch unsere Quellen: Häufig werden die Vögel des Siedlungsraumes nicht unter Nennung ihrer spezifischen Besonderheiten erwähnt, sondern mit allgemeineren Bezeichnungen belegt, die als solche für jeden, der sie hörte oder las, verständlich waren. Es konnte ja bereits nachgewiesen werden, dass zumindest in älteren, primär nicht auf Natur ausgerichteten Texten συκαλίς, μελαγκόρυφον und στρουθός als Sammelbezeichnungen verwendet wurden.147 Der Ankunft der Schwalben und Segler aus dem afrikanischen Winterquartier wurde zwar große Aufmerksamkeit zuteil, jedoch nur bezogen auf den Beginn eines neuen Frühjahrs; nach einigen Tagen, spätestens nach wenigen Wochen gehörten (und gehören) die Rückkehrer ebenso wie die Nichtzieher zu den Alltäglichkeiten, was auch hier wieder durch die meist verwendete Sammelbezeichnung χελιδων Bestätigung findet.148 Etwas auffälliger sind aufgrund ihrer Größe zwar die Tauben, doch trifft sie dasselbe „Schicksal“ der Einreihung in die unspektakulären Elemente des Alltags; erinnert sei hier ebenfalls an das in primär literarischen Texten gebräuchliche πέλεια, unter welcher die Tauben im allgemeinen subsumiert wurden.149

147

Siehe Kapitel 3.6. Vgl. auch Hdt. I, 159, dazu Fontenrose (1988): 212–214. Siehe ebd. 149 Etwa Hom. Il. XI, 634, XXI, 493, XXIII, 855; Hom. Od. XII, 62, XXII, 468. Der von Aristoteles gebrauchte Sammelbegriff περιστεροειδῆ zeigt jedoch, dass entweder der Lauf der Zeit oder die differente Intention des Autors (nämlich exakte Aussagen über die Natur zu treffen) einen Wandel des Grundbegriffes mit sich brachte; vgl. Kapitel 3.5.1. 148

132

Die meisten der größeren Vögel waren sicherlich nur selten in den Siedlungszentren zu sehen, doch in größerer Zahl auf den Feldern, an Seen und in Feuchtgebieten zu finden, so dass auch sie den meisten Menschen bekannt sein konnten. Wiederum belegen bereits die homerischen Epen wie auch Hesiod die Bekanntheit von Kranichen, Gänsen und Schwänen, Adlern und Geiern.150 Noch im frühen 20. Jahrhundert konnte R. B. Sibson vom Hügel von Hissarlik aus eine beträchtliche Vogelvielfalt feststellen, darunter viele große Vögel wie Kraniche, Störche und Reiher (Sibson 1939). Das bisher Dargestellte zeigt keine wesentlichen Unterschiede zu den Begegnungen zwischen Mensch und Vogel an anderen Orten oder zu anderen Zeiten. Doch es gibt auch Merkmale, welche einen Wandel der Vogelwelt über die Jahrtausende belegen. Es mag zwar nicht falsch sein, dass sich beispielsweise in den Grünanlagen Athens noch heute viele Vögel beobachten lassen (Lamberton / Rotroff 1985: 29), doch kann selbst in diesem Falle von einer deutlichen quantitativen Veränderung im Vergleich zur Antike ausgegangen werden. Die heutige Großstadt Athen mit all ihren Umweltproblemen151 hat gegenüber der antiken Metropole einer großen Zahl von Tieren ihren Lebens- und Nahrungsraum genommen; von daher sind die Vogelbeobachtungen im heute zu besichtigenden antiken Zentrum vor allem dahingehend zu interpretieren, dass solche Grün- bzw. Parkanlagen in einem größeren Radius letzte Refugien für die Vögel, aber auch für andere Tiere und Pflanzen darstellen152, was eine im Gegensatz zu benachbarten Arealen erhöhte Individuenzahl mit sich bringt. Für die Antike ist vielmehr davon auszugehen, dass schon auf Grund des vergleichsweise unbedeutenden Lärmpegels sich Vögel viel gleichmäßiger über den gesamten urbanen Siedlungsraum verteilten. Die größte Diskrepanz zwischen antiker und rezenter Avifauna in menschlichen Siedlungsgebieten besteht in der Anwesenheit – oder besser: Nichtanwesenheit – von Aasund Abfallverwertern in den Dörfern und Städten. Moderne Hygienebestimmungen, Müllbeseitigung und Kanalisation entziehen Vögeln wie Raben, Krähen, Milanen, Geiern und auch Ibissen heute eine zentrale Nahrungsgrundlage; jene Vögel lassen sich besonders 150

So z. B. Hom. Il. II, 459–463, III, 3–6, XV, 690–693, XVI, 428–429, XVII, 674–678; Hom. Od. II, 146– 147, XI, 578–579; Hes. erg. 447. 151 Vor allem die Belastung durch Smog gibt immer wieder Anlass zu Diskussionen, zuletzt ganz besonders im Umfeld der Olympischen Spiele 2004; vgl. hierzu z. B. den Bericht im Internet auf http://edition.cnn.com/ 2004/TECH/science/07/30/olympic.air/index.html (Stand: 30.10.2008). 152 Zur Verdeutlichung siehe etwa die Abbildungen bei Durando (2000): 22–29, 32–41.

133

auch aus diesem Grunde nur mehr selten dort beobachten.153 In der Antike (und bis in die frühe Neuzeit hinein154) waren sie jedoch in großer Zahl Teil des Siedlungsbildes (vgl. Böning 1977). Die Quellen vermitteln uns lebhafte Bilder, vor allem vom Ibis in Ägypten. Zunächst Strabon: ἡμερώτατον δ’ ἡ ἶβις, πελαργώδης μὲν κατὰ σχῆμα καὶ μεγεθος, διττὴ δὲ τὴν χρόαν, ἡ μὲν πελαργώδης, ἡ δὲ ὅλη μέλαινα· μεστὴ δ’ αὐτῶν ἅπασα τρίοδος ἐν Ἀλεξανδρείᾳ, πῇ μὲν χρησίμος, πῇ δ’ οὐ χρησίμος · χρησίμος μὲν ὅτι πᾶν θηρίον ἐκλέγει καὶ τὰ ἐν τοῖς κρεωπωλίοις καὶ τοῖς ὀψοπωλίοις ἀποκαθάρματα, δυσχρήστως δὲ ὅτι παμφάγον καὶ ἀκάθαρτον καὶ δυσκόλως ἀπειργόμενον ἀπὸ τῶν καθαρείων καὶ τῶν ἀλλοτρίων μολυσμοῦ παντός. (Strab. Geogr. XVII, 2, 4)155

Aelian ergänzt das Bild folgendermaßen: ἔστι δὲ τὴν φύσιν θερμότατον ἡ ἶβις, πολυβορώτατον γοῦν ὂν καὶ κακοβορώτατον, εἴγε ὄφεις σιτεῖται καὶ σκορπίους. ἀλλὰ τὰ μὲν πέττει ῥᾳδίως, τὰ δὲ εὐκολώτατα ἀποκρίνει. ἴδοι δ’ ἄν τις νοσοῦσαν ἶβιν σπανιώτατα. πανταχοῦ δὲ καθιεῖσα ἶβις τὸ ῥάμφος, τῶν ῥυπαρῶν καταφρονοῦσα καὶ ἐμβαίνουσα αὐτοῖς ὑπὲρ 153

Ähnliche Hintergründe führen übrigens zur Zeit dazu, dass Gänsegeier und Mönchsgeier aus dem Mittelmeergebiet vermehrt in Mitteleuropa auftauchen: eine EU-Hygieneverordnung, welche seit dem Jahre 2002 in Kraft ist, hat bewirkt, dass in Regionen mit starker Weidewirtschaft (bzw. Transhumanz) die Körper verendeter Tiere nicht mehr liegen gelassen, sondern beseitigt werden; eine klassische Nahrungsgrundlage für Geier und andere Aasfresser geht hierdurch verloren. Es ist wahrscheinlich (nicht nur, aber doch in großem Maße) dieser Verordnung zuzuschreiben, dass die Vögel nun zu Zwecken der Nahrungssuche bis weit nach Mitteleuropa hinein umherstreifen (vgl. Krüger / Krüger 2007). 154 In Londons Straßen beispielsweise war der Rotmilan im Mittelalter und zur Zeit der Renaissance in regelrechten Scharen anzutreffen: co*cker / Mabey (2005): 115–116. 155 Lenz (1856: 380, Anm. 1189) erkennt in der Strabon-Stelle den Schmutzgeier und vermutet, der antike Autor habe diesen mit dem Ibis verwechselt. Es gibt jedoch keinen hinreichenden Grund, Strabon eine solche Verwechslung zu unterstellen. Sowohl Schmutzgeier als auch Heiliger Ibis sind bekannt dafür, Abfälle nach Fressbarem zu durchstöbern und auch Aas nicht zu verschmähen, wie ja auch die hier zitierte Aelian-Stelle zeigt.

134

τοῦ καὶ ἐκεῖθεν τι ἀνιχνεῦσαι, ὅμως δ’ οὖν ἐς κοῖτον τρεπομένη λούει τε πρότερον ἑαυτὴν καὶ ἐκκαθαίρει. (Ael. nat. anim. X, 29)

Zusammenfassend lässt sich also sagen, dass diejenigen Vögel landläufig bekannt waren, welche als regelmäßige Bewohner menschlicher Siedlungsstrukturen bezeichnet werden dürfen, wie auch – vor allem durch ihre Größe auffällige – Vögel der Felder und Binnengewässer, welche häufig in kleineren Trupps, bisweilen auch in größeren Ansammlungen durch siedlungsnahe Kulturräume streiften. „Bekannt“ bedeutet in diesem Zusammenhang, dass zumindest der Name nicht fremd war, sicherlich in vielen Fällen aber auch die ungefähre Größe des Vogels, bestimmte Verhaltensweisen oder auch Lautäußerungen unmittelbar mit einer bestimmten Art assoziiert werden konnten. Bestätigung des hier Gesagten findet sich auch darin, dass Vögel aus „wilderen“ bzw. kulturferneren Regionen, etwa der höheren Gebirgszonen, teilweise ungenau beschrieben wurden oder Vermischung von Merkmalen verschiedener Arten die Folge war, wie am Beispiel des Mauerläufers kurz erörtert wurde.156 Ein Umkehrschluss ist jedoch nicht möglich, jedenfalls bedeuten fehlende Überlieferungen von Bezeichnungen für gewisse Arten nicht automatisch, dass diese nicht bekannt waren, oder dass sie in der Antike in der jeweiligen Region nicht vorkamen. Dazu ist die Überlieferung zu lückenhaft; man denke besonders an das nur fragmentarisch überlieferte Werk Alexanders von Myndos.

4.2 Andere Zeiten – andere Vögel? Nach den räumlichen gilt es nun die zeitlichen Faktoren zu beleuchten, und hierbei ist zunächst der Blick auf die für dieses Thema basale Einheit zu richten, nämlich den einzelnen Tag. Die bisher gemachten Ausführungen zu den Orten der Begegnung zwischen Mensch und Vogel beziehen sich vor allem auf die Zeit zwischen Sonnenauf- und Sonnenuntergang, wenn das Tageslicht visuelle Wahrnehmungen auch über größere Entfernung

156

Siehe Kapitel 3.6.

135

zulässt und wenn die Aktivitäten der meisten Vogelarten am intensivsten sind. Einige Vögel sind zwar auch die gesamte Nacht hindurch zu hören, etwa die Nachtigall,157 doch wird der Großteil der Bevölkerung den Vogelgesang erst mit Sonnenaufgang bewusst wahrgenommen haben. So galt ja bis vor nicht allzu langer Zeit der „erste Hahnenschrei“ in vielen Kulturen als eigentlicher Tagesbeginn.158 Mit Einbruch der Dunkelheit verändert sich das Bild der Natur, und dies nicht nur hinsichtlich der Lichtstärke: die meisten der am Tage zu sehenden und zu hörenden Tiere begeben sich in eine Ruhephase und ziehen sich an ihre Schlaf- bzw. Ruheplätze zurück (vgl. Bezzel / Prinzinger 1990: 251–252). Bei dämmerungs- und nachtaktiven Arten erwacht der Tatendrang. In diesem Zusammenhang denkt man vor allem an die Eulen; doch sind viele Arten aus dieser Gruppe eher als dämmerungs- denn nachtaktiv zu bezeichnen. Besonders der Steinkauz, der ja zum Symbol der Stadt Athen wurde, ist ein Vogel, welcher selbst am hellichten Tage in Erscheinung tritt; nur aufgrund dieses Faktums hat jener Vogel seine Bekanntheit unter den antiken Menschen erlangt (vgl. Mebs / Scherzinger 2000: 317–318). Auch bei den anderen Eulenarten dürfte es wohl zum größten Teil die Phase der Dämmerung gewesen sein, welche zur Kenntnis jener Vögel beigetragen hat. Unterstützt wird diese These durch das Beispiel des Ziegenmelkers. Dieser Vogel beschränkt seine Aktivitäten noch deutlicher auf die Nacht als die Eulen159; der Aktivitätsbeginn liegt erst in der bereits sehr weit fortgeschrittenen Abenddämmerung und endet am frühen Morgen „schon bei geringer Beleuchtungsstärke“ (Glutz von Blotzheim 1994b: 656). So nimmt es denn auch nicht wunder, dass der Vogel meist wie ein unfassbares Wesen erscheinen musste, dessen markante Stimme zwar im Frühjahr zu hören war, welches man aber nur für einen Augenblick zu sehen bekam, wenn das Tier etwa vor der hellen Scheibe des Mondes vorbeiflog, oder im Schein eines Feuers kurz auftauchte. Auch wenn Aristoteles in seiner Historia animalium zeigt160, dass durchaus einige Fakten zu Aussehen und Fortpflanzung des Ziegenmelkers bekannt waren, so reichte dies nicht aus, um die legendenhafte Aura, welche sich um diesen Vogel spann, in ein besseres, ein wissenschaftlich-korrektes Licht zu rücken; so blieb auch das Stigma des Namens: αἰγοθήλας 157

Vgl. Glutz von Blotzheim (1988a): 146–157. Ein berühmtes Beispiel liefert etwa die Bibel mit der Verleugnung Jesus durch Petrus noch vor dem ersten Hahnenschrei: Joh 13, 38; 18, 12–28. 159 Siehe Kapitel 3.5.4. 160 Aristot. hist. an. 8 (9), 618b 3–9; vgl. Kapitel 3.5.4. 158

136

spielt auf die angebliche Eigenart des Ziegenmelkers an, des nachts dem Vieh die Milch aus den Eutern zu saugen und dabei auch die Gesundheit jener Nutztiere zu gefährden.161 Dass sich keine solch abstrusen Geschichten derart lange, also die gesamte Antike hindurch, bei den Eulen halten konnten, zeigt, wie sehr die Dunkelheit als Phase der eingeschränkten visuellen Wahrnehmungsfähigkeit bei den Menschen das Bild eines Vogel verfälschen, bzw. wie bereits nur geringfügig bessere Lichtverhältnisse (in den Phasen der Dämmerung) für besser fundierte, auf „echter“ Naturbeobachtung basierende Erkenntnisse sorgen konnten. Die Dynamik der Avifauna über das Jahr gesehen, ihre Veränderung in qualitativer sowie quantitativer Hinsicht, ist natürlich dem Rhythmus der Jahreszeiten und dem Auftreten bzw. Abwandern von Zugvogelarten geschuldet. Das Phänomen des Vogelzuges war seit jeher mehr als nur ein Naturschauspiel; es befindet sich im Einklang mit den Phasen der Vegetation, mit dem „Leben und Sterben“ der Landschaft. Wenn sich im Spätsommer die ersten Vögel auf den Weg nach Süden machen, ist dies auch ein Signal für den nahenden Herbst und die bevorstehende Winterzeit. Die Ankunft der Vögel im Frühjahr verheißt neues Leben und markiert den Zeitpunkt, mit der Feldarbeit zu beginnen. All diese Elemente schlagen sich auch in den antiken Quellen nieder. Vor allem die Bedeutung des Vogelzuges im Frühjahr ist meiner Meinung nach nicht zu unterschätzen. Neben der Beobachtung der Gestirne waren die Rückkehr der ersten Schwalben und der erste Ruf des Kuckucks die Signale für die Bauern, bestimmte Arbeiten zu verrichten (Hes. erg. 484–491 und 563–569; vgl. Kraak 1940: 11). Auch wenn man davon ausgehen darf, dass in der Antike gewisse astronomische Grundkenntnisse verbreiteter waren als heute,162 zumal bei der davon abhängigen Personengruppe, wie etwa Bauern oder Seefahrern, so ist mit gleicher Bestimmtheit zu sagen, dass die Vögel für die Landwirtschaft von größerer Wichtigkeit waren als die Gestirne. Dies schon alleine deshalb, weil der Ruf des Kuckucks und die Rückkehr der Zugvögel nicht durch wolkenverhangenen Himmel eingeschränkt werden, welcher die Sternenbeobachtung hingegen unmöglich macht. Darüber hinaus möchte ich noch einen psychologischen 161

Aristoteles, a. a. O.; außerdem Ael. nat. anim. III, 39 mit variierender Schreibweise: αἰγιθήλας. Dafür legen sowohl Homer als auch Hesiod Zeugnis ab, z. B. Hom. Il. IV, 75–78, V, 5–7; Hom. Od. V, 272; Hes. erg. 563–569. Zu den wissenschaftlichen Auseinandersetzungen mit der Astronomie vgl. bes. Lloyd (1970): 80–98; Lloyd (1973): 53–74. 162

137

Aspekt berücksichtigt sehen: die Kombination aus Vogelrufen und Gesängen, sowie der stetig ansteigenden Zahl der durch die Lüfte fliegenden Vögel, vermitteln ein Bild ganz besonderer Lebendigkeit, welche nach den „fruchtlosen“ Wintermonaten neue Fruchtbarkeit und den Beginn eines weiteren Lebenszyklus bedeuten, einhergehend mit all den positiven Auswirkungen auf die menschliche Seele; etwas derartig Lebendiges vermag der Sternenhimmel nicht zu vermitteln. Was im 4. Jahrhundert v. Chr. vom Vogelzug bekannt war, vermittelt Aristoteles: πάντα γὰρ τῆς κατὰ τὸ θερμὸν καὶ ψυχρὸν μεταβολῆς αἴσθησιν ἔχει σύμφυτον […] καὶ τὰ μὲν ἐν αὐτοῖς τοῖς συνήθεσι τόποις εὑρίσκεται τὰς βοηθείας, τὰ δ’ ἐκτοπίζει, μετὰ μὲν τὴν φθινοπωρινὴν ἰσημερίαν ἐκ τοῦ Πόντου καὶ τῶν ψυχρῶν τόπων φεύγοντα τὸν ἐπιόντα χειμῶνα, μετὰ δὲ τὴν ἐαρινὴν ἐκ τῶν θερμῶν εἰς τοὺς τόπους τοὺς ψυχροὺς φοβούμενα τὰ καύματα, τὰ μὲν ἐκ τῶν ἐγγὺς τόπων ποιούμενα τὰς μεταβολάς, τὰ δὲ καὶ ἐκ τῶν ἐσχάτων ὡς εἰπεῖν, οἷον αἱ γέρανοι ποιοῦσιν· μεταβάλλουσι γὰρ ἐκ τῶν Σκυθικῶν πεδίων εἰς τὰ ἕλη τὰ ἄνω τῆς Αἰγύπτου ὅθεν ὁ Νεῖλος ῥεῖ […] καὶ οἱ πελεκᾶνες δ’ ἐκτοπίζουσι, καὶ πέτονται ἀπὸ τοῦ Στρυμόνος ποταμοῦ ἐπὶ τὸν Ἴστρον κἀκεῖ τεκνοποιοῦνται […] καὶ τὰ ἀσθενῆ δὲ τῶν ὀρνέων ἐν μὲν τῷ χειμῶνι καὶ τοῖς πάγοις εἰς τὰ πεδία καταβαίνουσι διὰ τὴν ἀλέαν,ἐν δὲ τῷ θέρει ἀποχωροῦσιν εἰς τὰ ὄρη ἄνω διὰ τὰ καύματα. (Aristot. hist. an. 7 (8), 596b 24 – 597a 21)

Das hier wiedergegebene Wissen wurde von den Hellenen nicht selbst erworben. Vielmehr weisen auch schon ältere, nichtgriechische Quellen auf den Vogelzug hin. Das

138

Brot vom Himmel etwa, das im Buche Exodus, welches zu den ältesten Teilen der Bibel gerechnet wird, den Israeliten von Gott versprochen wird, sind schließlich Wachteln, welche sich auf ihrem Zug erschöpft niederlassen und dann leicht zu fangen sind.163 Interessant sind die Beobachtungen in obiger Quelle, dass neben dem herbstlichen Nord-Süd-Zug (und im Frühjahr natürlich in umgekehrter Richtung) über größere Distanzen auch ein Kurzstreckenzug stattfindet, wie ihn Aristoteles für die Pelikane beschreibt, und dass ebenso Vertikalbewegungen unternommen werden, um bestimmten Wettersituationen im Gebirge auszuweichen. Soweit sind diese Fakten auch richtig, was vor allem auf der Möglichkeit beruht, dass entweder Aristoteles selbst oder aber zumindest seine Gewährsmänner und Informanten die Gelegenheit hatten, solche wetterbedingten Ausweichbewegungen zu beobachten. Auch die exakte Kenntnis des Kurstreckenzuges der Pelikane ist einleuchtend, schließlich befinden sich sowohl Überwinterungs- wie auch Brutgebiete innerhalb des griechischen Kulturraumes bzw. in dessen unmittelbarer Nachbarschaft, so dass Informationen vom Aufenthaltsort der Pelikane das gesamte Jahr über zusammengetragen werden konnten. Entsprechend wird das Ganze dann bei Betrachtung des Langstreckenzuges wesentlich ungenauer; außer der Tatsache, dass der Zug in Nord-Süd-Richtung stattfindet, sind die übrigen Angaben fehlerhaft. Am treffendsten ist noch Aristoteles’ Aussage, dass nicht alle Vögel ziehen; aber bereits die Angabe, dass die Zugvögel im Winter vor der Kälte, im Sommer vor der Hitze fliehen, ist in dieser Absolutheit falsch. Vor allem das Nahrungsangebot ist für Zugbewegungen mit entscheidend, wie man heute weiß.164 Darüber hinaus wurde offenbar nur der Zug der großen Arten tatsächlich als solcher erkannt, weil er deutlich sichtbarer vonstatten geht als der Zug der Kleinvögel; von letzteren nahm auch noch Aristoteles an, dass sich bestimmte Arten im Winter in andere Arten verwandeln, oder dass sie in eine Art Winterschlaf verfallen.165 In diesem Punkte ist Aristoteles sicherlich Nachlässigkeit vorzuwerfen: hätte er sich etwas intensiver mit der Problematik auseinandergesetzt, so wäre ihm durchaus aufgefallen, dass etwa vom Frühjahr bis zum Herbst beide Arten anwesend waren, die sich nach seinem

163

Ex 16, 4 und 13–18. Vgl. Hillel (2006): 129; Northern Prairie Wildlife Research Center (2005); des weiteren in der Bibel: Ijob 39, 26. Vgl. auch Kraak (1940): 5–6, 9–11; Lieckfeld / Straaß (2002): 35–36. 164 Das System der Migration ist natürlich wesentlich komplexer; vgl. Newton (2008): 333–365. Für diese Arbeit genügt jedoch der Nachweis der Spekulation, die hinter Aristoteles’ Aussage zu erkennen ist. 165 Belegstellen für den Winterschlaf sind u. a. Aristot. hist. an. 5, 542b 26–27; 7 (8), 593a 16–19, 600a 11– 28; 8 (9), 633a 11–29, hier auch der Hinweis auf das Umwandeln von einer Art in die andere.

139

Text angeblich in die jeweils andere verwandeln, und dass somit jene Aussage haltlos ist. Diese Nachlässigkeit fügt sich aber gut in das Gesamtbild, welches wir von dem Stagiriten als forschende und naturbeschreibende Persönlichkeit haben. Immer wieder lassen sich in seinem Werk neben exakten Aussagen auch fehlerhafte, weil oberflächliche oder ungeprüft verallgemeinerte Betrachtungen finden (vgl. Lloyd 1970: 115). Ein letzter zu untersuchender Abschnitt hinsichtlich des zeitlichen Aspekts ist die gesamte Antike an sich. Einer solchen Untersuchung liegt die Frage zugrunde, inwieweit die bei der systematischen Erfassung der antiken Vogelwelt gewonnen Ergebnisse eine Entwicklung des Wissens und die Ausbildung eines wissenschaftlichen Ansatzes bzw. eine zunehmende Ausdifferenzierung von Vogelformen bzw. -arten erkennen lassen. Zunächst sei hier nochmals auf das in Kapitel 4.1 Gesagte verwiesen, nämlich dass sich die Kenntnisse über die Natur mit zunehmender Durchdringung der Landschaft selbstverständlich erweiterten; es scheint dies aber ein Vorgang gewesen zu sein, welcher bereits zu Homers Zeiten weit fortgeschritten war (wenn man die Meere und Gebirge als Lebensraum zunächst noch ausklammert). Immerhin überliefern jene Epen ja die bekannten Grundbezeichnungen für eine ganze Reihe von Vogelformen. Der vermeintliche Quantensprung, welchen im Vergleich dazu die Vielzahl der Vogelbezeichnungen in den Quellen der hellenistischen und römisch-kaiserzeitlichen Epochen darstellen, darf nicht automatisch zur Annahme eines stetigen Wissenszuwachses verleiten. Auch wenn es bis zu einem gewissen Grade ein ganz natürlicher Prozess ist, dass sich Wissen „entwickelt“, so ist in vorliegendem Falle zu berücksichtigen, dass zum einen die Intention der Epen eine ganz andere war als etwa diejenige der historia animalium, zum anderen besteht eine große Quellenlücke – es versteht sich von selbst, dass diese „Lücke“ sich hier ausschließlich auf Naturbeschreibungen bezieht – zwischen homerischer und aristotelischer Zeit. Es ist anzunehmen, dass eine wesentlich größere Zahl an verschiedenen Vogelformen verbreitet bekannt war, als deren Namen in den Quellen Niederschlag gefunden haben. Das zeigt uns beispielsweise Herodot, der bei seiner Beschreibung Ägyptens Begriffe wie κρέξ,166 ὄρτυξ und νῆσσα167 ganz selbstverständlich benutzt. Doch es ist auffällig, dass manche Arten durch eine Vielzahl an Namensformen herausragen, sowohl was die Schreibweise für die

166 167

Hdt. II, 76. Hdt. II, 77.

140

Art an sich angeht (z. B. νῆττα und νῆσσα168), als auch unterschiedliche Ausdrücke für Männchen und Weibchen bzw. Alt- und Jungvögel.169 Über die Benennungen für Jungvögel bestimmter Arten bzw. in bestimmten Regionen gibt Aelian Auskunft (Ael. nat. anim. VII, 47). Bezeichnenderweise sind es Bezeichnungen für die Jungvögel von Huhn, Gans, χηναλώπηξ und Schwalbe, welche er nennt, also allesamt von Vögeln, die durch ihre Nähe zum Menschen oder ihren Aufenthalt in vom Menschen wirtschaftlich genutzten Räumen wohlbekannt waren. Daran knüpft sich nahtlos die Beobachtung an, dass Aristoteles bei seinen Untersuchungen der inneren Organe der Vögel ganz besonders auf jene Arten zurückgriff, welche er tatsächlich auch selbst kannte und welche verhältnismäßig einfach zu bekommen waren, sei es, weil sie von Vogelstellern häufig erbeutet wurden, sei es, weil sie in den Siedlungen allgegenwärtig und somit relativ leicht zu fangen waren oder weil sie als Nutztiere dort gehalten und auch geschlachtet und verzehrt wurden: ἀλεκτρυών, φάττα, περιστερά, πέρδιξ […] κολοιὸς καὶ κόραξ καὶ κορώνη […] ὄρτυξ […] αἰγοκέφαλος […] γλαύξ […] νῆττα […] καὶ χὴν καὶ λάρος καὶ καταρράκτης καὶ ὠτὶς […] κεγχρηΐς […] χελιδὼν καὶ στρουθός […] πορφυρίων […] νυκτικόραξ, λόκαλος, ἀσκάλαφος […] κύκνος (Aristot. hist. an. 2, 508b 25 – 509a 25). Die unter diesen Namen erwähnten Eulenbezeichnungen sind ein Hinweis auf den Vogelfang, bei welchem diese Tiere als Lockvögel eingesetzt wurden. Der Vogelsteller musste jederzeit einen, wahrscheinlich sogar mehrere lebende Eulen parat haben, um bei der Vogeljagd erfolgreich sein zu können; Eulen waren also über Vogelsteller sicherlich problemlos zu erhalten. Es lässt sich somit als eine Art Regel festhalten, dass umso mehr Bezeichnungen und genaueres Wissen von Vogelarten vorhanden waren, je länger diese bereits im tradierten und tradierenden Gedächtnis170 der Menschen existierten; es waren dies vor allem Vögel aus dem unmittelbaren Siedlungsumfeld, Haus- und Nutztiere, sowie ganz besonders auffällige Arten in freier Natur (etwa die großen Vögel Schwan und Großtrappe); ein über

168

Vgl. Thompson (1936): 205. Bereits genannt wurde in diesem Zusammenhang πέρδιξ (vgl. Kapitel 3.5.3). 170 Vgl. Gehrke (1986): 19. 169

141

die Jahrhunderte ansteigendes Interesse an der Fauna lässt sich aus den vorhandenen Quellen jedoch nicht direkt ablesen.

4.3 Vogel und Mensch Dass die Vögel mit ihrer Fähigkeit zu fliegen die Menschen beeindrucken, beschränkt sich nicht auf die griechische Antike, auch wenn hier mit der Geschichte um Daidalos und Ikaros ein prominentes Beispiel beheimatet ist. 171 Man denke aber auch an den ägyptischen Horusfalken, der ebenso wie der Adler des Zeus und viele andere Exempel weltweit für die Vermittlerrolle zwischen Himmel und Erde, zwischen diesseitiger und jenseitig-göttlicher Welt steht. Dieser Wertschätzung der Vögel steht ein Bewusstsein gegenüber, mit welchem sich der Mensch deutlich vom Tier und somit auch vom Vogel abgrenzt, nämlich als ein Lebewesen mit Verstand. Die Aufgabe dieser Arbeit ist es nicht, das antike Selbstverständnis des Menschen in Differenz zum Tier zu untersuchen172, sondern vielmehr, von diesem Selbstverständnis ausgehend, den tatsächlichen Umgang der antiken Menschen mit den Vögeln zu betrachten. Ganz am Anfang steht hier der unmittelbare Nutzen, welchen die Menschen aus den Tieren zogen. 4.3.1 Die wirtschaftliche Bedeutung der Vögel In wirtschaftlicher Hinsicht muss zwischen einer bewussten, aktiven und einer passiven Nutzung der Vögel unterschieden werden: sie erbrachten entweder einen Beitrag zur Existenzsicherung eines oder mehrerer Menschen, oder sie fügten sich durch ihr natürliches Verhalten nutzbringend in den Ablauf der menschlichen Gesellschaft ein. Unter diesen letztgenannten Gesichtspunkt fallen die bereits mehrfach erwähnten Aasfresser, welche nicht nur die Kadaver von Kleintieren umweltgerecht entsorgten, sondern auch Schlacht- und sonstige Hausabfälle verwerteten und ebenfalls vor Exkrementen unterschiedlichster Provenienz nicht halt machten.173 Damit leisteten sie einen nicht zu unterschätzenden Beitrag zur Hygiene in den menschlichen Siedlungen sowie zur Gesundheit deren Bewohner. Wenn von diesen Vorgängen im Präteritum berichtet wird, so 171

Vgl. hierzu etwa Lieckfeld / Straaß (2002): 19–20. Zu dieser Thematik liegt ein ausgezeichneter Überblick vor durch Dierauer (1999). 173 Vgl. beispielsweise Glutz von Blotzheim (1989): 131–132, 234–235; ders. (1993c): 1922–1930, 2018– 2019. 172

142

weist dies auf einschneidende Veränderungen zwischen Antike und Gegenwart hin: in den industrialisierten und sich industrialisierenden Regionen unserer Zeit ist der Anblick eines aasverzehrenden Vogels weniger als eine Seltenheit; lediglich in naturnah bewirtschafteten Zonen oder in bestimmten Kulturen finden Geier, Raben oder Milane noch entsprechende Nahrung, die sie ungestört aufnehmen können.174 In der Antike hingegen gehörte es zu den Alltäglichkeiten, „Aasgeier“ und „Aaskrähen“ bei ihrer Arbeit anzutreffen. Ein jeder wusste auch, weshalb sich diese Vögel auf den Schlachtfeldern und an anderen Stätten des Todes einfinden: ἆ δείλ' οὐ μὲν σοί γε πατὴρ καὶ πότνια μήτηρ ὄσσε καθαιρήσουσι θανόντι περ, ἀλλ' οἰωνοὶ ὠμησταὶ ἐρύουσι, περὶ πτερὰ πυκνὰ βαλόντες (Hom. Il. XI, 452–454). Zahlreiche weitere Stellen in den homerischen Epen175 wie auch in Tragödien176, „Fachliteratur“177 und sonstigen literarischen Gattungen belegen die allgemein verbreitete Assoziation besonders von Geiern und Krähen als Aasvögel. In den städtischen Zentren und Dörfern selbst wird man vor allem die Krähen und Raben als Aasfresser angetroffen haben, von den Geiern waren es sicherlich nur die relativ kleinen Schmutzgeier, welche in den Straßen nach Abfällen suchten. Die größeren Geierarten, die sich nicht so gewandt in abwechslungsreich und eng strukturiertem Gelände (wie eben zwischen Häusern und sonstigen Gebäuden) bewegen, darf man sich eher in den landwirtschaftlichen Räumen – und eben auf den Schlachtfeldern (vgl. Rühlmann 1965: 459) – als typischen Anblick vorstellen. Ob durch die Betätigung als „Hygiene- und Gesundheitspolizei“, wie solche Vorgänge heutzutage gerne apostrophiert werden, ein entsprechender volkswirtschaftlicher Schaden abgewendet oder in Grenzen gehalten werden konnte, vermag ich nicht zu beurteilen. Interessant wäre jedoch in diesem Zusammenhang eine Untersuchung der Wechselwirkung zwischen Aasfressern (zu denen neben den Vögeln v. a. die ebenso häufig zitierten Hunde gehören) und Epidemien (man denke etwa an die Pest, die seit 430 v. Chr. in Athen wütete). Ob die Menschen den Dienst wertschätzten, den ihnen die Tiere durch die Kadaverbeseitigung antaten, darf bezweifelt werden. In den Quellen konnte kein direkter 174

Vgl. hierzu Satheesan (2000): 165–171; Yosef / Bahat (2000): 207–211. Folgende Stellen nennen Vögel als Aasfresser: Hom. Il. VIII, 379–380, XI, 394–395, XIII, 831–832, XVII, 241, XXII, 335–336, 354, XXIV, 411; Hom. Od. III, 259, XIV, 133–134, XXIV, 291–292. Geier in ihrer Funktion als Aasfresser werden explizit angesprochen in Hom. Il. IV, 237, XI, 161–162, XVI, 836, XVIII, 271, XXII, 42–43; Hom. Od. XI, 578–579, XXII, 30. 176 Z. B. Soph. Ant. 1080–1083. 177 Siehe etwa Ael. nat. anim. II, 46, VI, 46, X, 22. 175

143

Hinweis auf den Zusammenhang zwischen Aasverwertern und menschlicher Gesundheit gefunden werden, wohl aber die Betonung der Anrüchigkeit, welche besonders den Geiern als „Totenvögeln“ anhaftet.178 Andererseits – ein weiteres Exempel für die so vielfältig auftretende Ambivalenz in antiken Kontexten – galt der Geier gerade durch diese Nähe zu den Toten vielen Menschen als ein geheiligtes Tier (vgl. bes. Ael. nat. anim. X, 22). Hier wird deutlich, wie unterschiedlich ein- und dasselbe Tier in unterschiedlichen Zusammenhängen wahrgenommen werden konnte: der Geier als verabscheuenswürdiger Vogel, der Kadaver und sonstige Abfälle frisst, scheint ein anderer zu sein als derselbe Geier, welcher die sterblichen Überreste eines Menschen aufnimmt und sie gen Himmel trägt. Entsprechende spirituelle Andeutungen fehlen bei der aktiven wirtschaftlichen Nutzung der antiken Vogelbestände völlig. Hierbei wurde der Vogel tatsächlich eher als Material, als Ware und als Nahrungsmittel gesehen denn als Lebewesen. Der materielle Wert, welcher von den gefiederten Tieren abgeschöpft werden konnte, bestand aus den Eiern, dem Fleisch des Geflügels und dessen Federn. Darüber hinaus konnten die Vögel zur Sicherung des Einkommens beitragen, etwa als Tausch- bzw. Handelsware, oder indem man einen Teil seines Lebensunterhaltes mit der Vogeljagd oder Vogelzucht bestritt. Wie entwickelte sich die Vogelzucht im antiken griechischen Kulturraum? Dass Vogeleier und auch Vögel selbst von Menschen bereits in prähistorischer Zeit verzehrt wurden, liegt in der Natur der Sache: Die Eier sind nahrhaft und leicht zu erlangen – hat man ein Gelege gefunden, so muss man sich nur noch bedienen. Eine unvergleichlich größere intellektuelle wie technische Leistung ist es, einen flugfähigen Vogel zu fangen. Dass dies dennoch zum Zwecke der Nahrungsbeschaffung geschah, lässt sich anhand zahlreicher Knochenfunde belegen, welche Spuren von Nahrungszubereitung aufweisen (vgl. Tomek / Bocheński 2002; Recchi / Gopher 2002). Wildvögel aller Art lassen sich durch die gesamte Antike hindurch auf den Speisetafeln finden (Pollard 1977: 104); doch dazu später mehr. Bereits für das mykenische Griechenland lassen sich Gans, Ente und Taube im anthropogenen Siedlungskontext nachweisen; jedoch ist keine Aussage darüber möglich, ob es

178

Vgl. Soph. Ant. 1080–1083, sowie die Textstellen, wie sie in Anm. 170 und Anm. 172 angegeben sind.

144

sich bei den archäologischen Zeugnissen um gefangene Wild-, gezüchtete Haustiere oder um an den Menschen gewöhnte Wildtiere handelt (vgl. von den Driesch / Boessneck 1990: 114). Der erste eindeutige Beleg für die Haltung von Geflügel findet sich in Homers Odyssee: Penelope erfreut sich in ihrem Traum an zwanzig Gänsen, die in ihrem Hause mit Weizen gefüttert werden (Hom. Od. XIX, 536–540). Zu Recht weist Will Richter (1990: H 83) darauf hin, dass hiermit noch nicht der Nachweis der Haltung von Gänsen als Nutzgeflügel (im engeren, nämlich ernährungsrelevanten Sinne) gelingt, es könnten schließlich „reine Ziervögel“ gewesen sein. Doch machen das Auftreten der Gänse im Wohn- und Lebensbereich der Penelope sowie ihr zutrauliches Verhalten deutlich, dass zumindest ein weiterer Schritt auf dem Weg zur Domestikation erfolgt war. Dass Gans, Ente und Taube ganz am Anfang der Geflügelzucht im antiken Griechenland stehen, ist nicht weiter verwunderlich. Im Gegensatz zum (Haus-)Huhn kommen sie alle drei seit Menschengedenken im Mittelmeerraum vor. Auch wenn keine oder nur indirekte Belege für die Zucht vorliegen, so kann doch angenommen werden, dass diese Arten spätestens seit archaischer Zeit gehalten und gezüchtet wurden. Wenn etwa Aristophanes den Verkauf von Gänsen, Enten und Tauben auf dem athenischen Markt erwähnt (Aristoph. Pax 1004)179, dann wird diese Ware nicht erst eine „Neuerfindung“ gewesen sein; schließlich ist es wesentlich effektiver, Geflügel in zum Verkauf lohnenden Mengen am eigenen Hofe zu züchten,180 als immer wieder auf die Jagd nach Wildvögeln zu gehen (wie wir sehen werden, gilt dies nur für diese größeren Vogelarten; Singvögel hingegen waren vergleichsweise einfach zu erjagen). Das Haushuhn scheint nach seiner Einführung in den griechischen Raum die vorgenannten Arten zumindest in einigen Regionen als Haustiere immer mehr zu verdrängen. In

179

Des weiteren werden auch τροχίλοι genannt; bei diesen ist wohl eher von Wildfängen auszugehen. Die Taube weicht etwas vom Muster der Domestikation von Gans und Ente dadurch ab, dass sie wohl die Vorteile des Nistens und / oder Lebens in anthropogenen Siedlungsstrukturen erkannt hat und somit „freiwillig“ zum Kulturfolger wurde. Wie auch Angela von den Driesch und Joachim Boessneck betonen: „Sie [die Tauben] trugen selbst mehr zu ihrer Domestikation bei als der Mensch“ (von den Driesch / Boessneck 1990: 114). Dies entspricht auch der Synanthropiehypothese, wie sie Daniel Haag-Wackernagel (1998: 20) erläutert; er stellt dieser jedoch noch zwei weitere Hypothesen zur Domestikation der Taube beiseite. So besagt die Domestikationshypothese, dass bereits in früher Zeit Taubennestlinge von den Menschen aus den Nestern genommen wurden, um sie zu verzehren, wobei im Laufe der Zeit einzelne Nestlinge auch aufgezogen wurden; die Tempelhypothese lehnt sich an die Synanthropiehypothese an und sieht die Tauben als Kulturfolger an den Tempeln im Mittelmeerraum, an welchen sie nicht nur geeignete Nistplätze, sondern durch die Opfergaben aus Getreide und Brot auch ausreichend Nahrung fanden (1998: 20–21). Die Verifizierung einer der drei Hypothesen hält Haag-Wackernagel für unmöglich (1998: 21). 180

145

den homerischen Epen noch unerwähnt, wird dieser Vogel als Haustier frühestens im achten Jahrhundert v. Chr. fassbar.181 Die zunehmende Bedeutung des Huhns lässt sich alleine an den verschiedenen Bezeichnungen erkennen, welche man dem Vogel beigab: 182 eine der häufigeren Varianten und wohl auch die Grundbezeichnung für diese Vogelform war ἀλεκτρυών. Eine weitere gängige Namensgebung, Περσικὸς ὄρνις,183 weist auf die Herkunft des Vogels hin, welcher von seiner indisch-südostasiatischen Heimat über den persisch-medischen Bereich bis nach Kleinasien gebracht wurde, von wo er dann seine weitere Verbreitung in die Dörfer des griechischen und später römisch-griechischen Kulturraumes fand.184 Für das zweite und dritte nachchristliche Jahrhundert lassen sich in Ägypten große Anlagen nachweisen, welche offensichtlich ganz alleine zur Hühnerhaltung genutzt wurden (Drexhage 2001). Der Wandel in der Geflügelzucht von den vereinzelten Informationen aus mykenischer und archaischer Zeit bis hin zu erwerbsmäßigen Zuchtbetrieben, wie sie aus der hellenistischen Periode überliefert sind, bedarf einer näheren Beleuchtung. Die erfolgreiche Entwicklung dieser Form von Nahrungsproduktion basiert nicht zuletzt auf der vergleichsweise einfachen, wenig arbeitsintensiven Haltung und Zucht von Geflügel unterschiedlichster Art. Für die Haltung von Bodengeflügel (Gänse, Enten, Hühner) genügt ein wenig Fläche, welche nicht einmal unbedingt eingezäunt werden muss; auch heute noch gibt es genügend (meist kleinere) landwirtschaftliche Betriebe, auf welchen freilaufendes Geflügel gehalten wird. Selbst die Haltung von Tauben kann durch bloße Anfertigung eines Taubenschlages unternommen werden. Der einzig größere Arbeitsaufwand ist die Bereitstellung von Futter gewesen, was aber selbst Kleinstbauern nicht ernsthaft vor 181

Vgl. von den Driesch / Boessneck (1990): 114; Fabiš (1997): 544. Bei der Untersuchung der Vogelknochen aus den Ausgrabungen der mykenischen Burg Tiryns (von den Driesch / Boessneck 1990) fielen zwanzig Hühnerknochen auf, welche in jener Schicht eigentlich gar nicht hätten gefunden werden dürfen. Es stellte sich also die Frage: „Müßten also alle 20 Hühnerknochen auf unerkannten Störungen [z. B. durch rezente Tierbauten] beruhen? Oder war das Haushuhn den mykenischen Menschen vielleicht doch schon bekannt?“ (Ebd.: 114) Eine solche Bekanntheit des Huhnes zu mykenischer Zeit wäre nicht ganz von der Hand zu weisen, wenn man davon ausgeht, dass die Einführung dieses Vogels nach Baktrien und Iran vor 1200 v. Chr. angesetzt werden kann (Hünemörder 1998, s. v. „Huhn (Hahn)“) und Handelskontakte zwischen Mykenern und orientalischen Völkern nicht eindeutig widerlegbar sind (vgl. Hölkeskamp / Stein-Hölkeskamp / Wiesehöfer 2006: 38–39). 182 Vgl. Thompson (1936): 33–44; Drexhage (2001): 83–85. 183 Z. B. Aristoph. av. 483–485: αὐτίκα δ’ ὑμῖν πρῶτ’ ἐπιδείζω τὸν ἀλεκτρυόν’, ὡς ἐτυράννει ἦρχέ τε Περσῶν πρῶτος πάντων, Δαρείων καὶ Μεγαβάζων, ὥστε καλεῖται Περσικὸς ὄρνις ἀπὸ τῆς ἀρχῆς ἔτ’ ἐκείνης. 184 Vgl. Hehn (1902): 321–329; Fabiš (1997): 544; Nobis (1994): 302; Prummel (2005).

146

Probleme gestellt haben dürfte. Eine begrenzte Futtermenge konnte sich somit höchstens auf die Anzahl der gehaltenen Vögel ausgewirkt haben. Es erscheint aber nicht einleuchtend, dass auf Hühner- oder Gänsehaltung verzichtet worden sein sollte, wenn erst einmal der Wert derselben erkannt worden war; dieser Wert materialisiert sich in regelmäßiger Eierproduktion, schmackhaftem Fleisch und wenig aufwendiger Nachzucht. Man wird davon ausgehen können, dass sich die Haltung von Geflügel relativ rasch im griechischen Kulturraum ausgebreitet hat. Für die Zeit der hellenistischen Reiche und für die römische Kaiserzeit ist dies auch dokumentiert. Dies gilt ganz besonders für die Verhältnisse in Ägypten, wo große Herden von Gänsen gehalten wurden und auch die Haltung und Zucht anderer Vogelarten in großem Rahmen nachgewiesen sind (Rostovtzeff 1955: 227, 229, 955; Drexhage 2001). Erstaunlich sind die hohen Preise, welche zumindest im Ägypten des zweiten bis vierten nachchristlichen Jahrhunderts für Hühner gezahlt wurden. Hans-Joachim Drexhage folgert daraus, dass „aufgrund aller uns bekannten Informationen über die Lebensverhältnisse breiter Bevölkerungskreise der Verzehr von Geflügel […] als Ausnahme anzusehen ist“ (2001: 93). Dem ist sicherlich zuzustimmen, sofern man „Geflügel“ auf Hühner, Gänse und Enten sowie exotischere Vögel beschränkt. Der Verzehr von Eiern sollte jedoch eher die Regel gewesen sein, wie auch der Verkauf von Geflügel auf den Märkten, was bei derartigen Preisen sicherlich eine einträgliche Sache war.185 Doch muss auch mit Michael Rostovtzeff betont werden, dass die Tauben der „billigste Luxus in der Kost des Volkes“ (1955: 229) waren, soll heißen, die Taubenzucht weist erstens eine wesentlich längere Tradition als die übrige Geflügelhaltung auf, zweitens erzielten Tauben keine so hohen Preise beim Verkauf wie etwa die Hühner, so dass weniger „Wert vernichtet“ wurde, wenn man eine Taube aß. Der Grund hierfür ist offensichtlich: es wurde ja bereits dargelegt, dass Tauben schon als Wildformen in die Siedlungsbereiche des Menschen kamen, dort leicht gefangen werden konnten und sozusagen im Überfluss vorhanden waren186 – im Gegensatz zu dem aus dem Osten importierten Huhn und den weniger leicht zu fangenden (weil ferner der menschlichen Siedlungen sich aufhaltenden) Enten und Gänsen, geschweige denn den exotischen Arten wie Pfau und Kranich. Auch der Mist, welchen die Tauben 185

Vgl. Rostovtzeff (1955): 955; anschauliche Beweise für den Geflügelverkauf auf dem Markt liefern u. a. Statuetten, wie sie ebd. abgebildet sind (Tafel XXXIII). 186 Siehe Kapitel 3.5.1 und vgl. Haag-Wackernagel (1998): 60–63.

147

produzierten, wurde als wertvoller Dünger eingesetzt und teilweise sogar mit Steuern belegt, welche dem Herrscher reichen Gewinn bescheren konnten (Rostovtzeff 1955: 229). Überhaupt scheint das Geflügel den Herrschenden und Wohlhabenderen wohl bekommen zu sein. Jedenfalls weisen die Quellen darauf hin, dass gerade auch verschiedenartiges Geflügel zu den Delikatessen zählte, welche bei Gelagen aufgetischt wurden und die als solche einen hohen, eben luxuriösen Wert besaßen. Rostovtzeff verweist auf Varro, der neben der Zucht herkömmlichen Geflügels auch diejenige von Pfauen und Kranichen erwähnt, sowie auf Haltung, Zucht und sogar Kreuzung von Fasanen und Perlhühnern – alles zum Zwecke der Gaumenfreuden bei Tisch der oberen Gesellschaftsschichten.187 Die gewerbsmäßig betriebene Geflügelhaltung wie auch die auf Zurschaustellung bedachte Zucht und Haltung exotischer Vogelarten setzen die Anwesenheit von Spezialisten voraus, also Personen, die entweder die Bedürfnisse „kostbarer“ Vogelarten kennen und so eine erfolgreiche Zucht bei geringen Verlusten (etwa Tod durch falsche Nahrung oder ungünstige klimatische Bedingungen) garantieren,188 oder Arbeiter, welche von sonstigen Diensten freigestellt werden, um sich voll und ganz der Produktion von Geflügel widmen zu können. In der Tat finden sich – bezeichnenderweise wiederum in hellenistischen Quellen – Berufs- und Tätigkeitsbezeichnungen wie etwa ὀρνεοτρόφος, ὀρνιθοτρόφος, ὀρνίθιος, ὀρνιθᾶς oder φασιανάριος.189 In welchen Zusammenhängen und Dimensionen hat man sich Import, Haltung und Zucht exotischer Vögel vorzustellen? Wie das (Haus-)Huhn gelangten auch Fasan und Pfau aus dem südöstlichen Asien in den griechischen Kulturraum; anderst als ersteres erreichten sie jedoch keine nennenswerte ernährungsrelevante Bedeutung, sondern behielten den Status von Exoten und Besonderheiten (vgl. Peters 1998: 195). Es mag wohl damit zusammenhängen, dass das Huhn bereits als „gezähmte“, „kultivierte“ Form von den Medern bzw. Persern übernommen worden war und wie oben dargestellt relativ rasch 187

Rostovtzeff (1955): 955–956. Er vermutet daher die Zentren jener Geflügelzucht im näheren Umfeld der „hellenistischen Hauptstädte“. Vgl. auch die vielfältigen Hinweise auf Geflügelzucht und Geflügeldelikatessen bei Ath. IX, 387d–395f. Zu den Kranichen vgl. Hachfeld (1989): 131. Vgl. auch Störk (1999): 110– 111. 188 In gewisser Hinsicht gilt dies auch für jene Händler und Kaufleute, welche die Luxusgüter importierten. Es lassen sich hier zwar keine Spezialisten feststellen (etwa reine „Vogelhändler“), doch waren in jedem Falle diejenigen im Vorteil, welche Erfahrung bei der Beschaffung und beim Transport der kostbaren Ware hatten, deshalb die Transportverluste in Grenzen halten und am Zielort beste Ware vorweisen konnten. 189 Vgl. Drexhage (2001): 82, 85–88.

148

Beliebtheit als Zuchtgeflügel erlangte. Die Griechen hatten diesen Vogel also bereits als Haustier und nicht als exotischen Wildvogel kennengelernt, ihn in dieser Funktion dann auch übernommen und den Gänsen und Enten damit eine Hühnerart an die Seite gestellt, welche durch häufige und zuverlässige Eierproduktion bei relativ problemloser Haltung gefiel (vgl. Keller 1913: 131–145). Darüber hinaus entwickelten sich organisierte Schaukämpfe zwischen Hähnen zu einer regelrechten Volksbelustigung; solche Hahnenkämpfe nahmen bisweilen sportlichen Wettkampfcharakter an, auch das Umfeld (Zuschauer) betreffend: es mag ursprünglich vielleicht ein Zeitvertreib zweier benachbarter Bauern gewesen sein, doch lernen wir durch Plinius (Plin. nat. 10, 50) und Aelian (Ael. var. hist. II, 28) von der regelmäßigen Ausrichtung öffentlicher Hahnenkämpfe (vgl. Lorenz 2000: 110; Keller 1913: 137). Wenn ein Tier eine solch weitreichende Verbreitung in der Bevölkerung erfährt wie in vorliegendem Falle das Huhn, so darf man mit einiger Berechtigung davon sprechen, dass es ein „volksnahes“ Tier geworden ist, ein Tier also, welches nicht nur jedermann bekannt (weil täglich zu sehen) war, sondern das gleichsam schon zum Interieur eines jeden Hofes gehörte. Dies bestätigen die Quellen, angefangen von (zoo-)archäologischen Nachweisen bis hin zu schriftlichen Quellen, die sich – zumal in der hellenistischen und der Kaiserzeit – in vielfältiger Weise mit Haltung, Zucht, Mast, Krankheiten und zahlreichen weiteren Aspekten dieses „medisch-persischen“ Vogels beschäftigen.190 Vor diesem Hintergrund wird nun auch verständlich, warum etwa der Fasan oder der Pfau im Vergleich zum Huhn in einen derart differenten Status aufsteigen konnten. Der Bedarf an Geflügel war insofern gedeckt, als mit dem domestizierten Huhn ein ziemlich anspruchsloses Tier Eingang bis in die äußersten Bereiche des griechischen Kulturraumes (und darüber hinaus) gefunden hatte, welches fast alle Ansprüche, die an Geflügel zu stellen waren, zufriedenstellte;191 dies gilt für die oberen wie für die unteren Gesellschaftsschichten. Und wer eben Hühner besaß, den drängte es nicht danach, auch noch Fasanen

190

Eine Aufzählung aller Quellen führte zu weit; es genügt ein Verweis auf Autoren, die entsprechende Hinweise bereits gesammelt vorgelegt haben, so etwa. Peters (1998): 191–192, 197–213, 221–232; vgl. Toynbee (1973): 256–257; Keller (1913): 131–145. Zur Popularität des Huhns vgl. bes. auch Lorenz (2000): 110–111. 191 Die weite Verbreitung und Beliebtheit des Huhnes darf nicht falsch verstanden werden: in seiner wirtschaftlichen Rolle blieb das Huhn (wie auch die anderen Geflügelformen) noch lange Zeit weit hinter dem übrigen Nutzvieh zurück; vgl. Lorenz (2000): 111.

149

oder Pfauen zu besitzen192 – es sei denn, die Person wollte damit andere als landwirtschaftliche Effekte erzielen. Mit den Erwerb und der Haltung von exotischen Vogelarten (dieser Sprachgebrauch ist tatsächlich zutreffend: so exotisch auch das Huhn ursprünglich gewesen sein mag, so sehr fällt es jedoch aus dieser Kategorie heraus, wenn man sich die ostmediterrane Welt seit dem 6. Jh. v. Chr. betrachtet) konnte man sich von der Masse abheben; das Anliegen, welches dahinter stand, war besonders die Zurschaustellung des eigenen sozialen und wirtschaftlichen Status. Pfauen und Fasane scheinen dafür ideal gewesen zu sein: mit den Erfahrungen aus der Hühnerzucht war auch die Haltung und Zucht dieser Exoten kein ernsthaftes Problem, und doch war aus den genannten Gründen heraus die Nachfrage so gering, dass der Preis zunächst hoch gehalten werden konnte und die Vögel gleichsam zum Luxusgut wurden. Auch an dieser Stelle ist jedoch wieder zu relativieren: gegenüber anderen Luxusgütern wie Gewürzen und Edelsteinen scheinen Vögel in der Antike (generell) eine untergeordnete Rolle gespielt zu haben (vgl. Tarn 1972: 306–311; Davies 2006: 122). Erneut bringt die hellenistische Zeit eine gewisse Dynamik; das öffentliche Auftreten von herrschenden bzw. einflussreichen Personen wird immer stärker von Statussymbolik begleitet, was im expandierenden römischen Reich schließlich auf die dekadente Spitze getrieben werden sollte. Die Thematik der Statussymbole ist sicherlich zu komplex, um auf eine solch einfache Formel reduziert zu werden, doch sollte es für vorliegende Untersuchung genügen zu sehen, wie Fasan und Pfau zunächst eher als solcherlei Symbole denn als wirtschaftlich nutzbares Getier verstanden wurden.193 Die Verwendung des Wörtchens „zunächst“ impliziert eine Veränderung; und tatsächlich: besonders in der römischen Oberschicht gelangten jene Statussymbole zu dem für sie bedauerlichen Ruf, höchste Gaumenfreuden zu bereiten. Sind es vor allem römischlateinische Schriftsteller, welche ein detailreiches Bild vom Tafelluxus vermitteln, so ist unter den griechischen Texten besonders Athenaeus hervorzuheben, dessen umfangreiches Werk ja gleichsam den Ablauf einer solchen „Tafelrunde“ erzählt, gespickt natürlich mit allerlei Fakten zu den unterschiedlichsten Lebens- und Wissensbereichen.194 Die Ausrichter von Tischgelagen scheinen sich gegenseitig ständig übertrumpfen zu wollen, jedenfalls 192

Unter dem „typischen“ Marktgeflügel sind folglicherweise Vögel zu finden, welche nicht den Status eines echten Luxus hatten („echter“ Luxus bedeutet in diesem Zusammenhang eine Ware, die sich tatsächlich nur die Reichsten leisten konnten; von den Tauben als „Luxus des Volkes“ war ja bereits die Rede); als Beleg sei verwiesen auf die Auflistung von Marktprodukten bei Aristoph. Ach. 873–876 und Aristoph. Pax 1004; vgl. auch Hasebroek (1928): 96. 193 Zu Statussymbolen vgl. Flaig (1993): 199–200. 194 Siehe Kapitel 2.1.7.

150

lässt sich eine steigende Nachfrage nach ausgefallenen Gerichten verzeichnen. Unter den vielfältigen Schlemmereien dürfen auch Fasan und Pfau geradezu als Symbol für jenen Tafelluxus gesehen werden (vgl. Hünemörder 1998, s. v. „ Fasan “; ders. 2000, s. v. „Pfau“). Wer in die Pfauen- bzw. Fasanenzucht einstieg, konnte mit beträchtlichen wirtschaftlichen Gewinnen rechnen. Doch lassen wir die Quellen sprechen. Athenaeus beschreibt die Beliebtheit der Fasanen als eine Reihe neuer Gerichte aufgetragen wird: καὶ γὰρ ὀρνίθων πλῆθος ἦν αἰεὶ καὶ χηνῶν, ἔτι δὲ τῶν νεοσσῶν ὀρνίθων, οὓς πίπους τινὲς καλοῦσι, καὶ χοίρων καὶ τῶν περισπουδάστων φασιανικῶν ὀρνίθων. (Ath. IX, 368f–369a)

Von den enormen Gewinnen, die sich aus Zucht und Verkauf von Fasanen und Pfauen erzielen ließen, berichtet u. a. Plinius; so führt er den Ursprung der Pfauenmast auf M. Aufidius Lurco195 zurück, welcher allein aus dieser Tätigkeit 60.000 Sesterzen Einkommen gehabt haben soll (Plin. nat. 10, 45). Leider ist nicht überliefert, in welchem Zeitraum dieser Betrag erwirtschaftet wurde, doch wenn man davon ausgeht, dass ein Legionär am Ende der römischen Republik etwa bis zu 180 Denare (760 Sesterzen) pro Jahr verdiente, ein Arzt bis zu 6000 Denare (24.000 Sesterzen)196, so werden die immensen Dimensionen des Einkommens aus der Pfauenmast deutlich, unabhängig vom Zeitraum. Auch befruchtete Eier wurden gewinnbringend an andere Züchter verkauft. Alles in allem konnte, wenn man es richtig anging, mit Pfauen und Fasanen ein lukratives Geschäft aufgebaut werden.197 Auf Basis dieser Betrachtungen darf angenommen werden, dass Vögel also 195

Über M. Aufidius Lurco ist nur wenig bekannt, er soll in der späten Republik tribunus plebis gewesen sein; vgl. König / Winkler (1986): 159. Zur Geflügelmast vgl. auch Lorenz (2000): 111. 196 Fide Ulrich Fellmeth, Universität Hohenheim. Vgl. Gehrke / Schneider (2006): 507. 197 Zum Verkauf von Eiern vgl. Hünemörder (2000), s. v. „Pfau“; hier auch der Hinweis auf Varro, welcher auf die enormen Profitaussichten aufmerksam macht. Dass Fasanenfleisch teuer war, zeigt die Festlegung des Preises für den Masthahn im Edictum Diocletiani auf 250 Denare; vgl. hierzu Hünemörder (1998), s. v. „Fasan“. Wie schon gezeigt, beschränken sich die „Luxusvögel“nicht auf Fasan und Pfau; zu nennen wären besonders auch Perlhühner (in etwas untergeordneter Bedeutung ) und Strauße; diese sind ein Paradebeispiel dafür, dass sich der Luxus nicht nur auf den Besitz des Tieres bzw. dessen Verzehr beschränkte, sondern dass auch Teile oder Produkte davon Luxussymbole sein konnten. Vom Strauße ist bekannt, dass seine Federn sehr kostbar geschätzt wurden (vgl. Theophr. h. plant. 4, 4, 5; Hünemörder 2001, s. v. „Strauß“) und sein

151

auch eine Art Kapitalanlage sein konnten: für den Züchter allemal, für den „Zur-SchauSteller“ zumindest hinsichtlich seines sozialen Status (dazu später mehr). Angaben über die Entwicklung des Pfauen- und Fasanenimports liegen nicht in aussagekräftiger Form vor, doch kann man davon ausgehen, dass mit der Etablierung von Zuchtanlagen und der damit einhergehenden Zuchterfahrung, welche Zucht-Misserfolge zunehmend eindämmte, die Nachfrage nach Neuimporten stetig zurückging. Eine kleine Ergänzung: auch mit Hühnerzucht ließ sich bisweilen sehr viel Gewinn erwirtschaften (siehe oben; vgl. Toynbee 1973: 256–266), doch ist es in dem hier untersuchten Zusammenhange von Bedeutung, dass sich das Ansehen der einzelnen Zuchtvogelarten eben durch den beschriebenen sozialen Status, welcher damit zu erreichen war, definierte. Und hierin reichte das Huhn nicht an die „Exoten“ heran. Während die Nachfrage nach Luxusgütern – in unserem Falle also nach den „Luxusvögeln“ – anstieg,198 so ergab sich in den entstehenden Zuchtbetrieben ein Bedarf an Arbeitskräften, vor allem an mit der Zucht vertrauten Fachkräften. Die Entwicklung ging so weit, dass sich im Gefolge des Smindyrides von Sybaris unter den 1000 Sklaven auch eigene ὀρνιθευταί befunden haben sollen, eben Fachkräfte für Geflügelzucht (Ath. VI, 273c; vgl. Davidson 1998: 4–5). Zuvor wurden die Spezialisten der Geflügelzucht erwähnt. Ein eigenes Spezialistentum ist auch in den Vogelstellern zu sehen. Die bereits genannten Schlemmereien der gehobenen Gesellschaft verlangten immer wieder nach großen Mengen an Singvögeln. Neben der Bestückung fremder Speisekammern war die Vogeljagd vor allem zur Bereicherung der eigenen Nahrungspalette weit verbreitet, was wiederum zeigt, dass die Methoden des Vogelfanges weithin bekannt waren und möglicherweise von Kindheit an erlernt wurden. Hinweise darauf geben die beiläufigen Erwähnungen bei Homer und Aristophanes: Odysseus und seine Gefährten sind aus Not auf ihre Fähigkeiten als Jäger Fett, für medizinische Zwecke eingesetzt, ebenfalls recht teuer gehandelt wurde (vgl. Plin. nat. 29, 96). Straußeneier waren ein „begehrter Luxusartikel“ in der phönizisch-punischen Kultur, von wo offensichtlich die Hochschätzung dieses Produktes zumindest in den römischen Kulturkreis übernommen wurde; vgl. etwa Plin. nat. 10, 2; Briese (2001), s. v. „Straußenei“. 198 Zur großen Nachfrage nach Luxusgütern aus dem Osten in der Blütezeit der römischen Republik vgl. bes. Rostovtzeff (1955: 680), der die große Zahl reicher oder wohlhabender Männer in Italien herausstellt. Vgl. auch Veyne (1989: 123) über das Römische Reich: „Reichtum war Tugend.“.

152

und Sammler angewiesen, um nicht verhungern zu müssen; so durchstreifen sie die Insel, ἰχθῦς ὄρνιθάς τε, φίλας ὅ τι χεῖρας ἵκοιτο (Hom. Od. XII, 331). Aristophanes überliefert uns darüber hinaus einen interessanten Einblick in die Arbeitsmethoden der Vogelsteller: κἀν τοῖς ἱεροῖς πᾶς τις ἐφ’ ὑμῖν ὀρνιθευτὴς ἵστησι βρόχους, παγίδας, ῥάβδους, ἕρκη, νεθέλας, δίκτυα, πηκτάς· (Aristoph. av. 525–528) συνείρων τοὺς σπίνους πωλεί καθ’ ἑπτὰ τοὐβολοῦ, εἶτα φυσῶν τὰς κίχλας δείκνυσι καὶ λυμαίνεται, τοῖς τε κοψίχοισιν εἰς τὰς ῥῖνας ἐγχεῖ τὰ πτερά, τὰς περιστεράς θ’ ὁμοίως ξυλλαβὼν εἵρξας ἔχει, κἀπαναγκάζει παλεύειν δεδεμένας ἐν δικτύῳ. (Aristoph. av. 1079–1083)

Die Vielfalt der Jagd- und Fangmethoden zeigt, dass dieses „Handwerk“ bereits seit langer Zeit, über viele Generationen hinweg praktiziert wurde.199 Die Jagd mit Vögeln muss unter zweierlei Aspekten betrachtet werden; es sind dies die Benutzung von Lockvögeln und die Beizjagd. Auf den Einsatz von Käuzen kamen wir bereits zu sprechen; sie dienten ebenso wie die in oben zitierter Aristophanes-Stelle genannten Tauben dazu, durch ihre bloße Anwesenheit im offenen Gelände andere Vögel anzulocken. Auf die Käuze reagierten Singvögel, auf die Tauben reagierten Greifvögel, welche in dem Lockvogel ein potentielles Opfer sahen. Solcherart an den gewünschten Platz gelockt, waren die Vögel relativ leichte Beute für die Vogelsteller, welche sie dann mit Hilfe von Leimruten, Schlingen oder ähnlichem ergriffen. Die Ausübung der eigent199

Vgl. auch die Hinweise in Kapitel 2.2.1, sowie Lindner (1973): bes. 15–28; Böhr (1992, 1999) und Böhr / Böhr (1995); Schneider (2002); Störk (1999): 110; Prummel (2005): 357–358; Buchholz / Jöhrens / Maull (1990): J 114 – J 121; Kreuzer (1999): 225; Morgan (1988): 148. Als weitere Quellen seien vor allem genannt Dionysios’ Buch über den Vogelfang (Dion. ixeut.); Hom. Od. XXII, 468–470; Plin. nat. 16, 248.

153

lichen Beizjagd, also der Einsatz von auf den jagenden Menschen, den „Falkner“, geprägten Greifvögel, welche für den Jäger die Beute machen sollen, ist für die griechische Antike nicht bezeugt.200 Im benachbarten Thrakien201 kamen zwar „zahme“ Greifvögel202 zum Einsatz (Aristot. hist. an. 8 (9), 620a 33 – 620b 6), sie sollten jedoch lediglich die bejagten Vögel dazu veranlassen, sich auf den Boden zu drücken oder ins Dickicht zu flüchten, wo sie dann von den Menschen mit Stöcken erschlagen oder mit Leimruten gefangen wurden (vgl. Lindner 1973: 29–33, 111–119; Lamberton / Rotroff 1985: 17–18; Böhr 1992: 581–582). Auch wenn dies wie eine primitivere Form der Beizjagd erscheint, alleine die Tatsache, dass Greifvögel gefangen, gehalten und auf die gemeinsame Jagd mit dem Menschen geprägt wurden, weist auf umfangreiches spezialisiertes Wissen und die entsprechenden technischen und tierpflegerischen Fähigkeiten hin; schließlich zählen Greifvögel zu den durchaus empfindlichen Arten, was die Haltung in Gefangenschaft angeht (vgl. Heidenreich 1995: 36–38; Engelmann 1928: 593–809). 4.3.2 Vogel und Mensch in sozialer Beziehung Das dauerhafte Nebeneinandersein von Menschen und Vögeln führt immer auch zu einer gewissen Sympathie oder Antipathie, welche die Menschen gegenüber ihren gefiederten „Miteinwohnern“ empfinden (über die Empfindungen der Vögel gegenüber den Menschen können naturgemäß leider keine Aussagen gemacht werden, so interessant dies auch wäre – ließe sich dadurch doch vielleicht das Bewusstsein für die menschliche Verantwortung gegenüber der Umwelt schärfen). Der Grad dieser sozialen Komponente wird bestimmt vom Zweck, welchen der Mensch dem Tier zugedacht und weshalb er es „domestiziert“ hat. Demnach muss die Käfighaltung des „Ziergeflügels“ von der landwirtschaftlichen Haltung des „Nutzgeflügels“ unterschieden werden; zwischen diesen beiden Schwerpunkten gibt es eine Reihe von Zwischenformen.

200

Vgl. Serjeantson (2009): 320–321. Archäologische Nachweise dieser Art zu jagen gibt es für jenen Zeitraum auch aus anderen Gebieten, doch sind diese nicht dem griechischen Kulturraum zuzuordnen, um den es ja vorrangig in dieser Arbeit geht; vgl. Lindner (1973): 29–30, 111. 202 Es ist nicht unproblematisch, im Zusammenhang mit Greifvögeln von „Zähmung“ zu sprechen. Greifvögel lassen sich nicht zähmen (jedenfalls nicht im engeren Sinne des Wortes), man kann sie lediglich „prägen“ bzw. „abtragen“, wie es in moderner Falknersprache heißt. Das bedeutet, der Vogel erkennt im Falkner seinen Jagdpartner, welcher auch immer dafür sorgt, dass er (der Vogel selbst) genügend Nahrung erhält. Dies ist hier zwar stark vereinfacht wiedergegeben, sollte aber zur Erklärung genügen; zur Vertiefung vgl. beispielsweise Engelmann (1928): 604–614; Heidenreich (1995): 36–38. 201

154

Sicherlich ist die soziale Beziehung zwischen Bauer und Nutzgeflügel eine nur sehr schwache; das Tier soll Produkte liefern oder dient selbst als Produkt, die Bedeutung liegt fast ausschließlich in der Nutzbarkeit der Vögel. Unbestreitbar wird sich zwar jeder Bauer ärgern, wenn eines seiner Hühner oder seiner anderen Vögel einem Raubtier zum Opfer gefallen ist. Auch mag er dies poetisch beklagen: Οὐκέτι μ’ ὡς τὸ πάρος πυκιναῖς πτερύγεσσιν ἐρέσσων ὄρσεις ἐξ εὐνῆς ὄρθριος ἐγρόμενος· ἦ γάρ σ’ ὑπνώοντα σίνις λαθρηδὸν ἐπελθὼν ἔκτεινεν λαιμῷ ῥίμφα καθεὶς ὄνυχα. (AP VII, 202)

Doch drücken diese Worte keine tiefergehende Zuneigung zu dem getöteten Vogel aus. Der Bezug geht vielmehr zu dessen gewohntem Anblick und Verhalten, nämlich den Hausbzw. Hofherrn aus den Federn zu schmeißen; es dürfte sich in diesem Falle also wohl um einen Hahn (und dessen Krähen) gehandelt haben. Wahre Zuneigung hingegen sieht anders aus: Οὐκέτι που, τλῆμον, σκοπέλων μετανάστρια πέρδιξ, πλεκτὸς λεπταλέαις οἶκος ἔχει σε λύγοις, οὐὸ’ ὑπὸ μαρμαρυγῇ θαλερώπιδος Ἠριγενείς ἄκρα παραιθύσσεις θαλπομένων πτερύγων. Σὴν κεφαλὴν αἴλουρος ἀπέθρισε, τἄλλα δὲ πάντα ἥρπασα, καὶ φθονερὴν οὐκ ἐκόρεσσε γένυν. Νῦν δέ σε μὴ κούφη κρύπτοι κόνις, ἀλλὰ βαρεῖα, μὴ τὸ τεὸν κείνη λείψανον ἐξερύσῃ. (AP VII, 204)

Und das Empfinden gegenüber dem Übeltäter? Οἰκογενὴς αἰλουρος ἐμὴν πέρδικα φαγοῦσα

155

ζώειν ἡμετέροις ἔλπεται ἐν μεγάροις; Οὐ σε, φίλη πέρδιξ, φθιμένην ἀγέραστον ἐάσω, ἀλλ’ ἐπὶ σοὶ κτείνω τὴν σέθεν ἀντιϐίην. (AP VII, 205)203

Es wird auf den ersten Blick deutlich, dass dieser Vogel ein ganz besonderer Liebling seines Besitzers war. Dieser πέρδιξ also diente vornehmlich dazu, seinem Herrn zu gefallen. In der Tat ist überliefert, dass gerade auch Stein- bzw. Chukarhühner als Kampfhühner gehalten wurden, die gleichsam den Charakter eines Statussymbols bekamen. Auch Wachteln wurden für ähnliche Zwecke eingesetzt.204 Die Tiere trug man bisweilen bei seinen Auftritten in der Öffentlichkeit mit sich.205 Doch nicht nur Steinhühner206 und andere Hühnervögel waren beliebte Haustiere in der griechischen Antike, sondern selbstverständlich spielten besonders die Singvögel damals eine ähnliche Rolle wie heute; sie sollten mit ihrem Gesang die unmittelbare Umwelt des Menschen bereichern, sei es zur reinen Freude ihrer Besitzer, als ästhetischer „Kunstgenuss“, oder auch – vor allem während der Kaiserzeit – als Mittel zur Darstellung seines persönlichen Reichtums und luxuriösen Lebensstiles (vgl. Pollard 1977: 135–140; Krenkel 2001; Lamberton / Rotroff 1985: 10–11). Für letzteres waren besonders die exotischen Vögel von Bedeutung, etwa Papageien oder Pfauen (vgl. auch Aelians Bericht über die in Gärten gehaltenen Vögel Indiens: Ael. nat. anim. XIII, 18). Am deutlichsten wird das Geltungsbedürfnis, welches sich in der Zurschaustellung exotischer Tiere äußert, vielleicht in dem sogenannten Zoo207 des Ptolemaios II. in Alexandria, in welchem auch Pfauen, Fasane, Perlhühner, Papageien 203

Vgl. Pollard (1977): 138. Eine vergleichbare Situation begegnet uns heute in der arabischen Welt, wo zur Jagd ausgebildete Falken einen derart hohen Stellenwert als Prestigeobjekte und Statussymbole genießen, dass um ihretwillen gar eigene Falkenkliniken eingerichtet worden sind (vgl. http://www.falconhospital.com). Im Gegensatz zur Falknerei in Europa erfahren andere Beizvögel wie Habicht oder Steinadler in jenen Ländern nicht diese Wertschätzung; es geht einzig um die Falken, welche vor allem „schön“ aussehen müssen, d. h. ihr Gefieder muss tadellos sein. Sehr beliebt sind etwa weiße Falken aus den arktischen Gebieten. Man darf sich die Behandlung der Kampfhühner und -wachteln in der Antike sicherlich ähnlich vorstellen: besonders die „siegreichen“ Hähne werden mit Stolz zu jedem geeigneten Anlass vorgezeigt worden sein – notfalls schuf man sich solche geeigneten Anlässe, indem man die Vögel eben häufig bei sich hatte und solcherart den eigenen Status allen anderen vor Augen führte. 205 Vgl. etwa die Erzählung über Alkibiades bei Plut. Alk. 10. 206 Vgl. Böhr (2000): 345. 207 Der Begriff „Zoo“ oder gar „Zoologischer Garten“ ist in diesem Zusammenhang sicherlich in demselben Maße kritisch zu betrachten, wie dies bei den modernen Begriffen „Ornithologie“ oder „Art“ bereits besprochen wurde. 204

156

und weitere ὄρνιθες Αἰθιοπικόι zu sehen gewesen sein sollen; diese exotischen Vögel waren auch Teil einer berühmten Prozessionszuges desselben Herrschers, in welchem seine Macht und sein Reichtum in unvorstellbarem Umfang demonstriert wurden (bes. Ath. V, 200c–201b; IX, 387d; vgl. Tarn 1972: 365–366; Lorenz 2000: 185). Sobald eine „Ware“ (und sei es ein Lebewesen) in den Status eines Luxussymbols aufrückt, grenzt deren Besitz oder Nichtbesitz soziale Schichten voneinander ab. Auch im Falle der Vögel sind die Neider nicht weit: So sollen – wie Plutarch uns berichtet – die Gegner des Perikles ihre Angriffe gegen seinen Bekannten Pyrilampes gerichtet haben; ihn beschuldigten sie, seine Zuchtanlage für Pfauen nur für den einen Zweck zu betreiben, damit Perikles seine Liebschaften mit je einem dieser Exoten beschenken könne (Plut. Per. 13) Auch wenn die Quellen über gekäfigte Singvögel eher spärlich fließen, so darf an deren Beliebtheit nicht gezweifelt werden. Alleine die beiden Aelian-Stellen über die Nachtigall zeugen von dem Eindruck, welchen der Vogelgesang bei den Menschen hinterlassen hat:208 ihrer Freiheit beraubte und in Käfigen gehaltene Nachtigallen würden im Laufe der Zeit ihren Gesang einstellen, sozusagen aus Protest; daher würden die hiermit vertrauten Menschen immer wieder Jungvögel zu fangen versuchen (Ael. nat. anim. III, 40). Später heißt es, gefangene Nachtigallen sängen umso inbrünstiger, je mehr Publikum vorhanden sei (V, 38). Dies muss kein Widerspruch zur ersten Stelle sein. Schließlich ist bekannt, dass gerade bei der Nachtigall im Jahresverlauf eine deutliche Veränderung in der Intensität, wie auch in der Melodie des Gesanges festzustellen ist (siehe Kapitel 3.6). Es ist am wahrscheinlichsten, dass die Berichte Aelians sich auf derartige saisonal bedingte gesangliche Differenzen beziehen. Eine gewisse Berühmtheit unter den antiken „Stubenvögeln“ erlangten Lesbias passer (Catull. 2–3) und Corinnas psittacus (Ov. am. 2, 6);209 dieser ein Individuum der grünen Papageienarten,210 jener mit Sicherheit kein Sperling, wie lange Zeit viele Übersetzungen glauben machen wollten.211 Die exakte Darstellung eines Adlerkopfes auf einem Tafelfragment aus dem fünften Jahrhundert v. Chr. lässt vermuten, dass auch große Greifvögel in Gefangenschaft gehalten 208

Vgl. auch Fox (2008); Birkhead / Balen (2008): 283. Vgl. Giebel (2003): 130–131. 210 Siehe Kapitel 3.7. 211 Vgl. hierzu Thompson (1936): 190–191, 270; Pollard (1977): 135. 209

157

wurden; im vorliegenden Falle musste dies zumindest solange geschehen sein, wie der Künstler für die Anfertigung des Adlerporträts benötigte (vgl. Lamberton / Rotroff 1985: 15). Eine falknerische Nutzung von Greifvögeln ist für die griechische Antike jedoch nicht nachweisbar.212 Es sind aber nicht nur einzelne Tiere, welche eine besondere Zuneigung erfahren. So lässt sich für die Vögel im Allgemeinen eine Beliebtheit und Sympathie seitens der Menschen konstatieren, die in mannigfacher Weise zum Vorschein kommt. Zu erinnern ist hier besonders an die Beliebtheit des Vogelgesangs und an die mythologischen Erzählungen, welche beispielsweise mit Schwalben, den Kranichen oder der Nachtigall in Verbindung stehen (vgl. Pollard 1977: 155–187). Auch die Vogelgraffiti sind hierher einzuordnen; besonders die gestalterisch etwas anspruchsvolleren unter den Graffitizeichnungen betonen bisweilen gewisse Details, was auf einige (bewusste oder unbewusste) Studien213 von Vogelkörpern oder aber auf direkte Betrachtung eines Vogels während der Graffito-Anfertigung schließen lässt (vgl. Langner 2001: 66). Anstatt ein einfacheres Motiv zu wählen oder einen einfachen, stilisierten Vogel zu zeichnen, war es in diesen Fällen also offenbar die Absicht, einen (relativ) schönen bzw. gut gezeichneten Vogel zu hinterlassen. Graffiti drücken im Gegensatz zu Wand- oder Vasenmalereien einen Akt der Spontaneität aus. Vor diesem Hintergrund sind wiederum zwei Aspekte zu erkennen: Zum einen wird das zuvor Erwähnte dadurch bestätigt, dass der Zeichner des Graffito aus allen möglichen Motiven in jenen Beispielen ausgerechnet einen Vogel zeichnen wollte; er musste dann also zumindest in der Lage sein, die Grundstruktur „Vogel“ einschließlich einiger Details aus dem Gedächtnis abzurufen. Zum anderen könnte die spontane Aktion durch einen vorbeifliegenden, eher noch durch einen vorüberlaufenden Vogel inspiriert worden sein; auch in diesem Falle ist dann bemerkenswert, dass nicht etwa vorüberlaufende Menschen oder in der Nähe wachsende Pflanzen zum Gegenstand der Darstellung wurden.214 Die Wahl des Motivs 212

Siehe Kapitel 4.3.1. Unter „unbewusste Studien“ fallen etwa die durch alltägliche Begegnung z. B. mit Hühnern erworbenen Kenntnisse. Diese sind eben nicht vorsätzlich und auf gewissenhaften Untersuchungen basierend, sondern auf der Häufigkeit der Begegnungen mit den Vögeln und den dabei wahrgenommenen Verhaltensweisen. Eine Trennung zwischen „bewussten“ und „unbewussten Studien“ ist aber nicht strikt zu ziehen: gerade der Bauer wird immer wieder einmal einen sorgfältigen Blick auf den Zustand seiner Tiere werfen, um dies nur an einem Beispiel zu verdeutlichen. 214 Natürlich gibt es auch Graffiti von anderen Tieren, von Menschen oder Pflanzen; an dieser Stelle ist es aber von Bedeutung, die Beliebtheit und Kenntnis der Vögel im Allgemeinen durch ihre Verwendung als Graffitimotive zu unterstreichen. 213

158

kann nicht alleine durch die größere Herausforderung in der Darstellung desselben motiviert sein – schließlich lassen sich genauso gut Strichmännchen, -pferde oder -bäume zeichnen –, sondern sie weist wohl auf eine gewisse Beliebtheit des Objekts hin. Es ist mir durchaus bewusst, dass die soeben getroffenen Aussagen zu den Graffiti viel Spekulations- und Diskussionsraum lassen; so sollen sie denn auch nicht als absolute Aussagen, sondern lediglich als Beispiele verstanden werden, wie der Beliebtheit der Vögel Ausdruck verliehen werden konnte und welche Sympathien die Vögel im Vergleich zu anderen Lebewesen bei manchen Menschen genossen – wie gesagt: mit allen gebotenen Einschränkungen. Beliebtheit und sozialer Status, Wertschätzung und Hierarchie lassen sich auch durch Namensgebung anzeigen; man denke generell nur an Städtegründungen (wie die diversen Alexandria) oder an die Siegesbeinamen erfolgreicher römischer Feldherren. Nicht anders verhält es sich im Miteinander von Menschen und Vögeln. So finden wir unter den Vogelnamen beispielsweise solche, die auf eine besondere Verbindung der bestimmten Vogelart mit einer mythologischen Person verweisen, wie μελεαγρίς und μέμνων.215 Die Übertragung des bekannten mythologischen Namens auf ein Tier zeugt davon, dass dieses einen weitaus tiefer gehenden Eindruck (welcher Art auch immer – bei den „Vögeln Memnons“ sicherlich deren Kampfgehabe) bei den Menschen hinterlassen hat als andere Tiere, welche man „nur“ aufgrund eines oder weniger Merkmale, wie etwa ἐρυθρόπους, oder nach ihrer Herkunft benannte, wie zum Beispiel Μηδικοὶ ὄρνεις. Nach welchen Kriterien erfolgte die Benennung von Vögeln? Es lassen sich hierzu sieben größere Kategorien feststellen; deren erste beinhaltet die eben angesprochenen Benennungen nach Begebenheiten aus dem Bereich der Mythen und Legenden. Die μελεαγρίδες etwa inspirierten durch ihr gesprenkeltes Federkleid die ersten Betrachter216 offenbar zu einem Bezug zur tragischen Geschichte um Meleager, wobei die weißlichen Flecken auf dem dunklen Gefieder der Perlhühner an die Tränen erinnern mochten, welche

215

Siehe Kapitel 3.5.3 und 3.5.4. Vgl. auch Pollard (1977): 162–163. Es ist hierbei nicht an die chronologisch ersten Griechen zu denken, welche Perlhühner zu Gesicht bekamen, sondern an den gesamten Zeitraum des ersten Kontaktes zwischen Grieche und Perlhuhn bis zur Durchsetzung der Bezeichnung μελεαγρίδες im griechischen Kulturraum. 216

159

durch die Meleagriden vergossen wurden.217 Ein zweites Beispiel aus dieser Kategorie ist αἰγοθήλας, der Ziegenmelker, dessen „Unschuld“ bereits angesprochen wurde.218 Weshalb eigneten sich diese beiden Vögel für derartige Namensgebungen? Wenn man von einem Vogel nur sehr wenig außer seiner Existenz weiß, dann mag diese Vorgehensweise ideal erscheinen: man setzt etwas nur sehr vage Bekanntes in Relation zu Bekanntem. Die Nachtaktivität des Ziegenmelkers reichte zwar für das Wissen um die Existenz eines „Nachtvogels“ (der jedoch keine Eule war) aus, mehr war augenscheinlich aber nicht herauszufinden. Und gerade im Umgang mit den Wesen der Nacht scheint die menschliche Phantasie zu Höchstleistungen animiert, wie wohl ein jeder Mensch aus eigener Erfahrung bestätigen kann. Wenn dann zufällig ein Stück Vieh erkrankt und nachts zuvor jener Nachtvogel um den Stall geflattert war, dann dürfte es nicht allzu schwer gefallen sein, beides in eine – vermeintlich logische – Verbindung zu setzen, was in diesem Falle dem Ziegenmelker zu seinem schlechten Ruf verholfen hat. Da im anderen Falle die Perlhühner als Exoten ins Land gebracht wurden, war nicht viel von ihrem Verhalten, Lebensraum etc. bekannt, was eine diesbezügliche Benennung ausschloss und den Platz für die Wahrnehmung optischer Auffälligkeiten bereitete, die man dann zu interpretieren versuchte. Das Stichwort „optische Aufälligkeiten“ bringt uns zur zweiten Kategorie; es überrascht nicht, dass viele Vogelarten nach ihrem Aussehen benannt wurde, schließlich erfolgt in den meisten Fällen die optische Wahrnehmung (zumindest im Falle der Vögel) wesentlich schneller und einfacher als die Wahrnehmung durch andere Sinnesorgane, eine Ausnahme bilden vielleicht in manchen Situationen akustische Reize, welche folgerichtig dann die dritte Kategorie ausmachen, doch dazu unten mehr. Herausragende optische Merkmale können Farben sein, wie uns die Beispiele κύανος („der Schwärzliche“) und πέλεια (von πελιός: „dunkelfarbig“, „schwärzlich“, „grau“)219 zeigen, aber auch hervorstechende anatomische Merkmale, wie etwa die großen Augen der Eule σκώψ (wohl von σκέπτομαι: „betrachten“, „beobachten“) oder der helmartige Federbusch der (Hauben-)Lerche κορύδαλος (von κόρυς: „Helm“). Darüber hinaus konnte die Gesamtform eines Vogels an andere Dinge erinnern, so erhielt die δρεπανίς (von δρεπάνη: „Sichel“) ihren Namen nach den sichelförmig ausgebreiteten Flügeln. Schließlich müssen in diese Kategorie auch 217

Vgl. Ael. nat. anim. IV, 42; del Hoyo et al. (1994): 564. Siehe Kapitel 3.5.4. 219 Vgl. Suolahti (1909): 209; Vaniček (1877): 525–526. 218

160

Merkmale mit einbezogen werden, welche an personenbezogene Gegenstände erinnern und eine entsprechende Namensgebung zur Folge hatten. Das leuchtende Scheitelgefieder der Goldhähnchen jedenfalls wurde mit einem Diadem assoziiert, der Vogel entsprechend βασιλεύς benannt.220 Die Namengebung nach akustischen Merkmalen erfolgt in den meisten Fällen dadurch, dass man versucht, typische Lautäußerungen eines Vogels in der menschlichen Sprache nachzubilden. In dieser dritten Kategorie sammeln sich also derartige lautmalerische Beispiele: in βύας (maskuline Form) bzw. βύζα (feminine Form) erkennen wir das kehlige „Heulen“, das „U-hu“ der gleichnamigen Eule (das deutsche Wort ahmt ja ebenfalls den Laut nach).221 Der Name γέρανος rührt vom heiseren Geschrei des Kranichs her,222 ἔποψ ahmt das „hup-hup“ des Wiedehopf nach,223 κόκκυξ den Ruf des Kuckuck.224 Auch in den Namen κόραξ und κορώνη sind die Laute der Raben und Krähen zu hören, und selbst in σπίζα lässt sich der helle Ruf des Buchfinken erkennen.225 Dass eine Namensgebung auf akustischer Basis aber nicht nur lautmalerisch sein muss, zeigt uns der Begriff κίσσα, auf den unten etwas näher eingegangen wird. Die vierte Kategorie beschreibt Vögel nach Besonderheiten in ihren Bewegungen oder in ihrem Verhalten, wozu die bereits bekannten „Rennenden“ (τροχίλοι) und die „Holzklopfer“ (δρυοκολάπται) ebenso zählen wie „der-sich-Herabstürzende“ (καταρράκτης) und der „Schwanzwipper“ (σεισοπυγίς). In dieser und den beiden zuvor genannten Kategorien liegen uns aussagekräftige Zeugnisse über die Wahrnehmung der Vogelwelt durch die Menschen der Antike vor. Der Vogel wird definiert über Merkmale, die ihn vor anderen Vögeln auszeichnen, die ihn charakterisieren und damit beinahe schon unverwechselbar machen. Auf ähnliche Art und Weise sind Benennungen nach bevorzugter Ernährungsweise zu verstehen, welche die fünfte Kategorie ausmachen. Im allgemeinen wird man konstatieren können, dass derartige Namensgebungen in Relation zu den optischen und akustischen 220

Siehe Kapitel 3.6. Vgl. Vaniček (1877): 567–568; Suolahti (1909): 308–309; ebenso Kapitel 3.3. 222 Vgl. Vaniček (1877): 202–203; Suolahti (1909): 292. 223 Vgl. Vaniček (1877): 36; Suolahti (1909): 12–13. 224 Vgl. Vaniček (1877): 160–161; Suolahti (1909): 4–5. 225 Vgl. Vaniček (1877): 140, 1176. 221

161

Merkmalen weniger geeignet sind, eine Vogelart bzw. -form zweifelsfrei zu benennen, schließlich gibt es kaum eine Nahrungsquelle, die lediglich von einer Art frequentiert wird. Dies heißt nicht, dass in den beiden anderen Kategorien keine derartig mehrdeutigen Vogelnamen auftauchen; man denke nur an μελαγκόρυφον oder auch an κίσσα, was sich wohl am treffendsten mit „Schreier“ übersetzen lässt – schon Aristoteles sagt von ihr: ἡ δὲ κίττα φωνὰς μὲν μεταβάλλει πλείστας, καθ᾿ ἑκάστην γὰρ ὡς εἰπεῖν ἡμέραν ἄλλην ἀφίησι (Aristot. hist. an. 8 (9), 615b 19–20). Als Beispiele für die fünfte Kategorie seien φασσοφόνος und φρυνολόγος genannt. In einer weiteren Gruppe lassen einige Vogelnamen ihre vor- oder nichtgriechische Herkunft erkennen; diese Bezeichnungen wurden also entweder aus anderen Sprach- und Kulturkreisen entlehnt oder entwickelten sich mit einer wie auch immer zu definierenden Menschengruppe über einen langen Zeitraum aus einer vorgriechischen in eine griechische Version. So lassen sich beispielsweise die Abstammungen von νῆττα (bzw. νῆσσα), χήν und ὄρτυξ aus einer indoeuropäischen Wurzel – chronologisch gesehen weit vor der Herausbildung selbst einer protogriechischen Kultur und Sprache – nachweisen; es finden sich Entsprechungen in anderen Sprachen der indoeuropäischen Sprachfamilie, etwa im Sanskrit, wo die jeweiligen Formen āt-í, hañsá und vart-aka lauten.226 Hat man es mit Lebewesen zu tun, die aus fernen Landen stammen und die bis dato in der eigenen Lebenswelt unbekannt waren, so ist eine der vordergründigsten Fragen diejenige nach der genaueren Herkunft des Tieres oder der Pflanze. Und so verwundert es nicht, dass unter den Vögeln ebenfalls derartige Beispiele zu finden sind, die uns darüber hinaus belehren, dass diese Faunen- oder Florenelemente erst in den hellenischen Kulturraum gebracht wurden, als dieser bereits deutlich ausgeprägt war. Man denke hierbei an den φασιανός, also den Vogel vom Flusse Phasis,227 und an die Μηδικοὶ ὄρνεις. 228 In diese siebente und letzte Kategorie fasse ich auch Herkunftsbezeichnungen hinsichtlich des Lebensraumes (und nicht nur der Geographie), wie etwa den ὀρόσπιζος und den χαραδριός. 226

Vgl. Vaniček (1877): 24, 240–241, 925. Sicherlich sind einige der hier der zweiten und dritten Kategorie zugeordneten Begriffe ebenfalls indoeuropäischen Ursprungs, doch passen sie besser in jene – subjektiv festgelegten – Kategorien. 227 Vgl. Bodson (2005): 455. 228 Vgl. Thompson (1936): 203–204, 298–299.

162

Mag diese Vorgehensweise bei der Namensgebung noch einleuchtend sein, so ist ein Blick auf die umgekehrte Übertragungsrichtung wesentlich interessanter: Menschen, denen man Vogelbezeichnungen zum Namen gab. Ein Abgleich der bekannten Vogelnamen mit den Einträgen im Lexicon of Greek Personal Names229 ergibt eine erstaunliche Liste von übereinstimmenden Vogel- und Personennamen.230 Darauf finden sich Ἀετός, Ἱέραξ, Κάλλων, Κόραξ, Κορώνη, Κόσσυφος, Κύκνος, Ὄρτυξ, Πέλεια, Πέρδιξ, Περιστερά, Τροχίλος und Χελιδών.231 Es ist sicherlich weder Zufall noch überraschend, dass uns hier diejenigen Vögel wieder begegnen, welche weithin bekannt waren; Grundbezeichnungen, die ein jeder kannte; Tiere, von deren charakterlichen Eigenart so manche Fabel erzählte; besonders aber sind es auch Vögel der täglichen Begegnung – die Adler ausgenommen. Dass diese großen Greifvögel dennoch auf unserer Liste auftauchen, darf nicht verwundern. Als Attribut des Zeus beispielsweise war der Adler nicht nur berühmt, sondern die Verleihung des Namens Ἀετός war durch diese Verbindung aller Ehren wert. Warum man überhaut das Bedürfnis verspürte, Menschen mit Vogelnamen zu versehen, kann nicht zweifelsfrei dargelegt werden, doch gehen die Vermutungen dahin, dass es vor allem die mythologischen Hintergründe und die aus Fabeln bekannten charakterlichen Eigenschaften jener Vögel waren, welche zu einem solchen Schritt Anlass gaben. Die Greifvögel etwa könnten für Stärke stehen, Tauben für Lieblichkeit, Schwalben für Fröhlichkeit – allesamt Eigenschaften, wie sie auch heute noch mit jenen Vögeln in Zusammenhang stehen: die hawks und doves in der amerikanischen Politik232, die Friedenstaube, die Schwalbe als Verkünderin des Frühlings usw. Man möchte der benannten Person also durch die Namensverleihung jene vermeintlich guten Attribute gleichsam als gute

229

Fraser / Matthews (1987 ff.). Diese Liste vergrößerte sich immens, nähme man auch noch die scheinbar von Vogelnamen abgeleiteten oder damit Ähnlichkeiten aufweisenden Begriffe sowie dialektal abgewandelte Namensformen hinzu. Inwiefern sich solche Ableitungen tatsächlich auf den ursprünglichen Vogelnamen zurückführen lassen, müsste sprachwissenschaftlich untersucht werden, wofür meine Kenntnisse nicht ausreichen. Für diese Arbeit genügt es, den Blick auf die „reinen“ Bezeichnungen zu werfen. 231 Zu den genannten Namen vgl. besonders Fraser / Matthews (1987): 231, 250, 278, 354, 370; (1994): 232, 254, 270–271, 277, 355, 366, 435; (1997): 15, 216, 236, 256, 346, 359, 476; (2000): 205, 224, 329, 343, 412; (2005): 172, 185, 204. Κάλλων ist sicherlich etwas problematisch, wird der Name in gängigen Wörterbüchern doch nicht nur mit „Hahn“, sondern auch grundbedeutend mit „der Geschmückte“ wiedergegeben, was sicherlich nicht ausschließlich auf den Vogel anzuwenden wäre. Darüber hinaus sind Begriffe wie Γλαῦξ und Χαλκίς in ihrer Bedeutung entweder nicht primär nur auf Vögel zu beziehen oder als Vogelnamen nicht eindeutig identifiziert (Beispiele finden sich in Kapitel 3). 232 Vgl. z. B. http://www.time.com/time/magazine/article/0,9171,898748,00.html (Stand: 22.04.2009). 230

163

Wünsche mit auf den Lebensweg geben. Was in jedem Einzelfall hinter der Namenswahl gestanden haben mag, wäre sicherlich interessant, ist jedoch unmöglich zu wissen. Ein weiteres Beispiel ist die nachträglich stattfindende Vogelnamenverleihung, die dann also einer Person nicht den Rufnamen, sondern nur einen Beinamen oder Kosenamen gibt. Bei einer solchen Benennung dürften es vor allem charakterliche Züge der Person gewesen sein, welche einen Bezug zu einer vogeltypischen Eigenart erkennen ließen.233 Jedenfalls zeigen die Verbindungen von Menschen- und Vogelnamen ein weiteres Mal, wie hoch auf der Beliebtheitsskala die Vögel schon seit jeher standen. Derartige Beliebtheit setzt eine gute Kenntnis der Vögel voraus. Nur wenn das Aussehen und die Verhaltensweisen bestimmter Vögel vielen Menschen auch im Detail bekannt waren, konnten Assoziationen zwischen Mensch und Vogel sinnvoll angewandt und allgemein verstanden werden. Es ist dies ein weiterer Beleg für eine weit zurückreichende Tradition von Vogelbeobachtung und Zuweisung bestimmter Eigenschaften auf bestimmte Arten. Die herausragende Stellung der Vögel im Vergleich zu anderen Tiergruppen ist womöglich auch auf vermeintliche Ähnlichkeiten zwischen Mensch und Vogel zurückzuführen; man denke etwa an das Bauen eines Nests und das Errichten von Wohnhäusern, an die Vogelbalz und das Umwerben des oder der Geliebten, an all das vermeintlich menschliche in den Lautäußerungen der Vögel, vom „fröhlichen Singen“ bis zum „Zetern“ und „Schimpfen“. Zahlreiche Lieder und Reime zeugen auch heute noch von derartiger Wahrnehmung und Assoziation. Solches Denken findet seinen Gipfel im Verlangen der Menschen, fliegen zu können; wir sind bereits aus der Antike bestens mit dieser Thematik vertraut.

233

In diese Richtung denkt etwa auch Elias Sverkos bei einer Untersuchung zweier Epigramme, wovon eines die verstorbene Person auch mit dem Kosenamen Πετροκόραξ benennt; das entsprechende Manuskript verdanke ich Prof. Dr. Angelos Chaniotis (Oxford).

164

4.3.3 Der Vogel im religiös-kultischen Bereich Da sich die vorliegende Arbeit primär mit den Vögeln als solchen beschäftigt, d. h. mit den einzelnen Arten und Formen, so werden im Folgenden nicht die Rituale und Feste in ihrem Ablauf, in ihren religiös-kultischen Bedeutungen234 untersucht, sondern vielmehr ein Licht darauf geworfen, welche Vögel in welchen kultischen Zusammenhängen auftauchen; unter diesen ist einzugehen auf Opfer und Divination.235 In ihrer Bedeutung als Opfertiere treten die Vögel deutlich hinter die Nutztiere236 Rind, Schaf, Ziege und Schwein zurück (vgl. Stengel 1910: 226–233; Højlund 1983). Das Huhn und die Taube waren – allgemein betrachtet – unter den Vögeln die wichtigsten Opfergaben, jedoch lassen sich deutliche Unterschiede zwischen verschiedenen Gegenden des östlichen Mittelmeerraumes hinsichtlich der Präferenzen erkennen; so spielt etwa die Gans in Ägypten eine herausragendere Rolle als anderswo in der griechischen Welt, was wohl ganz besonders in Zusammenhang mit den ägyptischen Gottheiten Isis und Osiris zu stellen ist (vgl. Speyer 1973: 180–182). Als „Begleiterin der Aphrodite“ (Nilsson 1906: 363) nimmt die Taube in Aphrodite-Kulten die entsprechende Rolle ein (vgl. ebd.; HaagWackernagel 1998: 69). Doch auch persönliche Vorlieben bestimmten mitunter, ob ein Vogel etwa einem Verstorbenen geopfert und mit ihm bestattet wurde (vgl. Kurtz / Boardman 1985: 256, 383). Die Auswahl des Opfertieres (oder des Opfer-„Gegenstandes“) beschränkt sich vom ursprünglichen Gedanken her auf etwas, das dem Opfernden selbst wichtig ist oder zumindest aus seinem eigenen Besitz stammt, so dass der Vorgang des Opferns, des Von-sich234

Zu dieser Thematik vgl. etwa Bodson (1978); Erbse (1980); Henrichs (1987); Bevan (1989). Eine weitere, hier allerdings nur äußerst knapp anzusprechende Dimension im religiös-kultischen Bereich erstreckt sich auf die „Zauberkunst“, auf den Glauben an magische Kräfte, die in vielfältiger Form auftreten und zum Nutzen der Menschen in Anspruch genommen werden können. Erneut also berühren wir damit den Komplex des „Volksglaubens“. Vögel verschiedener Art tauchen in diesem Zusammenhang als eine Art unfreiwillige „Organspender“ auf: einzelne Körperteile ausgesuchter Vogelarten sind elementare Bestandteile so manchen Elixiers (vgl. Speyer 1973: 182; Preisendanz 1973). Dass darunter gewiss auch manch tatsächlich helfende Arznei zu finden war, kann nicht über den Gesamteindruck hinwegtäuschen, dass das meiste doch schlicht und einfach Aberglaube war; Beispiele anzuführen erübrigt sich, ginge dies doch weit über die Absicht dieser Arbeit hinaus. Ein weiteres Beispiel von Aberglauben sind gewisse Rituale, die an erjagten Vögeln vorgenommen wurden, um das Jagdglück nicht zu verderben (vgl. Bonner 1925: 210–214). Diese knappen Hinweise sollten an dieser Stelle genügen. 236 Ein kultisches Opfer hatte zumeist Haus- bzw. Nutztiere zum Gegenstand, seltener erlegte Wildtiere; vgl. Gould (1985): 18; Benecke (2006); für die Nachbarkultur der Thraker vgl. Georgieva (1995): 119, 122. Weiterführende Literatur über den Anteil der Vögel an Opfertieren findet sich bei Mackinnon (2007) und Schedler (2001). 235

165

Gebens nicht nur ein ideeller bleibt, sondern dass damit ein – wie auch immer gearteter – persönlicher Verlust einhergeht, welcher die ernsthaften Absichten hinter dem Opferzeremoniell unterstreicht, so etwa das Erflehen von Hilfe bzw. Beistand, die Besänftigung der Götter etc. Der grundsätzliche Gedanke, dass je größer die Opfergabe, umso größer auch der göttliche Beistand sei,237 wird nicht immer die einzige Motivation für Art und Größe des Opfers gewesen sein. Man wird vielmehr davon ausgehen dürfen, dass in vielen Fällen ein Opfer eher Repräsentationszwecken oder öffentlicher Zurschaustellung der eigenen Kultvorbildlichkeit dienen sollte; dies liegt in der Natur des Menschen und gilt für die Antike wie für jede andere Epoche, für Orient wie Okzident gleichermaßen. So nimmt es denn auch nicht wunder, dass unter den Opfervögeln hauptsächlich solche zu finden sind, welche ohne größere „Einbußen“ für den Opfernden entbehrt werden können, etwa weil sie in großen Mengen auf dem eigenen Hof vorhanden sind (Hühner, Gänse), oder weil sie durch Fang relativ leicht und kostengünstig wiederzubeschaffen sind (Tauben). Hier allerdings ergibt sich eine Diskrepanz zu anderen Opfertieren: Rinder oder gar Pferde zu opfern (vgl. Gigon 2001b: Sp. 2133–2134) legt einen gewissen Reichtum zu Grunde (gleichwohl darf in einigen dieser Fälle bei äußerst Wohlhabenden die gleiche Opfermotivation konstatiert werden, wie sie bereits dargelegt wurde, zumal wenn es Absicht jener Personen war, Einfluss in der Öffentlichkeit zu mehren). Man wird in geopferten Vögeln vor allem die Opfer des einfachen Volkes erkennen dürfen; mit Ausnahme der Ärmsten in der Bevölkerung wird es wohl dann und wann einem Bauern möglich gewesen zu sein, ein Huhn oder eine Taube für die Götter zu entbehren. Waren es bei den Opfergaben also vor allem die Haustiere, so sind die „Akteure“ bei der Divination zum größten Teil wilde Vögel. Die Beobachtung derselben, ihres Fluges, ihrer Ansammlungen, ihrer Rufe und Verhaltensweisen war ein elementarer Bestandteil der Religionsausübung. Die dem Menschen innewohnende Neugier, der Drang, in die Zukunft blicken zu wollen, und die Frage nach Gunst oder Missgunst der Götter haben jener kultischen Praxis der Divination bzw. Mantik zu ihrer zentralen Rolle verholfen; bis in höchste politische Ämter reichte die Anwendung der Vogelschau (vgl. Bremmer 1997; Hopfner 1928: bes. Sp. 1276–1284; Hopf 1888: 9–23). Entsprechend konnte sich eine 237

Diesen Hinweis verdanke ich Frau Prof. Dr. Eftychia Stavrianopoulou (Heidelberg).

166

durchaus angesehene Berufsgruppe herauskristallisieren, welche die Geheimnisse der Divination kannte und deren Ausübung und Interpretation beherrschte;238 einen solchen Vogelschauer nannte man οἰωνιστής, οἰωνοθέτης oder οἰωνοπόλος. Über den exakten Vorgang einer ὀρνιθομαντεία soll hier nicht berichtet werden, vielmehr stehen erneut die Arten der Vögel, welche als „Zeichen“ gedeutet werden konnten, im Mittelpunkt der Betrachtung. Dabei stellen sich die Fragen, ob jedes Individuum einer bestimmten Art zu jeder Zeit für die Divination geeignet war, oder ob vor allem der Faktor der Zufälligkeit die Qualität bestimmte. Des weiteren: was machte gerade die Vogelzeichen so „beliebt“? Und schließlich: welche Naturerfahrung und Naturwahrnehmung spiegelt sich hierin wider? Prinzipiell konnte jeder Vogel – genauer: jede Art von Vogel – als Vorzeichen gedeutet werden, wenn alles Nötige für den kultischen Vorgang präpariert war.239 Dies war eine wesentliche Voraussetzung für die Deutung der Vogelzeichen.240 In Umkehrung heißt dies also, dass nicht jeder Vogel zu jeder Zeit an jedem beliebigen Ort durch seine Anwesenheit oder sein Verhalten die göttlichen Intentionen preisgab; sonst hätte durch die Allgegenwart der Vögel schließlich der gesamte Tag (und auch ein Gutteil der Nacht, man denke an die 238

Die Kunst der Vogelschau ist keine hellenische Erfindung, sondern orientalischen Ursprungs; vgl. Flower (2008): 24–25, 90; Collins (2002a): 238–239 für die hethitische Kultur; Collins (2002b): 319–320 für die anatolische Region; Bremmer (1997): Sp. 709. 239 Dass eine solche Präparation nicht unbedingt von intensiver Natur sein musste, zeigt eine Passage aus Xenophons Anabasis; jene Stelle deutet an, dass offenbar die Anwesenheit eines „seer“ (zur Verwendung dieses Begriffes vgl. Flower 2008: 2 und 22–37) für die Ausführung der Divination genügend sein konnte. Zur genannten Textstelle sei Michael Attyah Flower zitiert: „So let us look at this passage not from the point of view of Xenophon, as we did earlier, but from that of the seer who had escorted Xenophon on his way to meet Cyrus ([Anabasis] 6.1.22): ‘And he [Xenophon] remembered that at the time when he was setting out from Ephesus for the purpose of being introduced to Cyrus, an eagle was screeching on his right; it was sitting, however, and the seer who was escorting him said that although it was a great omen, one that did not pertain to a private individual and indeed signified glory, it nevertheless indicated distress. For other birds especially attack the eagle when it is sitting. However, the omen did not portend making money; for it is rather while the eagle is flying about that it gets its provisions. […]’ This passage provides a particularly noteworthy example of a seer in action. […] Why did he interpret the omen of the sitting and screeching eagle in the way that he did? It was clearly a good sign that the eagle, Zeus’s own bird, was on Xenophon’s right-hand side. But it was sitting, not flying, and that indicated trouble for the reasons that he gave.” (Flower 2008: 198–199); dazu Anm. 20: As Dillon [Dillon, M. (1996): The importance of Oionomanteia in Greek Divination, in: Dillon, M. (ed.): Religion in the Ancient World: New Themes and Approaches, Amsterdam: 99–121; Zitat: 110] points out, “it is interesting to note that the features of the omen are interpreted in the light of knowledge of the bevavioural characteristics of the eagle: clearly bird divination was at least partly a technē, skill, based on observation of animal behaviour.” (Ebd.) 240 Zu grundlegenden Interpretationen des Vogelfluges vgl. Flower (2008): 32–33 und Anm 34.

167

Eulen oder die Nachtigall) ausschließlich zur Deutung solcher Vorzeichen genutzt werden müssen. Von der professionell-kultisch betriebenen Divination sind die Volksweisheiten zu unterscheiden; ähnlich den heute bekannten „Bauernregeln“ hatten sich auch in der Antike gewisse Attribute für die eine oder andere Vogelart herauskristallisiert, die jedoch zumeist in den Bereich der Legenden geschoben werden dürfen. Neben den in Kapitel 3 erwähnten Beispielen sei hier noch auf die angebliche Fähigkeit der σπίνοι241 verwiesen, das Wetter vorhersagen zu können (so bei Ael. nat. anim. IV, 60; vgl. Hopf 1888: 130). Es erscheint hilfreich, die Hinweise auf Vogelzeichendeutung, die wir in den Quellen finden, in Gruppen zusammenzufassen. Es treten vor allem Vögel in Erscheinung (hier in doppeltem Sinne: sie zeigen sich dem οἰωνιστής und werden somit Teil der Divination), welche durch ihre schiere Größe auffallen, so die Adler, Geier und Reiher.242 Auch die Kraniche zeigen beim Flug eine relativ große Silhouette, da sie aber so gut wie nie einzeln auftreten, sondern durch die bekannten Flugformationen auffallen, stelle ich sie in eine zweite Gruppe, die also Größe und scharenweises Auftreten kombiniert. In einer dritten Gruppe spielt ebenfalls die Größe eine Rolle, diesmal in Verbindung mit lautem „Geschrei“; hierzu zählen besonders Krähen und Raben. Wenn man an den Lärmpegel denkt, der sich einem an Küsten bietet, so möchte man auch die Möwen in jene dritte Gruppierung mit einbeziehen. Doch in den Quellen konnte ich kein Beispiel für zu Divinationszwecken beobachtete Möwen finden; möglicherweise lässt dies darauf schließen, dass kultische Vogelflugdeutung vor allem im Landesinneren stattfand (woran ja auch die Land- und Gebirgsbewohner Adler und Geier denken lassen). Als viertes lassen sich einige Arten zusammenfassen, welche oft nicht ganz einfach zu entdecken sind, aber durch ihre Rufe weithin ihre Anwesenheit signalisieren, so der Kuckuck, der Wiedehopf und mehrere Eulenarten243. Zur fünften Gruppe müssen Singvögel gerechnet werden, die nicht so sehr durch massenhaften Gesang (der Einzelvogel wird hierbei zu „unauffallend“, wie beispielsweise in den großen Scharen von Staren), als vielmehr durch prägnante Laut241

Die Bezeichnung σπίνος ist möglicherweise gleichbedeutend mit σπίζα; vgl. Thompson (1936): 266– 267. 242 Vgl. den Hinweis auf einen Reiher in einer hellenistischen Inschrift bei Flower (2008): 214. 243 Die Rufe der Eulen sind wohl vor allem im Volksbrauchtum von Bedeutung (ähnlich wie die bereits erwähnten wetteranzeigenden Finken); jedenfalls gibt es keine Anzeichen dafür, dass ὀρνιθομαντεία mitten in der Nacht stattgefunden hätte (vgl. Hopf 1888: 100–105). Allerdings sind einige wenige Eulenarten auch am Tage aktiv, so dass sie durchaus eine Rolle bei der einen oder anderen Vogelschau gespielt haben können (besonders der Steinkauz; vgl. Mebs / Scherzinger 2000: 70, 317–318).

168

äußerungen auffallen; diese Prägnanz kann in einer besonders schönen Melodie oder auch in einer ungewöhnlichen Zeit oder einem außergewöhnlichen Ort bestehen; man denke etwa an die mitten in der Nacht schlagende Nachtigall. Dass gehäuftes Auftreten jedoch auch als Positivkriterium dienen kann, zeigt die sechste und letzte Gruppe: es sind dies die Arten, die in größerer Anhäufung in Siedlungen zu finden sind, so die Sperlinge und die Schwalben. Diese große Bandbreite an in Frage kommenden Vögeln erklärt sich daraus, dass es nach wie vor auf den Zufall ankam: Bei der Kulthandlung musste man auf das Zeichen warten, es war nicht von vorneherein klar, welche Vogelart erscheinen würde. Durch die Einbeziehung vieler möglicher Arten konnte aber gewährleistet werden, dass zumindest ein Zeichen „zustande kam“. Daher bediente man sich auch gerne der Vögel als einer weit verbreiteten, nahezu überall anzutreffenden Tierklasse (vgl. Bergmann 2004: 232; Hunger 1909: 10–11). Vögel (nicht alle, aber doch immer wieder welche) sind einfach zu sehen und zu hören, sie bieten darüber hinaus einen abwechslungsreichen Rhythmus mit dem Auftreten gewisser Arten zu bestimmten Tages- oder Jahreszeiten. Dies alles macht sie als Divinationsobjekte natürlich begehrlicher als wildlebende Säugetiere, welche deutlich schwieriger zu beobachten sind244 und im allgemeinen größere Scheu vor menschlichen Siedlungen und dem Menschen im weiteren Sinne245 zeigen. Dass aber die Greifvögel „vor allem [wegen] ihrer scharf ausgeprägten Eigenart, ihrer Größe und Stärke“ (Gattiker / Gattiker 1989: 15) für die Vogelzeichendeutung beliebt waren, bedarf einer Korrektur: die erwähnten Eigenschaften waren unbestreitbar hochgeschätzt und jene Vögel deswegen im Allgemeinen sehr bewundert, geachtet, vielleicht sogar gefürchtet, doch gerade der Faktor des Zufalls verbietet es, bestimmte Arten aufgrund ihrer Charakteristika als besonders „beliebte“ (bei der Divination) hervorzuheben. Die Größe war – wie gezeigt – vielmehr ein Bonus beim Erkennen des Vogels, also beim 244

Die Aussage von Claus-Peter Lieckfeld, die „griechischen Auguren“ standen als „Experten in Vogelflugschneisen, eine Schiefertafel in der Hand, Kreide in der anderen und machten sich Notizen – über Flugrichtung, Arten, Schwarmstärken und einiges mehr“ (Lieckfeld / Straaß 2002: 39), entspringt einer idealisierten Vorstellung von vermeintlich in der Antike ausgeübter Feldornithologie und bedarf einer Korrektur: „Vogelflugschneise“ ist ein moderner und für die antike Wahrnehmung nicht akzeptabler Begriff. Die Divination war außerdem nicht unbedingt an feste Orte gebunden – genau das machte ja auch die Nützlichkeit der Vögel in diesem Zusammenhange aus: sie sind nahezu überall anzutreffen. 245 Es ist etwa an den empfindlichen Geruchssinn vieler Säugetiere zu denken, welche den Menschen also im doppeldeutigen Sinne „nicht riechen können“.

169

Erfassen des Zeichens; die Stärke konnte nur sekundär von Belang sein, etwa wenn ein Adler aufgrund seiner „Stärke“ ein anderes Tier überwältigen konnte und diese Gesamtkonstellation dann als besonderes Zeichen ausgelegt wurde. Schließlich kann mit ziemlicher Sicherheit gesagt werden, dass sich während den Vorgängen einer Divination wesentlich häufiger Schwalben, Sperlinge, Kuckucke und andere Vögel zeigten oder bemerkbar machten als Adler oder Geier. 4.3.4 Die wissenschaftliche Beschäftigung mit den Vögeln Nach all den Untersuchungen über die interdependenten Zusammenhänge zwischen Mensch und Vogel in der griechischen Antike stellt sich zuletzt noch die Frage, ob man in der Tat auch von einer echten wissenschaftlichen Tätigkeit hinsichtlich der Avifauna sprechen kann, ob also Ansätze der Ornithologie als solche in jener Zeit erkennbar sind. Zunächst ist hier nochmals auf das bei der Besprechung des Aristoteles (Kapitel 2.1.2) und des Alexander von Myndos (Kapitel 2.1.3) Gesagte zu verweisen: wissenschaftliche Ansätze sind fassbar, doch beginnt die Ornithologie nicht mit Aristoteles. Wenn man den Stagiriten als Ansatzpunkt nimmt, so lässt sich feststellen, dass bereits zu seiner Zeit eine Menge Wissen über die Vögel seiner Heimat wie auch über einige besonders auffällige exotische Arten vorhanden war. Am Beispiel des Brutparasitismus (etwa des Kuckucks) bringt Herbert Friedmann die Erlangung und lange Tradierung entsprechenden Wissens auf den Punkt: „To establish the fact that a particular kind of bird is a brood parasite is a little more involved than might appear off hand. It requires a series of observations which have to be connected by a certain amount of reflection and coordination by the observer. […] A fair amount of observation is required to establish as a fact that the adults of what is later proved to be a parasitic species never make a nest or take care of eggs or young. A still greater mass of data is necessary to prove that the odd eggs or fledglings found in the care of their various fosterers are of the same species as the non-nesting or non-nest-building adults“ (Friedmann 1964: 282). Und weiter: „Aristotle […] is usually considered the earliest source of record [of brood parasitism of cuckoos], but his account was very obviously based on long accumulations of popular knowledge, probably centuries old at this time“ (ebd.: 284–285). Neben dem vorhandenen Wissen konnte Aristoteles aus einer weiteren reichhaltigen Quelle schöpfen: den Zeugnissen und Berichten, welche in Folge des

170

Alexanderzuges ins griechisch-makedonische Mutterland gelangten (vgl. Sarton 1952: 531). Was fehlt, sind systematische Untersuchungen, die sich ausschließlich auf Vögel beziehen (vielleicht wäre in den verlorengegangenen Quellen ein solcher Ansatz zu finden gewesen); die Vögel werden zumeist im Zusammenhang mit anderen Lebewesen betrachtet. Solche vergleichenden Studien sind mit das Herzstück von Aristoteles’ Historia animalium. Mithin sollte man also eher vom Beginn der zoologischen Wissenschaft sprechen als jenem der ornithologischen. Die Wissenschaftlichkeit jener Zeit äußerte sich nicht nur in genauer Beobachtung, sondern auch in Experimenten. So beschreibt Galen beispielsweise das Verhalten von in Menschenobhut (also fernab ihrer natürlichen Umgebung) ausgebrüteten Adlern, Enten und Schlangen in den ersten Tagen nach deren Schlupf (Gal. usu part. 1, 7; vgl. Dierauer 1977: 213).

171

5

Resümee und Ausblick Die heute in der Biologie übliche binäre Nomenklatur versieht jede Vogelart (wie auch

jede andere Tier- und Pflanzenart) mit einem Gattungs- und einem Artnamen (vgl. Bezzel / Prinzinger 1990: 432–433). Viele dieser Namen sind griechischen oder lateinischen Ursprungs, eine größere Menge sind gräzisierte oder latinisierte Wortneuschöpfungen. Es scheint modernen Systematikern und Taxonomen offenbar ein Bedürfnis zu sein, der lingua franca der Wissenschaft in Mittelalter und Neuzeit (bis ins zwanzigste Jahrhundert hinein) durch diese scheinbare Rückbesinnung auf die Antike eine dauerhafte – wenn auch rudimentäre – Existenz zu sichern. Die „Wertschätzung“ der Antike, welche hierin zumindest indirekt zum Ausdruck kommt, deutet über die bloße Wort-Tradierung hinaus auch einen elementaren Wissenstransfer von der Antike über das Mittelalter bis in die Neuzeit an. In der Tat weist die zoologisch-ornithologisch orientierte „Wissenschaft“246 seit der Spätantike bis ins Hochmittelalter hinein keine Weiterentwicklung auf, jedenfalls lässt sich eine solche in den überlieferten Quellen nicht nachweisen. Doch der Reihe nach. Es waren zunächst die Römer (und zwar nicht erst seit der Einverleibung der griechischen ostmediterranen Welt in ihr expandierendes Reich), welche griechisches Wissen absorbierten, ins Lateinische (sowohl die Sprache als auch die Kultur betreffend) übertrugen und somit die Grundlage für eine Tradierung desselben ins lateinischeuropäische Mittelalter schufen.247 Für den Bereich der Vogelwelt (bzw. der Ornithologie) ist Plinius der eminente Gewährsmann.248 Bei ihm wie bei anderen lateinischen Autoren zeigt sich eine meist unveränderte Übernahme der Erkenntnisse aus den griechischen Quellen; Veränderungen und Korrekturen wurden von den „Lateinern“ nur dann vorgenommen, wenn sich die Verhältnisse in der eigenen Region von denen der ost246

Über die Problematik des Begriffes „Wissenschaft“ im Zusammenhang mit den vogelkundlichen Erkenntnissen vgl. besonders das oben in Kapitel 4.3.4 Gesagte. 247 Vgl. Momigliano (1979): 83. Die herausragende Rolle der arabischen Herrscher und Gelehrten bei der „Rettung“ besonders der aristotelischen Werke ist bekannt und kann nicht überschätzt werden (vgl. Peck 1961: 39–43; Peck 1965: xl–xlii). Doch kommt es hier nicht auf eine detaillierte Überlieferungsgeschichte an, sondern auf den wesentlichen Zug der Erhaltung und Tradierung des griechischen Wissens aus der Antike über das Mittelalter hinaus. 248 Vgl. Kapitel 2.1.4.

172

mediterranen Gebiete augenfällig unterschieden, oder wenn neue Erkenntnisse das bisherige Wissen ergänzten. Solche Veränderungen sind selten zu erkennen; es erstaunt vielmehr, dass Plinius beispielsweise im Falle des Rebhuhns, welches bei Ath. IX, 390b als auf der Apenninenhalbinsel vorkommende πέρδιξ-Form den Balkan- und Kleinasienformen Steinhuhn bzw. Chukarhuhn an die Seite gestellt wird, ebenfalls die entsprechenden Aristoteles-Stellen zu den πέρδικες übernimmt, ohne auf den Unterschied zwischen „griechischen“ und „lateinisch-italischen“ Vögeln einzugehen (Plin nat. 10, 100– 101).249 Dennoch bleibt festzuhalten, dass das griechische Wissen im römischen Kulturkreis Fortbestand hatte, und durch und über diesen konnte es (wenigstens in großen Teilen) nachhaltig in andere Kulturkreise ausstrahlen, vornehmlich in den arabischen und in den abendländisch-lateinischen des Mittelalters, wenn auch erst über einige Umwege und nicht ohne Verluste. Einen regelrechten Fortschritt erzielte die Vogelkunde250 erst unter dem Staufer Friedrich II. (1194–1250), welcher ein gewisses System in die Beobachtung und Erklärung der Vögel und ihrer Verhaltensweisen brachte.251 Zwischen ihm und Aristoteles liegen jedoch eineinhalb Jahrtausende, und dennoch griff Friedrich II. auf den antiken Philosophen zurück, sehr wahrscheinlich auch aus Mangel an anderen ergiebigen Quellen. Dieser gewaltige Zeitensprung unterstreicht die Bedeutung der antiken griechischen Texte, besonders hinsichtlich der Entwicklung einer ornithologischen Wissenschaft; so mancher Forscher ist geneigt, in Friedrichs II. Aktivität gar eine „Renaissance of Ornithology“ zu erkennen (Walters 2003: 20; vgl. ebd.: 20–23; Stresemann 1951: 8–11; Kantorowicz 1992: 314, 329–335). Der Wiedergeburt war allerdings eine relativ kurze Blüte beschieden, es

249

Vgl. auch die Gegenüberstellung des Pliniustextes mit entsprechenden Stellen in den Werken des Aristoteles bei König / Winkler (1986): 201–204. Des weiteren vgl. Toynbee (1973): 237–282; Giebel (2003), bes.: 30–31, 64-65, 129–141. 250 Auch dieser Begriff ist natürlich in seiner auf die Antike und das (Früh-)Mittelalter passenden Ausprägung zu verstehen. 251 Das berühmte „Falkenbuch“ De arte venandi cum avibus Friedrichs II. bietet eine Fülle an Informationen; bisweilen außerordentlich exakte Vogelzeichnungen ergänzen den Text; diese zumeist farbig gestalteten Miniaturgemälde erleichtern die Identifizierung so mancher Art (vgl. Willemsen 1991; Fansa / Ritzau o. J.). Man hätte sich Ähnliches für die antiken Texte gewünscht. Ebenso wie Aristoteles hatte auch der Stauferkaiser seine Gelehrten, welche ihm hilfreich zur Seite standen und die Aristoteles-Werke aus dem Arabischen ins Lateinische übertrugen, allen voran ist Michael Scotus zu nennen (vgl. Kantorowicz 1992: 314–315).

173

mussten erneut Jahrhunderte vergehen, ehe sich die Ornithologie als eine Wissenschaft in modernerem Sinne etablierte.252 Dass trotzdem selbst im Zeitalter der Industrialisierung und einer zunehmenden Zahl an wissenschaftlichen Gesellschaften, in einer Epoche der beginnenden Exploration aller noch bestehenden weißen Flecke auf der Weltkarte, ein Wissenschaftler sich als fortschritts(oder gar wissenschafts-?)resistent erweist und für hanebüchenen Unsinn hergibt, beweist folgendes Zitat aus dem Werk Otto Kellers (1887: 249–250), wo über den Raub des Ganymedes erzählt wird: „Der Adler scheint in diesem Falle entweder der Steinadler zu sein oder der Lämmergeier […], der grösste und stärkste unserer Adler [!]. Dass in den Appenzeller Alpen schon kleine Kinder von Lämmergeiern oder Steinadlern geraubt worden sind, ist eine sicher bezeugte Thatsache; und was am Säntis möglich ist, wird auch am Ida und am schneebedeckten mysischen Olymp sich wiederholen können.“ Kein Kommentar. Wenden wir uns wieder der Realität zu. Mit vorliegender Arbeit konnte dargelegt werden, wie die Menschen im antiken griechischen Kulturraum die Vögel wahrnahmen; welche Vögel sie kannten und welche wir in ihren Texten aus heutiger Sicht vermissen; welche Vögel ihnen besonders auffielen, und warum; wie sie versuchten, sich bestimmte Vögel zunutze zu machen; inwiefern sich ihre Kenntnis der sie umgebenden Vogelwelt über die Jahrhunderte veränderte; aber auch, wo die Erklärungsversuche für Vogelverhalten scheiterten (und auch scheitern mussten) und eine Erklärungsflucht in die Welt des Mythos und der Legenden erfolgte. Ebenso wurden die Ansätze zur Entstehung der späteren Wissenschaft Ornithologie aufgezeigt. Dass damit noch längst nicht alle Fragen geklärt sind, ist offensichtlich; einige Fragen konnten nur annäherungsweise beantwortet werden, andere müssen (zunächst) unbeantwortet bleiben. Doch konnte eine Ausgangsbasis für künftige Forschungen geschaffen werden. Um den ganzen Wert zu erfassen, welchen die antiken Quellen hinsichtlich der Avifauna und der Ornithologie für uns darstellen, sollte neben der Identifizierung der noch unbekannten altgriechischen Vogelnamen vor allem eine ähnliche Untersuchung der lateinischen Quellen ins Auge gefasst werden. Darüber hinaus könnte 252

Weitere Betrachtungen zur Rezeption antiken Wissens in Mittelalter und Neuzeit finden sich bei Wember (2007): 18–25; Walters (2003); Stresemann (1951).

174

ein Blick auf die Nachbarvölker der Griechen das Thema vertiefen und in manchen Bereichen sicherlich festigen (dabei darf nicht nur an die orientalischen und ägyptischen Nachbarn mit ihrer vergleichsweise reichhaltigen Überlieferung gedacht werden, sondern besonders auch an die Völker im Norden und Westen der griechischen Welt, Kelten, Iberer usw.). Von der Antike ausgehend, bieten sich zwei weitere interessante Forschungsfelder: zum einen die genaue Analyse der Tradierung griechischen (und lateinischen) Wissens bis in die Neuzeit, zum anderen in der chronologisch entgegengesetzten Richtung der Versuch einer Untersuchung der früh- und vorgeschichtlichen Wurzeln (etwa die Frage nach den Ursprüngen des Wissens vom Vogelzug). Da für diesen Fall keine schriftlichen Zeugnisse vorliegen, ist es umso wichtiger, ein derartiges Unternehmen von einer gesicherten Ausgangsbasis aus zu beginnen. Eine solche sollte mit vorliegender Arbeit trotz einiger nicht zu klärenden Punkte doch zumindest ein gutes Stück weit geschaffen sein.

175

Bibliographie a) Albus, A. (2005): Von seltenen Vögeln, Frankfurt am Main. Alco*ck, S. E. (2000): Die Menschen in ihrer natürlichen Umwelt, in: Cartledge, P. (Hg.): Kulturgeschichte Griechenlands in der Antike, Stuttgart: 13–34. Alivizatos, H. / Goutner, V. / Karandinos, M. G. (1998): Reproduction and Behaviour of the Long-legged Buzzard (Buteo rufinus) in North-eastern Greece, in: Vogelwarte 39: 176–182. Anderson, J. K. (1972): Θρᾷξ, Δυτῖνος, Καταρράκτης, in: JHS 92: 171–172. Anderson, J. K. (1976): Stymphalian and Other Birds, in: JHS 96: 146. *André, J. (1967): Les noms des oiseaux en latin (= Études & Commentaires LXVI). Arndt, W. (1925): Die Vögel in der Heilkunde der alten Kulturvölker, in: J. Ornithol. 73: 46–76, 214–246, 475–493. Arnott, G. (2003): Peripatetic Eagles: A New Look at Aristotle, Historia Animalium 8(9).32, 618b18–619a14, in: Basson, A. F. / Dominik, W. J. (eds.): Literature, Art, History: Studies on Classical Antiquity and Tradition in Honour of W. J. Henderson, Frankfurt a. M.: 225–234. Arnott, W. G. (2005): Ornithological Notes on the Aristotelian History of Animals, in: Kolde, A. / Lukinovich, A. / Rey, A.-L. (eds.): κορυφαίῳ ἀνδρί. Mélanges offerts à André Hurst (= Recherches et Recontres. Publications de la Faculté des lettres de Genève 22), Genève: 565–572. Arnott, W. G. (1977a): Some Peripatetic Birds: Treecreepers, Partridges, Woodpeckers, in: CQ, N. S. 27: 335–337. Arnott, W. G. (1977b): Swan Songs, in: G&R, 2nd Ser. 24, No. 2: 149–153.

a)

(1) Für eine über das hier bearbeitete Thema hinausgehende Betrachtung (besonders hinsichtlich der Einbeziehung der römisch-lateinischen Verhältnisse) kann die Literaturliste von Thorsten Fögen (HumboldtUniversität, Berlin) als Grundlage dienen: Animals in Graeco-Roman Antiquity and Beyond [sic!]: A Select Bibliography, http://www.telemachos.hu-berlin.de/esterni/Tierbibliographie_Foegen.pdf (2) Im Zuge der Literaturrecherche stieß ich auch auf Werke, deren Titel eine gewisse Relevanz für vorliegende Arbeit suggerieren, oder die in anderen, bereits bearbeiteten Werken Erwähnung fanden und somit ein weiteres Mosaiksteinchen für diese Dissertationsschrift hätten sein können. Trotz intensiver Recherche gelang es nicht immer, die gewünschte Literatur zu beschaffen, in weiteren Fällen war der jeweilige Titel nicht im Original aufzutreiben, so dass auf Zitate bei anderen Autoren zurückgegriffen werden musste. Die Werke, die mir nicht bzw. nicht im Original vorlagen, sind mit einem *Asterisk gekennzeichnet.

176

Arnott, W. G. (1979): The Eagle Portent in the Agamemnon: An Ornithological Footnote, in: CQ, N. S. 29: 7–8. Avery, W. T. (1953): Corvus Albus, in: CJ XLVIII: 111–112. Bähr, Ch. (Übers.) (1898): Herodot. 9 Bücher zur Geschichte (ND 2004, Wiesbaden; nach der Ausgabe Berlin-Schöneberg). Balme, D. M. (Hg. und Übers.) / Gotthelf, A. (1991): Aristotle. History of Animals. Books VII–X, Cambridge, Mass. – London. Barb, A. A. (1950): Birds and Medical Magic, in: JWI XIII: 316–322. *Barnicoat, F. C. (1979): A Few Examples of the Study and Keeping of Birds in the Roman World, in: Akroterion XXIV, 2: 18–23. Barthel, P. H. (2004): Die Unterscheidung der Pelikane Pelecanus, in: Limicola 18: 121– 152. Bauer, H.-G. / Bezzel, E. / Fiedler, W. (Hg.) (2005): Das Kompendium der Vögel Mitteleuropas. Alles über Biologie, Gefährdung und Schutz, Bd. 1: Nonpasseriformes – Nichtsperlingsvögel; Bd. 2: Passeriformes – Sperlingsvögel; Bd. 3: Literatur und Anhang, 2. Aufl. Wiebelsheim. Bauer, W. / Helversen, O. v. / Hodge, M. / Martens, J. (1969): Catalogus Faunae Graeciae. Pars II: Aves, Thessaloniki. Beaman, M. / Madge, S. (2007): Handbuch der Vogelbestimmung. Europa und Westpaläarktis, 2. Aufl. Stuttgart. Benecke, N. (2006): Animal Sacrifice at the Late Archaic Artemision of Olympia: the Archaeozoological Evidence, in: Tecchiati, U. / Sala, B. (eds.): Archaeozoological Studies in Honour of Alfredo Riedel, Bolzano: 153–160. Benton, S. (1961): Cattle Egrets and Bustards in Greek Art, in: JHS 81: 44–55 & Plates I– V. Benton, S. (1972): Note on Sea-birds, in: JHS 92: 172–173. Bergmann, H.-H. (2004): Vogelschau in der Antike. Naturbegegnung zwischen Religion und Politik, in: Der Falke-Taschenkalender für Vogelbeobachter 2005, Wiebelsheim: 227–235. *Bernhard, O. (1930): Ueber Tiere Afrikas auf griechischen und römischen Münzen, in: Schweiz. Num. Rundschau: 5–36. *Bettini, M. (2008): Voci, Antropologia sonora del mondo antico, Saggi, 892, Torino.

177

Bevan, E. (1989): Water-birds and the Olympian Gods, in: ABSA 84: 163–169. Bezzel, E. / Prinzinger, R. (1990): Ornithologie, 2. Aufl. Stuttgart. Birkhead, T. R. / van Balen, S. (2008): Bird-keeping and the Development of Ornithological Science, in: Archives of Natural History 35: 281–305. Blomdahl, A. / Breife, B. / Holmström, N. (2003): Flight Identification of European Seabirds, London. Bodson, L. (1978): ἹΕΡΑ ΖΩΙΑ. Contribution à l’étude de la place de l’animal dans la religion grecque ancienne, Bruxelles. Bodson, L. (2005): Naming the Exotic Animals in Ancient Greek and Latin, in: Minelli, A. / Ortalli, G. / Sanga, G. (eds.): Animal Names, Venezia: 453–480. Böhr, E. (1992): Vogelfang mit Leim und Kauz, in: AA 1992: 573–583. Böhr, E. (1997): A Rare Bird on Greek Vases: The Wryneck, in: Oakley, J. H. / Coulson, W. D. E. / Palagie, O. (eds.): Athenian Potters and Painters: 109–123. Böhr, E. (1999): Catching and Caging Birds in Greek Vase Painting, in: Proceedings of the XVth International Congress of Classical Archaeology, Amsterdam, July 12–17, 1998. Classical Archaeology towards the Third Millennium: Reflectives and Perspectives, Amsterdam (Allard Pierson Series): 78–79. Böhr, E. (2000): Der Wendehals. Ein seltener Vogel auf griechischen Vasen, in: Antike Welt 31: 343–353. Böhr, E. / Böhr, H.-J. (1995): Auf den Leim gegangen … Seit über 2500 Jahren: Steinkauz als Lockvogel beim Vogelfang, in: Ornithologen-Kalender ’96. Jahrbuch für Vogelkunde und Vogelschutz, Wiesbaden. Böning, K. (1977): Vögel als Schädlingsvertilger im Altertum, in: Anz. Schädlingskde., Pflanzenschutz, Umweltschutz 50: 97–100. *Bona, I. (2000): Conoscenze ornitologiche nel mondo classico, in: AALig 6a ser. 3: 177– 188. Bonner, C. (1925): Ornithiaka, in: CPh XX: 210–215. Boraston, J. M. (1911): The Birds of Homer, in: JHS 31: 216–250. Borthwick, E. K. (1977): Zoologica Pindarica, in: CQ, N.S. 27: 198–205. Branigan, K. / Vickers, M. (1982): Hellas. Kultur und Zivilisation, München – Zürich. Bremmer, J. N. (1997): „[Divination] VI. Griechisch“, in: DNP 3: Sp. 709–714. Brendel, U. (1998): Vögel der Alpen, Stuttgart.

178

Brentjes, B. (1967): Zur Rolle der Eule im Alten Orient, in: Beiträge zur Vogelkunde 13: 72–80. Briese, Ch. (2001): „Straußenei“, in: DNP 11: Sp. 1050. *Broomell, M. H. (1931): Cries of Animals and Birds in Latin, in: Colorado Stud. XIX: 12. Brüll, H. (1984): Das Leben europäischer Greifvögel. Ihre Bedeutung in den Landschaften, 4. Aufl. Stuttgart – New York. Buchholz, H.-G. / Jöhrens, G. / Maull, I. (1990): Jagd und Fischfang, in: Archaeologia Homerica II: J 1 – J 199 und Tafeln J I – J VI. Burkert, W. (1972): hom*o necans. Interpretationen altgriechischer Opferriten und Mythen, Berlin – New York. Buxton, J. (1974): A Further Note on Sea-Birds, in: JHS 94: 170–171. Buxton, R. (2005): Das große Buch der griechischen Mythologie, Stuttgart. Chaniotis, A. (2004): Das antike Kreta, München. *Cobianchi, M. (1936): Ricerche di ornitologia nei Papiri dell’Egitto greco-romano, in: Aeg. XVI. co*cker, M. / Mabey, R. (2005): Birds Britannica, London. Coldstream, J. N. / Callaghan, P. / Musgrave, J. H. (1981): Knossos: An Early Greek Tomb on Lower Gypsades Hill, in: ABSA 76: 141–165 und Plates 16–31. Collins, B. J. (2002a): Animals in Hittite Literature, in: Collins (2002c): 237–250. Collins, B. J. (2002b): Animals in the Religions of Ancient Anatolia, in: Collins (2002c): 309–334. Collins, B. J. (ed.) (2002c): A History of the Animal World in the Ancient Near East (= Altenmüller, H. / Hrouda, B. / Levine, B. A. / O’Fahey, R. S. / Veenhof, K. R. / Versteegh, C. H. M. (eds.): Handbook of Oriental Studies / Handbuch der Orientalistik. Section One: The Near and Middle East, ed. Vol. 64), Leiden – Boston – Köln. Daremberg, Ch. / Ruelle, Ch.-É. (1879): Oeuvres de Rufus d’Éphèse, Paris (repr. Amsterdam 1963). Davidson, J. (1998): Courtesans and Fishcakes. The Consuming Passions of Classical Athens, London. Davies, J. K. (2006): Das klassische Griechenland und die Demokratie, in: Murray, O. / Davies, J. K. / Walbank, F. W.: Das antike Griechenland, Düsseldorf.

179

Davis, S. J. M. (2006): Faunal remains from Alcáçova de Santarém, Portugal, Trabalhos de Arqueologia 43. Dierauer, U. (1977): Tier und Mensch im Denken der Antike (= Studien zur antiken Philosophie, Bd. 6), Amsterdam. Dierauer, U. (1999): Das Verhältnis von Mensch und Tier im griechisch-römischen Denken, in: Münch, P.: Tiere und Menschen – Geschichte und Aktualität eines prekären Verhältnisses, 2. Aufl. Paderborn – München – Wien – Zürich: 37–85. Douglas, N. (1928): Birds and Beasts of the Greek Anthology, London. Doumas, Ch. (1992): The Wall-paintings of Thera, Athens. Drexhage, H.-J. (2001): Einige Bemerkungen zu Geflügelzucht und -handel im römischen und spätantiken Ägypten nach den griechischen Papyri und Ostraka. I: Hühner, in: Münstersche Beiträge z. antiken Handelsgeschichte XX: 81–95. von den Driesch, A. / Boessneck, J. (1990): Die Tierreste von der mykenischen Burg Tiryns bei Nauplion / Peloponnes, in: Tiryns: Forschungen und Berichte, Bd. XI, hg. v. Dt. Archäolog. Inst. Athen, Mainz: 87–164. Durando, F. (2000): Griechenland. Archäologischer Reiseführer, hg. v. Manferto de Fabianis, V. / Bourbon, F., übers. v. Hofmann, K.-J., Köln. Elorza, M. (2005): First Palearctic Fossil Record of Polysticta stelleri (Pallas) 1769, in: Munibe (Antropologia-Arkeologia) 57: 297–301. Engelmann, F. (1928): Die Raubvögel Europas. Naturgeschichte, Kulturgeschichte und Falknerei, Melsungen (ND 1997, Wiesbaden). Erbse, H. (1980): Homerische Götter in Vogelgestalt, in: Hermes 108: 259–274. Erbse, H. (1997): Sapphos Sperlinge, in: Hermes 125: 232–234. Fabiš, M. (1997): A Case of an Infectious Disease among Domestic Fowl of Troia IX, in: ST 7: 539–548. Fansa, M. / Ritzau, C. (o. J.): Von der Kunst mit Vögeln zu jagen. Das Falkenbuch Friedrichs II. – Kulturgeschichte und Ornithologie. Begleitband zur Sonderausstellung „Kaiser Friedrich II. (1194–1250). Welt und Kultur des Mittelmeerraums“ im Landesmuseum für Natur und Mensch Oldenburg, Mainz am Rhein. Feinberg, L. (1970): The Tetrax in Athenaeus, in: GRBS XI: 129–136. Feix, J. (Hg.) (1995): Herodot. Historien, griech.-dt., 2 Bde., 5. Aufl. München – Zürich. Ferguson-Lees, J. / Christie, D. A. (2001): Raptors of the World, Boston – New York.

180

Field, H. (1952): The Ostrich in South-Western Asia, in: Man 52: 48. Field, H. (1958): The Ostrich in South-Western Asia: A Further Note, in: Man 58: 67. Flaig, E. (1993): Politisierte Lebensführung und ästhetische Kultur. Eine semiotische Untersuchung am römischen Adel, in: Historische Anthropologie 1: 193–217. Flower, M. A. (2008): The Seer in Ancient Greece, Berkeley – Los Angeles – London. Fontenrose, J. (1988): Didyma. Apollo’s Oracle, Cult, and Companions, Berkeley – Los Angeles – London. Forbiger, A. (Übers.) (1892): Strabo: Geographica (ND 2005, Wiesbaden, nach der Ausgabe Berlin – Stuttgart 1855–1892). Forsman, D. (1999): The Raptors of Europe and the Middle East. A Handbook of Field Identification, London. Forster, E. S. (1961) (Übers.): Movement of Animals. Progression of Animals, in: Peck / Forster (1961): 435–541. Foundation for the Conservation of the Bearded Vulture (Hg.) (1997): Der Bartgeier in den Alpen, o. O. Fox, M. (Rez.) (2008): „Maurizio Bettini, Voci: Antropologia sonora del mondo antico. Saggi, 892. Torino: Einaudi, 2008“, in: Bryn Mawr Classical Review 2008.12.09, http://ccat.sas.upenn.edu/bmcr/2008/2008-12-09.html Fraser, P. M. / Matthews, E. (eds.) (1987): A Lexicon of Greek Personal Names, Vol. I: The Aegean Islands, Cyprus, Cyrenaica, Oxford. Fraser, P. M. / Matthews, E. (eds.) (1994): A Lexicon of Greek Personal Names, Vol. II: Attica, ed. by M. J. Osborne and S. G. Byrne, Oxford. Fraser, P. M. / Matthews, E. (eds.) (1997): A Lexicon of Greek Personal Names, Vol. IIIA: The Peloponnese, Western Greece, Sicily and Magna Graecia, Oxford. Fraser, P. M. / Matthews, E. (eds.) (2000): A Lexicon of Greek Personal Names, Vol. IIIB: Central Greece from the Megarid to Thessaly, Oxford. Fraser, P. M. / Matthews, E. (eds.) (2005): A Lexicon of Greek Personal Names, Vol. IV: Macedonia, Thrace, Northern Regions of the Black Sea, Oxford. Freyer-Schauenburg, B. (1986): Ein archaischer Raubvogel von Samos, in: Kyrieleis, H. (Hg.): Archaische und klassische griechische Plastik. Akten des internationalen Kolloquiums vom 22.–25. April 1985 in Athen, Bd. I: Archaische griechische Plastik, Mainz: 67–71.

181

Friedmann, H. (1964): The History of our Knowledge of Avian Brood Parasitism, in: Centaurus 10: 282–304. Garzya, A. (1963): Dionysii ixeuticon seu de aucupio libri tres, Leipzig. Gattiker, E. / Gattiker, L. (1989): Die Vögel im Volksglauben. Eine volkskundliche Sammlung aus verschiedenen europäischen Ländern von der Antike bis heute, Wiesbaden. Gehrke, H.-J. (1986): Jenseits von Athen und Sparta. Das Dritte Griechenland und seine Staatenwelt, München. Gehrke, H.-J. / Schneider, H. (Hgg.) (2006): Geschichte der Antike. Ein Studienbuch, 2. Aufl. Stuttgart – Weimar. Georgieva, R. (1995): Opfergabe von Tieren im thrakischen Bestattungsbrauchtum (Ende des 2. bis 1. Jahrtausend v. Chr.), in: PZ 70: 115–135. Giebel, M. (2003): Tiere in der Antike. Von Fabelwesen, Opfertieren und treuen Begleitern, Darmstadt. *Gigante Lanzara, V. (2003): Uccelli, uccellini e variazioni sul tema, in: La Parola del Passato 58: 401–409. Gigon, O. (2001a): „Aristoteles“, in: LAW: Sp. 315–322. Gigon, O. (2001b): „Opfer“, in: LAW: Sp. 2133–2136. Gigon, O. (2001c): „Theophrast“, in: LAW: Sp. 3057–3058. Glutz von Blotzheim, U. N. (Hg.) (1977): Handbuch der Vögel Mitteleuropas, Bd. 7: Charadriiformes (2. Teil), Wiesbaden. Glutz von Blotzheim, U. N. (Hg.) (1985a): Handbuch der Vögel Mitteleuropas, Bd. 10/I: Passeriformes (1. Teil): Alaudidae – Hirundidae, Wiesbaden. Glutz von Blotzheim, U. N. (Hg.) (1985b): Handbuch der Vögel Mitteleuropas, Bd. 10/II: Passeriformes (1. Teil): Motacillidae – Prunellidae, Wiesbaden. Glutz von Blotzheim, U. N. (Hg.) (1988a): Handbuch der Vögel Mitteleuropas, Bd. 11/I: Passeriformes (2. Teil): Turdidae, Wiesbaden. Glutz von Blotzheim, U. N. (Hg.) (1988b): Handbuch der Vögel Mitteleuropas, Bd. 11/II: Passeriformes (2. Teil): Turdidae, Wiesbaden. Glutz von Blotzheim, U. N. (Hg.) (1989): Handbuch der Vögel Mitteleuropas, Bd. 4: Falconiformes, 2. Aufl. Wiesbaden.

182

Glutz von Blotzheim, U. N. (Hg.) (1990): Handbuch der Vögel Mitteleuropas, Bd. 2: Anseriformes (1. Teil), 2. Aufl. Wiesbaden. Glutz von Blotzheim, U. N. (Hg.) (1991): Handbuch der Vögel Mitteleuropas, Bd. 12/I: Passeriformes (3. Teil): Sylviidae, Wiesbaden. Glutz von Blotzheim, U. N. (Hg.) (1992): Handbuch der Vögel Mitteleuropas, Bd. 3: Anseriformes (2. Teil), 2. Aufl. Wiesbaden. Glutz von Blotzheim, U. N. (Hg.) (1993a): Handbuch der Vögel Mitteleuropas, Bd. 13/I: Passeriformes (4. Teil): Muscicapidae – Paridae, Wiesbaden. Glutz von Blotzheim, U. N. (Hg.) (1993b): Handbuch der Vögel Mitteleuropas, Bd. 13/II: Passeriformes (4. Teil): Sittidae – Lanidae, Wiesbaden. Glutz von Blotzheim, U. N. (Hg.) (1993c): Handbuch der Vögel Mitteleuropas, Bd. 13/III: Passeriformes (4. Teil): Corvidae – Sturnidae, Wiesbaden. Glutz von Blotzheim, U. N. (Hg.) (1994a): Handbuch der Vögel Mitteleuropas, Bd. 5: Galliformes und Gruiformes, 2. Aufl. Wiesbaden. Glutz von Blotzheim, U. N. (Hg.) (1994b): Handbuch der Vögel Mitteleuropas, Bd. 9: Columbiformes – Piciformes, 2. Aufl. Wiesbaden. Glutz von Blotzheim, U. N. (Hg.) (1997): Handbuch der Vögel Mitteleuropas, Bd. 14/II: Passeriformes (5. Teil): Fringillidae, Wiesbaden. Glutz von Blotzheim, U. N. (Hg.) (1999a): Handbuch der Vögel Mitteleuropas, Bd. 6: Charadriiformes (1. Teil), 3. Aufl. Wiesbaden. Glutz von Blotzheim, U. N. (Hg.) (1999b): Handbuch der Vögel Mitteleuropas, Bd. 8/II: Charadriiformes (3. Teil), 2. Aufl. Wiesbaden. Gossen, H. (1935): Die Tiernamen in Älians 17 Büchern περὶ ζῴων, in: Quellen und Studien zur Gesch. der Naturwiss. 4: 280–340. Gossen, H. (1940a): Die zoologischen Glossen im Lexikon des Hesych, in: Quellen und Studien zur Gesch. der Naturwiss. 7: 1–154. Gossen, H. (1940b): Zoologisches bei Athenaeus, in: Quellen und Studien zur Gesch. der Naturwiss. 7: 375–436. Gossen, H. (1956a): „Finken“, in: RE Suppl. VIII: Sp. 169–172. Gossen, H. (1956b): „Fliegenfänger“, in: RE Suppl. VIII: Sp. 172–177. Gould, J. (1985): On Making Sense of Greek Religion, in: Easterling, P. E. / Muir, J. V.: Greek Religion and Society, Cambridge: 1–33.

183

Greppin, J. A. C. (1983): Gk. κερκορῶνος ‚An Indian Bird’, in: Glotta LXI: 42–46. Grzimek, B. / Meise, W. / Niethammer, G. / Steinbacher, J. / Thenius, E. (1980): Grzimeks Tierleben, Bd. 7: Vögel 1, München (ND der Ausg. 1975 bis 1977). Grzimek, B. / Meise, W. / Niethammer, G. / Steinbacher, J. (1980): Grzimeks Tierleben, Bd. 8: Vögel 2, München (ND der Ausg. 1975 bis 1977). Gschnitzer, F. (1981): Griechische Sozialgeschichte von der mykenischen bis zum Ausgang der klassischen Zeit, Wiesbaden. Haag-Wackernagel, D. (1998): Die Taube. Vom heiligen Vogel der Liebesgöttin zur Straßentaube, Basel. Hachfeld, B. (1989): Der Kranich, Hannover. Haendel, P. (2001): „Boio“, in: LAW: Sp. 485. Hall, J. J. (1979): The Bird Cataractes, in: JHS 99: 163–164. Hall, J. J. (1991a): The Classification of Birds in Aristotle and Early Modern Naturalists (I), in: Hist. Sci. XXIX: 111–151. Hall, J. J. (1991b): The Classification of Birds in Aristotle and Early Modern Naturalists (II), in: Hist. Sci. XXIX: 223–243. Hampe, R. (Übers.) (1979a): Homer. Ilias, Stuttgart. Hampe, R. (Übers.) (1979b): Homer. Odyssee, Stuttgart. Handrinos, G. I. (1987): The Significance of Greece for Migrating and Wintering Raptors, in: Suppl. Ric. Biol. Selvaggina XII: 99–113. Handronikos, G. / Akriotis, T. (1997): The Birds of Greece, London. Hasebroek, J. (1928): Staat und Handel im alten Griechenland. Untersuchungen zur antiken Wirtschaftsgeschichte, Tübingen. Hehn, V. (1902): Kulturpflanzen und Hausthiere in ihrem Übergang aus Asien nach Griechenland und Italien sowie in das übrige Europa. Historisch-linguistische Skizzen, 7. Aufl. (neu hg. v. O. Schrader) Berlin. Heidenreich, M. (1995): Greifvögel. Krankheiten – Haltung – Zucht, Berlin u. a. Helbig, A. J. (2005): Anmerkungen zur Systematik und Taxonomie der Artenliste der Vögel Deutschlands, in: Limicola 19: 112–128. Hellenic Ministry for the Environment, Physical Planning & Public Works (2007): Aegean Birdlife, http://www.minenv.gr/4/41/4107/e410706.html (Stand: 22.04.2009).

184

Hellenic Ornithological Society (2000): The List of the Birds of Greece, http://www. ornithologiki.gr/en/wob/enchecklist.htm (Stand: 22.04.2009). Hempel, L. (1983): Klimaveränderungen im Mittelmeerraum – Ansätze und Ergebnisse geowissenschaftlicher Forschungen, in: Universitas 38: 873–885. Henderson, J. (Hg. und Übers.) (2000): Aristophanes. Birds. Lysistrata. Women at the Thesmophoria, Cambridge, Mass. – London. Henrichs, A. (1987): Die Götter Griechenlands. Ihr Bild im Wandel der Religionswissenschaft (= Thyssen-Vorträge. Auseinandersetzungen mit der Antike 5, hg. v. H. Flashar), Bamberg. *d’Herouville, P. (1932): Cicéron et l’ornitologie, in: LEC 1932: 274–276. Herrmann, P. / Stadler, M. (2008): Avifauna im Becken von Feneos (Peloponnes, Griechenland), in: Ornithol. Jber. Mus. Heineanum 26: 53–94. Herzhoff, B. (2000): Homers Vogel Kymindis, in: Hermes 128: 275–294. Højlund, F. (1983): „The Maussolleion Sacrifice“, in: American Journal of Archaeology 87(2): 145–152. Hillel, D. (2006): The Natural History of the Bible. An Environmental Exploration of the Hebrew Scriptures, New York. Hölkeskamp, K.-J. / Stein-Hölkeskamp, E. / Wiesehöfer, J. (2006): Die Dark Ages und das archaische Griechenland, in: Gehrke, H.-J. / Schneider, H. (Hgg.): Geschichte der Antike. Ein Studienbuch, 2. Aufl. Stuttgart – Weimar: 35–128. Hopf, L. (1888): Thierorakel und Orakelthiere in alter und neuer Zeit. Eine ethno-logischzoologische Studie, Stuttgart. Hopfner, Th. (1928): „Mantike“, in: RE XIV 1: Sp. 1258–1288. Houlihan, P. F. (1986): The Birds of Ancient Egypt, Cairo. del Hoyo, J. / Elliott, A. / Sargatal, J. (eds.) (1994): Handbook of the Birds of the World, Vol. 2: New World Vultures to Guineafowl, Barcelona. Hübner, W. (1969): Saurix – ein Vogel? Zwei saturnische oscines, in: Glotta XLVII: 266– 279. Hübner, W. (1971): Sorex und bubo, in: Glotta XLIX: 147–149. Hünemörder, Ch. (1996–2002); Autor mehrerer Lemmata zu zoologischen, bes. ornithologischen Themen in: DNP [Der neue Pauly – Enzyklopädie der Antike, hg. v. H. Cancik und H. Schneider, Stuttgart – Weimar 1996 ff.] Für diese Arbeit relevante

185

Lemmata: „Adler“; „Adlerstein“; „Alkyonides“; „Amsel“; „Auerhahn“; „Bienenfresser“; „Charadrius“; „Cynamolgus“; „Distelfink“; „Dohle“; „Drossel“; „Eichelhäher“; „Eisvogel“; „Elster“; „Ente“; „Eulen“; „Falken“; „Fasan“; „Finken“; „Flamingo“; „Fliegenfänger“; „Frankolin-Huhn“; „Gans“; „Geier“; „Habicht“; „Huhn (Hahn)“; „Ibis“; „Keiris“; „Kleiber“; „Kormoran“; „Krähe“; „Kranich“; „Kuckuck“; „Lagopus“; „Lerche“; „Meise“; „Möwe“; „Nachtigall“; „Papagei“; „Pelikan“; „Perlhuhn“; „Pfau“; „Pirol“; „Purpurhuhn“; „Rabe“; „Rebhuhn“; „Reiher“; „Schwalbe“; „Schwan“; „Specht“; „Sperber (bzw. andere Greifvögel)“; „Sperling“; „Steinhuhn“; „Storch“; „Strauß“; „Taube“; „Taucher“; „Wachtel“; „Wendehals“; „Wiedehopf“; „Zaunkönig“; „Ziegenmelker“. Hunger, J. (1909): Babylonische Tieromina nebst griechisch-römischen Parallelen, Leipzig. Imhoof-Blumer, F. / Keller, O. (1889): Tier- und Pflanzenbilder auf Münzen und Gemmen des klassischen Altertums, Leipzig. Jackson, S. (2000): Callimachean Istrus and the Guinea-fowl on Leros, in: Hermes 128: 236–240. Jánossy, D. (1994): Subfossil Bird-faunas from Greece and Turkey, in: Aquila 101: 45–52. *Jennison, G. (1937): Tamed Animals of the City States of Greece, in: Animals for Show and Pleasure in Ancient Rome, Manchester. Kantorowicz, E. (1992): Kaiser Friedrich der Zweite, 3. Aufl. Stuttgart. Kehl, A. (1986): „Haradrius“, in: RLAC XIII: Sp. 585–593. Keller, O. (1887): Thiere des classischen Alterthums in culturgeschichtlicher Beziehung, Innsbruck. Keller, O. (1913): Die antike Tierwelt, Bd. II: Vögel, Reptilien, Fische, Insekten, Spinnentiere, Tausendfüßler, Krebstiere, Würmer, Weichtiere, Stachelhäuter, Schlauchtiere, Leipzig. Kemp, A. / Kemp, M. (1998): Birds of Prey of Africa and its Islands, Cape Town. Kilic, A. (1993): Zur Ethologie des Mönchsgeiers, in: Monticola 7 / Nr. 73: 51–53. Kinzelbach, R. (1997): Vögel in römischer Zeit, in: Beitr. Archäozool. Prähist. Anthrop. 1: 30–41. König, R. (Hg. und Übers.) / Winkler, G. (1986): C. Plinius Secundus d. Ä.: Naturkunde. Lateinisch – Deutsch, Buch X, München – Zürich.

186

Körner, O. (1917): Das homerische Tiersystem und seine Bedeutung für die zoologische Systematik des Aristoteles, Wiesbaden. Kohl, I. (2006): Alpenweite Erfassung des Rotsternigen Blaukehlchens Luscinia s. svecica, in: Monticola 9 / Nr. 100: 372–375. Kohl, S. (1992): Vögel in der Bibel. (Ms.) Kraak, W. K. (1940): Vogeltrek in de Oudheid, in het bijzonder bij Aristoteles, Amsterdam. Krenkel, W. (2001): „Schoßtiere“, in: LAW: Sp. 2726. Kreuzer, B. (1999): Athenische Eulen fürs Symposion, in: Proceedings of the XVth International Congress of Classical Archaeology, Amsterdam, July 12–17, 1998. Classical Archaeology towards the Third Millennium: Reflectives and Perspectives, Amsterdam (Allard Pierson Series): 224–226. Krönneck, P. (1996): Vogelknochen aus Troia. Ein Beitrag zur Umweltrekonstruktion, in: ST 6: 229–236. Krüger, Th. / Krüger, J.-A. (2007): Einflug von Gänsegeiern Gyps fulvus in Deutschland 2006: Vorkommen, mögliche Ursachen und naturschutzfachliche Konsequenzen, in: Limicola 21: 185–217. Kurtz, D. C. / Boardman, J. (1985): Thanatos. Tod und Jenseits bei den Griechen, übers. v. M. Buchholz, redig. u. mit einem Vorwort versehen von H.-G. Buchholz (= Kulturgeschichte der antiken Welt Bd. 23), Mainz. Laffineur, R. (1981): Le symbolisme funéraire de la chouette, in: AC 50: 432–444. Lamberton, R. D. / Rotroff, S. I. (1985): Birds of the Athenian Agora, Athens. Langner, M. (2001): Antike Graffitizeichnungen. Motive, Gestaltung und Bedeutung (= Palilia Bd. 11: Deutsches Archäologisches Institut Rom), Wiesbaden. LAW (2001): Lexikon der Alten Welt, 3 Bde., Düsseldorf. Leitner, H. (1972): Zoologische Terminologie beim Älteren Plinius, Hildesheim. Lenz, D. (1995): Vogeldarstellungen in der ägäischen und zyprischen Vasenmalerei des 12.–9. Jahrhunderts v. Chr. Untersuchungen zu Form und Inhalt (= Internationale Archäologie 27, hg. v. Dobiat, C. / Leidorf, K.), Espelkamp. Lenz, H. O. (1856): Zoologie der alten Griechen und Römer, deutsch in Auszügen aus deren Schriften nebst Anmerkungen (ND 1966, Wiesbaden).

187

Lieckfeld, C.-P. / Straaß, V. (2002): Mythos Vogel. Geschichte – Legenden – 40 Vogelporträts, München – Wien – Zürich. Lindner, K. (1973): Beiträge zu Vogelfang und Falknerei im Altertum (Quellen und Studien zur Geschichte der Jagd XII), Berlin – New York. Lloyd, G. E. R. (1970): Early Greek Science: Thales to Aristotle, London. Lloyd, G. E. R. (1973): Greek Science After Aristotle, New York – London. Lockwood, W. B. (1990): Latin columba, palumbēs, Greek κόλυμβος, in: HSF 103: 261– 263. Lorenz, G. (2000): Tiere im Leben der alten Kulturen. Schriftlose Kulturen, Alter Orient, Ägypten, Griechenland und Rom, Wien – Köln – Weimar (= Alltag und Kultur im Altertum, hg. v. R. Bichler, H. Graßl und I. Weiler, Bd. 5). Luppe, W. (2002): Ein unbekannter Vogelname in Poseidipps Οἰωνοσκόπικά? (Kol. IV 24-29), in: APF 48: 207–209. Mackinnon, M. (2007): Osteological Research in Classical Archaeology: Extended Bibliography, in: AJA 2007: 13–40. Malling Olsen, K. / Larsson, H. (1995): Terns of Europe and North America, Princeton. Malling Olsen, K. / Larsson, H. (2003): Gulls of North America, Europe, and Asia, Princeton – Oxford. Manaseryan, N. / Balyan, L. (2002): The Birds of Ancient Armenia, in: Acta zoologica cracoviensia 45: 405–414. Mascara, R. (1991): Osservazioni Ornitologiche in Grecia e Turchia, in: Picus 17: 91–94. Masseti, M. (1997): Representations of Birds in Minoan art, in: Int. J. Osteoarchaeol. 7: 354–363. Maumary, L. / Vallotton, L. / Knaus, P. (2007): Die Vögel der Schweiz, Sempach – Montmollin. Maxwell-Stuart, P. G. (1981): Studies in Greek Colour Terminology, Vol. I: ΓΛΑΥΚΟΣ, Leiden. Mayr, E. (2003): Das ist Evolution, München. Mebs, Th. / Scherzinger, W. (2000): Die Eulen Europas. Biologie, Kennzeichen, Bestände, Stuttgart. Message, S. / Taylor, D. (2005): Field Guide to the Waders of Europe, Asia and North America, London.

188

Mielsch, H. (2005): Griechische Tiergeschichten in der antiken Kunst (= Kulturgeschichte der antiken Welt, Bd. 111), Mainz. Möller, L. / Vogel, M. (Hgg.) (2007): Die Naturgeschichte des Caius Plinius Secundus. Ins Deutsche übersetzt und mit Anmerkungen versehen von G. C. Wittstein, 2 Bde., Wiesbaden. Momigliano, A. (1979): Hochkulturen im Hellenismus. Die Begegnung der Griechen mit Kelten, Römern, Juden und Persern, München. Morgan, L. (1987): A Minoan Larnax from Knossos, in: ABSA 82: 171–200 und Plates 27–30. Morgan, L. (1988): The Miniature Wall Paintings of Thera: a Study in Aegean Culture and Iconography, Cambridge. Moss, S. (2005): A Bird in the Bush. A Social History of Birdwatching, London. Müller, J. P. (1995): Der Bartgeier, 3. Aufl. Chur. Murray, O. (2006): Das frühe Griechenland, in: Murray, O. / Davies, J. K. / Walbank, F. W.: Das antike Griechenland, Düsseldorf. Musée d’histoire naturelle Fribourg / Naturhistorisches Museum Freiburg (2006): Corbeaux et Corneilles – Oiseaux de malheur? Raben und Krähen – Unglücksvögel? Begleittext zur Ausstellung vom 02.12.2006 – 15.04.2007, http://appl.fr.ch/mhn/news/ novembre_2006/home_homepic_corvus.asp#deutsch (Stand: 22.04.2009). Nature World Wide. World Institute for Conservation & Environment, WICE (2005): Birds of Turkey, http://www.birdlist.org/turkey.htm (Stand: 22.04.2009). Nenninger, M. (2006): „Wald“, in: Sonnabend (2006a): 593–595. Newton, I. (2003): The Speciation and Biogeography of Birds, Amsterdam u. a. Newton, I. (2008): The Migration Ecology of Birds, Amsterdam u. a. Niethammer, G. (1943): Beiträge zur Kenntnis der Brutvögel des Peloponnes, in: J. Ornithol. 91: 167–238. Niethammer, G. (1966): Handbuch der Vögel Mitteleuropas, Bd. 1: Gaviiformes – Phoenicopteriformes, Frankfurt am Main. Nilsson, M. P. (1906): Griechische Feste von religiöser Bedeutung mit Ausschluss der attischen, 2. Aufl. Leipzig (ND 1995, Stuttgart – Leipzig). Nobis, G. (1994): Die Tierreste aus dem antiken Messene – Grabung 1990/91, in: Beiträge zur Archäozoologie und Prähistorischen Anthropologie. 8. Arbeitstreffen der Osteo-

189

logen Konstanz 1993 im Andenken an Joachim Boessneck, zusammengestellt von M. Kokabi und J. Wahl, Stuttgart: 297–313. Northern Prairie Wildlife Research Center (2005): Migration of Birds. Early Ideas About Migration,

http://www.npwrc.usgs.gov/resource/birds/migratio/ideas.htm

(Stand:

22.04.2009). Oder, E. (1893): „Adler“, in: RE I: Sp. 371–375. Olshausen, E. (2006): „Tiergeographie“, in: Sonnabend (2006a): 552–554. Olson, S. D. (Hg. und Übers.) (2006a): Athenaeus. The Learned Banqueters, Books I– III.106e, Cambridge, Mass. – London. Olson, S. D. (Hg. und Übers.) (2006b): Athenaeus. The Learned Banqueters, Books III.106e–V, Cambridge, Mass. – London. Orth, F. (1910): „Geflügelzucht“, in: RE 7: Sp. 903–927. *Pawlak, A. H. (1981): La huppe (ἔποψ, upupa) dans le littérature gréco-romaine, in: Meander XXXVI: 411–420. Pearson, J. (1805): Some Account of Two Mummies of the Egyptian Ibis, One of Which Was in a Remarkably Perfect State, in: Philosophical Transactions of the Royal Society of London 95: 264–271. Peck, A. L. (Hg. und Übers.) (1942): Aristotle. Generation of Animals, Cambridge, Mass. – London. Peck, A. L. (1961) (Übers.): Parts of Animals, in: Peck / Forster (1961): 3–434. Peck, A. L. (Hg. und Übers.) (1965): Aristotle. Historia animalium. Books I–III, Cambridge, Mass. – London. Peck, A. L. (Hg. und Übers.) (1970): Aristotle. History of Animals. Books IV–VI, Cambridge, Mass. – London. Peck, A. L. / Forster, E. S. (Hgg. und Überss.) (1961): Aristotle. Parts of Animals. Movement of Animals. Progression of Animals, Cambridge, Mass. – London. Perkins, Jr., D. (1973): The Beginnings of Animal Domestication in the Near East: Summary, in: Chronologies in Old World Archaeology. Archaeological Seminar at Columbia University 1971–1972, ed. E. Porada, in: AJA 77: 279–282. Peters, J. (1998): Römische Tierhaltung und Tierzucht. Eine Synthese aus archäozoologischer Untersuchung und schriftlich-bildlicher Überlieferung, Rahden / Westf. (= Passauer Universitätsschriften zur Archäologie, hg. v. H. Bender, Bd. 5).

190

Plüss, M. (2007): Die Affen der Lüfte, in: Die Zeit Nr. 26 vom 21. Juni 2007: 38. Pöschl, V. (1996): Sperlinge als Zugtiere bei Sappho?, in: Hermes 124: 499–504. Pollard, J. (1947): The Lammergeyer. Comparative Descriptions in Aristotle and Pliny, in: G&R 16, No. 46: 23–28. Pollard, J. (1977): Birds in Greek Life and Myth, London. Porter, R. F. / Christensen, S. / Schiermacker-Hansen, P. (2004): Field Guide to the Birds of the Middle East, London. Preisendanz, K. (Hg.) (1973): Papyri Graecae Magicae. Die griechischen Zauberpapyri, 2. Aufl. Stuttgart (ND 2001, hg. v. A. Henrichs, München – Leipzig). Prummel, W. (2005): The Avifauna of the Hellenistic Town of New Halos, Thessaly, Greece, in: Gruppe, G. / Peters, J. (eds.): Feathers, Grit and Symbolism. Birds and Humans in the Ancient Old and New Worlds (Documenta Archaeobiologiae Vol. 3: Proceedings of the 5th Meeting of the ICAZ Bird Working Group in Munich [26.7.– 28.7.2004]), Rahden / Westf.: 349–360. Radt, S. (Hg.) (2002–2007): Strabons Geographika, 6 Bde., Göttingen. Recchi, A. / Gopher, A. (2002): Birds and Humans in the Holocene: the Case of Qumran Cave 24 (Dead Sea, Israel), in: Acta zoologica cracoviensia 45 (special issue): 139– 150. Richter, W. (1990): Die Landwirtschaft im homerischen Zeitalter, in: Archaeologia Homerica II: H 1 – H 162 und Tafeln H I – H VI. *de Ridder, M. (1963): L’ornithologie à travers les âges, in: Les Naturalistes belges XLIV: 2–24. Röd, W. (2000): Der Weg der Philosophie. Von den Anfängen bis ins 20. Jahrhundert, Erster Band: Altertum, Mittelalter, Renaissance, München. Rostovtzeff, M. (1955): Gesellschafts- und Wirtschaftsgeschichte der hellenistischen Welt, Darmstadt (ND 1998, Darmstadt). *Royds, Th. F. (1918): The Beasts, Birds and Bees of Virgil, 2nd ed. Oxford. Rühlmann, G. (1965): Der Geier auf dem Schlachtfeld, in: Wiss. Z. Univ. Halle (Gesellsch.- u. Sprachwiss. Reihe): 455–469. Rupé, H. (Übers.) (1989): Homer. Ilias, München – Zürich. Sánchez Marco, A. (2004): Avian Zoogeographical Patterns during the Quaternary in the Mediterranean Region and Paeloclimatic Interpretation, in: Ardeola 51: 91–132.

191

Sarton, G. (1952): A History of Science. I: Ancient Science through the Golden Age of Greece, Cambridge / Mass. Satheesan, S. M. (2000): Vultures in Asia, in: Chancellor, R. D. / Meyburg, B.-U. (eds.): Raptors at Risk. Proceedings of the V World Conference on Birds of Prey and Owls (Midrand, Johannesburg, South Africa 4–11 August 1998), Surrey – Blaine: 165– 174. Schäf, M. / Jung, Ch. (2008): Reiseziele und Beobachtungsorte: Interessante Brutvögel auf Lesbos, in: Limicola 22: 215–232. Schauenburg, K. (1996): Schwäne aus Unteritalien, in: JÖAI 65: 105–119. Schedler, K. (2001): Tiere in der Antike. Einen Bibliographie von 1995–2000, in: AnzAW 54: 1–12. Scheibler, I. (2001): „Aristophanes“, in: LAW: Sp. 309–313. Schmidt, E. / Schmidt, A. (1985): Data on the Avifauna of the Islands Thasos and Kefalinia (Greece), in: Aquila 92: 303–304. Schmidt, G. (2002): Rabe und Krähe in der Antike. Studien zur archäologischen und literarischen Überlieferung, Wiesbaden. Schneider, H. (2002): „Vogelfang“, in: DNP 12/2: Sp. 290–291. Scholfield, A. F. (Hg. und Übers.) (1958): Aelian. On the Characteristics of Animals, Vol. I: Books I–V, Cambridge, Mass. – London. Scholfield, A. F. (Hg. und Übers.) (1959a): Aelian. On the Characteristics of Animals, Vol. II: Books VI–XI, Cambridge, Mass. – London. Scholfield, A. F. (Hg. und Übers.) (1959b): Aelian. On the Characteristics of Animals, Vol. III: Books XII–XVII, Cambridge, Mass. – London. Schönberger, O. (Hg. und Übers.) (1996): Hesiod. Werke und Tage, Stuttgart. Schwentner, E. (1955): Lat. būbō, būfō, gūfō, in: ZVS 72: 120–123. Serjeantson, D. (2009): Birds, Cambridge u. a. Shirihai, H. (1996): The Birds of Israel, London. Sibson, R. B. (1939): Birds at Troy, in: G&R 8, No. 24: 139–143. Sijpesteijn, P. J. (1977): A List of Birds, in: Mnemosyne XXX: 69–71. Simon, A. (1970): Ornithologische Beobachtungen in Macedonien 1968, in: Monticola 2 / Nr. 26: 97–110.

192

Solmsen, F. / Merkelbach, R. / West, M. L. (Hgg.) (1990): Hesiodi: Theogonia. Opera et Dies. Scutum; Fragmenta selecta, 3rd ed. Oxford. Sonnabend, H. (Hg.) (2006a): Mensch und Landschaft in der Antike. Lexikon der Historischen Geographie, Stuttgart – Weimar (Sonderausgabe). Sonnabend, H. (2006b): „Seeherrschaft“, in: Sonnabend (2006a): 460–463. Speyer, W. (1973): „Gans“, in: JbAC XVI: 178–189. Spoerri, W. (2001): „Aelianus“, in: LAW: Sp. 43–44. Steier, A.: „Sperber“, in: RE II, 3: Sp. 1613–1625. Stengel, P. (1910): Opferbräuche der Griechen, Leipzig – Berlin. Sterry, P. (2004): Die Vögel am Mittelmeer, übers. und überarb. v. J. Dierschke und V. Dierschke, Stuttgart. Störk, L. (1999): Tiere im Alten Ägypten, in: Münch, P. (Hg.): Tiere und Menschen – Geschichte und Aktualität eines prekären Verhältnisses, 2. Aufl. Paderborn – München – Wien – Zürich: 87–119. Storey, A. A. / Ramírez, J. M. / Quiroz, D. / Burley, D. V. / Addison, D. J. / Walter, R. / Anderson, A. J. / Hunt, T. L. / Athens, J. S. / Huynen, L. / Matisoo-Smith, E. A. (2007): Radiocarbon and DNA Evi-dence for a Pre-Columbian Introduction of Polynesian Chickens to Chile, Proc. Natl. Acad. Sci. USA, 10.1073/pnas.0703993104, http://www.pnas.org/cgi/content/ abstract/0703993104v2 (Stand: 22.04.2009). Stresemann, E. (1951): Die Entwicklung der Ornithologie. Von Aristoteles bis zur Gegenwart, Berlin (ND 1996, Wiesbaden). Stresemann, E. (1956): Bausteine zu einer Ornithologie von Kreta, in: J. Ornithol. 97: 44– 72. Sundevall, C. J. (1863): Die Thierarten des Aristoteles. Von den Klassen der Säugethiere, Vögel, Reptilien und Insekten, Stockholm. Suolahti, H. (1909): Die deutschen Vogelnamen. Eine wortgeschichtliche Untersuchung, 2. Aufl. Berlin – New York (ND 2000). Svensson, L. / Grant, P. J. / Mullarney, K. / Zetterström, D. (1999): Der neue KosmosVogelführer. Alle Arten Europas, Nordafrikas und Vorderasiens, Stuttgart. Tagliacozzo, A. / Gala, M. (2002): Exploitation of Anseriformes at Two Upper Palaeolithic Sites in Southern Italy: Grotta Romanelli (Lecce, Apulia) and Grotta del Santuario

193

della Madonna a Praia a Mare (Cosenza, Calabria), in: Acta zoologica cracoviensia 45 (special issue): 117–131. Tarn, W. W. (1972): Die Kultur der hellenistischen Welt, Darmstadt. Thompson, D’Arcy W. (1895): A Glossary of Greek Birds, Oxford. Thompson, D’Arcy W. (1924): The Greek for a Goldfinch, in: CR XXXVIII: 7–11. Thompson, D’Arcy W. (1936): A Glossary of Greek Birds, London – Oxford (ND 1966, Hildesheim). Tomek, T. / Bocheński, Z. M. (2002): Bird Scraps from a Greek Table: The Case of Klisoura Cave, in: Acta zoologica cracoviensia 45 (special issue): 133–138. Toynbee, J. M. C. (1973): Animals in Roman Life and Art, London. *Turner, W. (1544): A Short and Succinct Account of the Principal Birds Mentioned in Pliny and Aristotle, Cologne. Unte, W. (1987): Der fromme Vogel. Zum Bild des Storches in der Antike, in: Natwiss. Rundschau 40: 10–13. Uttendörfer, O. (1939): Die Ernährung der deutschen Raubvögel und Eulen und ihre Bedeutung in der heimischen Natur, Melsungen (ND 1997, Wiesbaden). Vaniček, A. (1877): Griechisch-lateinisches etymologisches Wörterbuch, Leipzig (ND 2005, Leipzig). Veyne, P. (1989): I. Das Römische Reich, in: Geschichte des privaten Lebens, hg. v. P. Ariès und G. Duby; Bd. 1: Vom Römischen Imperium zum Byzantinischen Reich, hg. v. P. Veyne: 19–227. Vrezec, A. (2005): Podobe ptic na antičnih novcih, in: Svet ptic 11/02: 6–11. Walters, M. (2003): A Concise History of Ornithology, New Haven – London. Weiher, A. (Übers.) (1986): Homer. Odyssee, 8. Aufl. München – Zürich. Wellmann, M. (1891): Alexander von Myndos, in: Hermes 26: 481–566. Wember, V. (2007): Die Namen der Vögel Europas. Bedeutung der deutschen und wissenschaftlichen Namen, 2. Aufl. Wiebelsheim. von Wettstein, O. (1938): Die Vogelwelt der Ägäis, in: J. Ornithol. 86: 9–53. Wiesner, J. (2001): „Eulen“, in: LAW: Sp. 912–913. von Wilamowitz-Möllendorff, U. (1883): Phaethon, in: Hermes 18: 396–434. Willemsen, C. A. (Komment.) (1991): Das Falkenbuch Kaiser Friedrichs II. Nach der Prachthandschrift in der Vatikanischen Bibliothek, 7. Aufl. Dortmund.

194

Yosef, R. (1998): Clues to the Migratory Routes of the Eastern Flyway of the Western Palearctics – Ringing Recoveries at Eilat, Israel [II – Falconiformes], in: Vogelwarte 39: 203–208. Yosef, R. / Bahat, O. (2000): Habitat Loss and Vultures: a Case Study from Israel, in: Chancellor, R. D. / Meyburg, B.-U. (eds.): Raptors at Risk. Proceedings of the V World Conference on Birds of Prey and Owls (Midrand, Johannesburg, South Africa 4–11 August 1998), Surrey – Blaine: 207–212.

195

[PDF] Vögel in der griechischen Antike - Free Download PDF (2024)
Top Articles
CEH Certification Requirements 2024: An Essential Guide!
Windsor MP critical of transporting hazardous materials on Ambassador Bridge | CBC News
Her Triplet Alphas Chapter 32
Your Blog - Sheri Blonde
Craigslist Lititz
Wal-Mart 140 Supercenter Products
Shadle Park big-play combo of Hooper-to-Boston too much for Mt. Spokane in 20-16 win
Petty Bourgeoisie | Encyclopedia.com
Member Handbook 2021 | Ohio Medicaid Caresource | Member Handbook
Guide:Guide to WvW Rewards
Maine Coon Craigslist
Myth or Fact: Massage Parlors and How They Play a Role in Trafficking | OUR Rescue
Probasketball Reference
Shae Cornette Bikini
Stolen Touches Neva Altaj Read Online Free
Craigslist Goats For Sale By Owner Near Me
Sweeterthanolives
Zen Leaf New Kensington Menu
Alamy Contributor Forum
Bfri Forum
Olentangy Calendar
Sejinming Telegram
Midsouthshooters Supply
Account Now Login In
Kidcheck Login
Shiftwizard Login Wakemed
How 'Tuesday' Brings Death to Life With Heart, Humor, and a Giant Bird
Geritol Complete - Gebrauchsanweisung, Dosierung, Zusammensetzung, Analoga, Nebenwirkungen / Pillintrip
Pervmom Noodle
Gmail Psu
JetBlue, Spirit end $3.8 billion merger agreement after losing antitrust suit
Bellagio Underground Tour Lobby
Craigslist Cars And Trucks By Owner Seattle
Wgu Admissions Login
Phasmophobia Do As I Command Challenge
What Happened To Doublelist? Unveiling The Mystery | Men's Venture
Coventry Evening Telegraph Ccfc
Incident Manager (POS & Kiosk) job in Chicago, IL with McDonald's - Corporate
O'reilly's In Mathis Texas
Ssndob Cm
Mathews Vertix Mod Chart
Stafford Rotoworld
German American Bank Owenton Ky
Melissa Bley Ken Griffin
Kohl's Hixson Tennessee
19 BEST Stops on the Drive from Te Anau to Milford Sound +Road Trip Tips!
Stpeach Forum
Www.888Tt.xyz
Larry's Country Diner LIVE! - 2024 Tickets - Branson Travel Office
Carenow Urgent Care - Eastchase Fort Worth Photos
The Emperor's New Groove | Rotten Tomatoes
LP Vinyl Samling pop rock thrash metal trance
Latest Posts
Article information

Author: Tish Haag

Last Updated:

Views: 6479

Rating: 4.7 / 5 (67 voted)

Reviews: 82% of readers found this page helpful

Author information

Name: Tish Haag

Birthday: 1999-11-18

Address: 30256 Tara Expressway, Kutchburgh, VT 92892-0078

Phone: +4215847628708

Job: Internal Consulting Engineer

Hobby: Roller skating, Roller skating, Kayaking, Flying, Graffiti, Ghost hunting, scrapbook

Introduction: My name is Tish Haag, I am a excited, delightful, curious, beautiful, agreeable, enchanting, fancy person who loves writing and wants to share my knowledge and understanding with you.